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Die Härtefallhilfe darf keinesfalls zu Überentschädigungen führen

Viele Schweizer Reiseunternehmen haben bereits Gelder des Härtefallhilfeprogramms erhalten - zum Teil durchaus signifikante Zahlungen. Angesichts der anhaltenden Misere in der Reisebranche werden bereits weitere Hilfen gefordert. Doch beim Schweizer Reise-Verband will man nicht aktiv werden - um die Branche nicht in Verruf zu bringen.

Zahlreiche Schweizer Reiseunternehmen haben bereits Härtefall-Hilfsgelder erhalten. Dem Vernehmen nach - kaum jemand legt die erhaltenen Beiträge offen oder will konkret genannt sein - wurde in vielen Fällen ziemlich umstandslos und grosszügig verteilt. Doch angesichts der anhaltenden Misere in der Reisebranche, mit weiterhin nur schwach anziehender Nachfrage, wird bereits über weitere Hilfeleistungen diskutiert - obwohl die Auszahlungen aus der dritten Tranche noch gar nicht vollzogen sind.

«Die Reisebranche hat bereits etliche Hilfsgelder erhalten und sollte noch nicht aktiv weitere Forderungen stellen, bevor klar ist, wie viel Geld letztlich ausbezahlt wurde», erklärt André Lüthi, Leiter Politik beim Schweizer Reise-Verband (SRV). SRV-Geschäftsführer Walter Kunz doppelt nach: «Es sind von unserer Seite auf dem politischen Parkett aktuelle keine weiteren Aktivitäten geplant - dies auch, weil strukturelle Anpassungen bei den unterstützten Unternehmen nötig sind. Die Reisebranche kann nicht auf ewig mit Unterstützung vom Steuerzahler rechnen.»

Unter anderem hat dies damit zu tun, dass in der Härtefall-Verordnung klar steht, dass es zu keiner Überentschädigung kommen darf. Und zunächst solle sichergestellt werden, dass Reiseunternehmen in der Summe nicht überentschädigt wurden. Hierbei ist zu erwähnen, dass nicht nur die ausbezahlte Härtefallhilfe zur Berechnung bezogen wird, sondern auch weitere Leistungen wie Kurzarbeitsentschädigung oder auch Mietzinsreduktionen.

Ein vereinfachtes Beispiel: Ein Zürcher Reisebüro mit vier Millionen Franken Umsatz konnte in der ersten Tranche der Härtefallhilfe 10% des Umsatzes beantragen, also bereits 400'000 Franken erhalten. Darüber hinaus wurden aber auch Kurzarbeitsentschädigungen ausbezahlt und vielleicht eine Mietzinsreduktion gewährleistet. Mit weiteren Tranchen konnte noch mehr Härtefallgeld gefordert und erhalten werden. Doch: Eine mögliche Überentschädigung liegt dann vor, wenn man beim konsolidierten EBIT 2020/2021 schwarze Zahlen schreibt. Was theoretisch möglich ist, je nach dem, wie ein Unternehmen sich aufgestellt. Liegt dieser Fall vor, könnte man dies «forward looking» als hilfreich ansehen, weil die Probleme andauern - aber man sollte dieses Geld auf keinen Fall antasten!

Hinter vorgehaltener Hand ist nämlich Rede davon, dass nun trotz Pandemie diverse Unternehmen auf einen schwarzen EBIT für das aktuelle Geschäftsjahr kommen werden. Die dritte Hilfstranche ist bis März 2022 gewährleistet. «Es ist wichtig, dass genau durchgerechnet wird, wie viel Geld man erhalten hat und auf wie viel man auch Anspruch hat, bevor noch mehr Geld in Anspruch genommen wird», moniert Kunz.

Bleibt innovativ!

Zur Erinnerung: Noch im Frühjahr rechneten Bund und Kantone damit, dass bis zu 10 Milliarden Franken Härtefall-Hilfsgelder benötigt werden. Per Anfang Juli hatten die Kantone aber erst 3 Milliarden Franken an Härtefallgeldern ausbezahlt. Den Reiseunternehmen flossen demnach bis Ende Juni gar «nur» 182 Millionen Franken an Härtefallhilfe zu. Dies, weil viele Unternehmen Gebrauch von Covid-Kredit und Kurzarbeits-Entschädigungen machten bzw. immer noch machen. Ein Zeichen auch dafür, dass sich die Betriebe auch aus eigener Kraft - durch Personalabbau und Kosteneinsparungen - über Wasser hielten und zuvor auch stabil aufgestellt waren.

Doch die bewilligten Gelder für Härtefälle sind zur Genüge da; sie wurden nicht nur in jeder Parlamentssession aufgestockt, sondern noch im Juni weiter alimentiert: Der Bundesrat beschloss am 18. Juni 2021 punktuelle Anpassungen an der Härtefallverordnung, wodurch stark betroffenen Unternehmen höhere Unterstützungen zugesprochen werden können. Der Bundesrat erhöhte daher erstens die Obergrenze der À-Fonds-perdu-Beiträge zur Unterstützung von kleinen Unternehmen mit hohen Umsatzeinbussen. Zweitens stellt er den Kantonen 300 Millionen Franken aus der «Bundesratsreserve» zur Verfügung, um besonders betroffene Unternehmen zusätzlich zu unterstützen.

Ein Problem bleibt zwar: Die Bedürfnisse der Kantone - und innerhalb dieser auch die Auszahlungen und Prozeduren - fallen äusserst unterschiedlich aus. Doch offensichtlich wurde vorwärts gemacht bei der Bearbeitung und auch Auszahlung von Härtefallhilfen. «Die Hilfe von Seiten der Politik ist da und die Prozesse sind inzwischen gut», so Lüthi. Die politische Arbeit ist natürlich eine Gratwanderung: Die Probleme der Reisebranche bleiben bis auf Weiteres bestehen, und damit auch die Forderung nach Hilfsleistungen. Doch es muss unbedingt verhindert werden, dass einige wenige Exponenten der Reisebranche zu «Kriegsgewinnlern» werden und somit die ganze Reisebranche bei der Politik in Verruf bringen könnten.

Und zu guter Letzt: Die Hilfe ist nicht dazu da, dass man sich einfach über Wasser hält und weiter macht wie bisher. Unternehmen müssen weiterhin agil und innovativ sein, um langfristig bestehen zu können. Oder anders formuliert: Man sollte noch ein Weilchen länger imstande sein, mit lediglich 50% des Umsatzes von 2019 überlebensfähig zu sein.

(JCR)