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Zoom- und Team-Meetings werden einen Sprachaufenthalt im Ausland nie ersetzen können, ist Claudio Cesarano, CEO von Linguista, überzeugt. Bild: HO

«Wir hatten zeitweise 70 Prozent der Buchungen verglichen mit dem Vorkrisenjahr»

Nina Wild

Claudio Cesarano, CEO Linguista Sprachaufenthalte, spricht im Interview mit Travelnews über die Top-Buchungslage im Frühjahr und sagt, weshalb die Situation dennoch im Desaster endete.

Herr Cesarano, welche Themen beschäftigen Sie aktuell am meisten?

Claudio Cesarano: Ein Grossteil unserer Kunden ist noch nicht geimpft. In diesem Sommer war das eine grosse Herausforderung für uns, etwa bei den Jugendcamps im Ausland. Dort wurden strenge Testpflichten auferlegt und die jungen Leute stecken sich schnell an, weil sie wenig bis gar keine Symptome haben, die Eltern machen sich Sorgen und auch eine Quarantäneverordnung kann verhängt werden. Wir sprechen hier von 12- bis 16-jährigen, welche jetzt endlich wieder einmal raus in die Welt und etwas erleben wollen. Jeder hatte die Hoffnung, dass ein Auslandaufenthalt in Frankreich, England oder Malta möglich ist. England schloss die Grenzen und war ohnehin auf der Risikoländer-Liste aufgrund der Delta-Variante, also buchten wir alles nach Malta um, ein wichtiges Sprachreise-Ziel, doch diese verkündeten plötzlich, dass nur noch Geimpfte einreisen dürfen oder alle anderen eine zweiwöchige Quarantäne absolvieren müssen. Das war ein riesiges Desaster für uns.

Wie gestaltet sich aktuell denn generell die Nachfrage nach Sprachreisen?

Die Nachfrage ist da, das spüren wir. Der Sommer entwickelte sich gut, wir hatten teilweise 70 Prozent der Buchungen verglichen mit dem Vorkrisenjahr 2019. Das hat uns riesig gefreut. Die meisten der Sprachaufenthalte konzentrierten sich jedoch auf Malta und England, weshalb wir den grössten Teil der Buchungen annullieren mussten, weil die Einreisebestimmungen zu kompliziert sind.

Diese Leute, welche reisen möchten tun dies auch, nehmen mit Tests und allfälligen Quarantänen aber eine Menge auf sich. Viele sind überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Sprachaufenthalt ist, weil viele Destinationen nicht überlaufen sind. Diese Menschen haben Zeit und schon lange eine Reise geplant. Spannend ist auch, dass die Sprachschulen an den meisten Orten geöffnet haben, wenn auch diese auf Sparflamme laufen. Andere Kunden, welche kürzere Aufenthalte zwischen zwei und vier Wochen planen, sehen eher ab, zum jetzigen Zeitpunkt zu verreisen. Sie können es sich nicht leisten, bei der Rückkehr noch in Quarantäne zu gehen.

«Wir spüren überall die Auswirkungen der aktuellen Situation.»

Sie haben ja auch spezielle 50-Plus-Angebote. Wie sieht es dort aus?

Bei diesen Menschen merken wir, dass sie nur darauf warten, bis es endlich losgeht. In dieser Kundengruppe verzeichnen wir auch keine Annullationen. Hunderte Menschen warten darauf, ihre Reise anzutreten.

Welche Destinationen stehen besonders hoch im Kurs?

Wir haben von Erwachsenen viele Anfragen für die USA, denn die Einreise ist mit einem Studentenvisum bei einem Aufenthalt von mindestens drei Monaten möglich. Nachgefragt und verkauft wird etwa San Diego. Bei solchen Long-Stays lohnt sich auch der Aufwand für die Reise. Jedoch ist das Beschaffen eines Visums eine Herausforderung, weil die US-Amerikanische Botschaft nur reduziert geöffnet hat. Wir spüren überall die Auswirkungen der aktuellen Situation. Nichts läuft so, wie es sollte.

«Eine Nachfrage nach Online-Sprachkursen gibt es nicht»

Zoom- und Teams-Lektionen haben sich bei Studierenden in den letzten eineinhalb Jahren etabliert. Welcher Einfluss hat diese Entwicklung auf die Durchführung von Sprachreisen?

Wir merken, dass die Leute das nicht wollen. In den vergangenen eineinhalb Jahren haben sich diese Online-Formate stark etabliert, gerade bei jungen Erwachsenen, welche im Studium sind. Sie wollen damit nicht auch noch eine neue Sprache lernen, sondern gerade eben vor Ort sein und in die Kultur und das Leben in einem fremden Land eintauchen. Aber natürlich bringt es Vorteile, wenn die Reisenden vor Ort sind und es einen Lockdown gibt oder sie in Quarantäne müssen. So verpassen sie keinen Lernstoff. Aber eine Nachfrage nach Online-Sprachkursen gibt es nicht.

Alleine in der Schweiz werden vier Sprachen gesprochen. Wurde das Angebot innerhalb des Landes lanciert oder ausgebaut?

Ja, sehr stark, jedoch nur für die Jugendlichen bis 17 Jahre. Für diese Kundengruppen ist Englisch die wichtigste Sprache, also haben wir Camps am Schwarzsee, Engelberg oder Estavayer-le-Lac organisiert.

Und wie sieht es bei den Erwachsenen aus?

Die Erwachsenen sind sehr stark auf Lausanne und Montreux fixiert, um Französisch zu lernen. Für Italienisch reisen Deutschschweizer nach Lugano. Die Romands wiederum gehen nach Zürich und Konstanz für Deutschkurse. Diese Angebote hatten wir früher schon im Portfolio, jedoch haben wir bemerkt, dass die Nachfrage grösser wurde und für uns war das wie eine Rückversicherung.