Reiseanbieter
«Die Reisewelt wird zunächst eine andere sein»
Gregor WaserHerr Gerber, wie welchen Langstrecken-Zielen rechnen sie in den kommenden Monaten? Und wie gross ist die Kundennachfrage?
Nick Gerber: Das Interesse der Leute ist gross, sie wollen reisen. Und einige tun’s ja auch, etwa nach Costa Rica haben wir einige Buchungen. Die Frage lautet bei allen Zielen: ist der Aufwand erträglich? Ob auf der Lang- oder Kurzstrecke: es gilt zu wissen, auf was man sich einlässt. Die Einreise- und Rückreise-Bestimmungen können morgen wieder ändern. Grundsätzlich sind Langstreckenreisen aber nach wie vor fast nicht möglich. Jetzt eine Einschätzung zu machen, was in den kommenden Monaten ist, damit haben wir aufgehört, das bringt einfach nichts. Was läuft mit den USA? Was mit anderen Destinationen? Man hört so viel von Öffnungen, doch dann ist es in der Folgewoche doch wieder anders. Wir müssen es einfach nehmen, wie es kommt.
Wie steht es um die pendenten Umbuchungen? Lassen sich die Kunden erneut vertrösten auf ein späteres Reisedatum?
Umbuchungen sind ein komplexes Thema. Was zu Beginn der Krise für viele in der Branche als Vorteil angesehen wurde, entpuppte sich zunehmend als Nachteil. Solange die Perspektiven fehlen und die Länder, in welche die Kunden ihre ursprüngliche Reise geplant haben, weiterhin geschlossen sind, kommt es bei den meisten zu keiner zweiten Umbuchung. Klar gibt es auch Fälle, wo Kunden in eine neue Destination umbuchen, welche bereisbar ist. Das sind aber eher die Ausnahmen. Es gab auch Fälle, wo von Leistungsträgern wie etwa Airlines plötzlich Kosten anfallen, obwohl die Reise weiterhin nicht möglich ist, die Airline aber die Flüge durchführt. Hätten die Kunden die Flüge im letzten Jahr rückerstatten lassen, hätten sie das kostenlos machen können. Jetzt sollen sie auf einmal Spesen zahlen? Das geht nicht. Ich bin aber fest davon überzeugt: Die Leute, welche eine Reise machen wollen, werden wieder kommen.
Wird die Reisewelt eine andere sein?
Damit ist zunächst zu rechnen. Nehmen wir das Beispiel einer Südamerika-Rundreise – die wird vorerst gar nicht möglich sein. Wegen den Einreisebestimmungen sind Länderkombinationen fast nicht machbar. Die Grenzübertritte sind kompliziert. Wobei es auch Ausnahmen gibt. Neulich hatten wir Kunden, die nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Mexiko weiter in die USA reisten, das war möglich. Aber bei Australien und Neuseeland wissen wir, da wird bis Mitte 2022 wohl nichts gehen.
«Fraglich wird sein, ob die Reisedestinationen nach einem Restart die nötige Infrastruktur stellen können.»
Rechnen Sie mit weiteren Herausforderungen in der künftigen Reisewelt?
Die Reisenachfrage ist ja nicht nur in der Schweiz gross, auch jene in ungleich grösseren Märkten wie Deutschland und Grossbritannien. Fraglich wird sein, ob die Reisedestinationen nach einem Restart die nötige Infrastruktur stellen können. Es zeichnet sich etwa in Nordamerika ein grosser Mangel an Motorhomes und Mietwagen ab. Das hat mit Problemen in der Produktionskette zu tun, weil einzelne Bauteile nicht geliefert werden konnten. Zudem haben viele Anbieter ihre Fuhrparks verkleinert und aus Liquiditätsgründen Fahrzeuge abgestossen – es boten sich ja gute Gelegenheiten dazu, die Inlandnachfrage nach Motorhomes ist ja so gross wie nie, das sehen wir auch in Europa. Da zeichnen sich Engpässe ab.
Und beim Blick auf andere Kontinente?
Es ist zu befürchten, dass etwa in Asien oder Südamerika gewisse Hotelinfrastrukturen fehlen werden. Da wird nicht mehr jede Unterkunft verfügbar sein, weil niemand das Geld für eine Wiedereröffnung hat. Ich stelle mir jedenfalls die Frage, ob die nötigen Infrastrukturen da sein werden, um den Nachholbedarf abzufedern.
Und gibt es auch Gründe für eine gewisse Zuversicht?
Was mich positiv stimmt: vermehrt kommen verloren geglaubte Kunden zurück zu uns. Sie haben es satt, sich im Internet um Reisemöglichkeiten zu kümmern. Sie haben gecheckt: ich gehe lieber ins Reisebüro, dort bin ich safe und muss mich um fast nichts kümmern.