Reiseanbieter

Reisebüros müssen sich im Klaren sein, wo ihr Mehrwert für den Kunden liegt und wie viel dieser bereit ist dafür zu zahlen. Bild: Amy Hirschi

Einwurf Der Kunde ist der Massstab – niemand sonst

Vanessa Bay

Die ewige Diskussion um die optimalste Vergütung im Reisebüro, also das Thema «Honorare», dauert weiterhin an. Gastautorin Vanessa Bay ärgert sich dabei über Reisebüros, welche ihre Kraft einsetzen, um nach Schuldigen für ihre Misere zu suchen und die von Verbandsstellen stets Orientierungshilfe verlangen, statt aus eigener Kraft am eigenen Geschäftsmodell zu arbeiten.

Laut einer Umfrage von Travelnews wünscht sich die Reisebranche vom SRV (oder einem anderen Verband) Orientierung – um nicht zu sagen: verbindliche Vorgaben – hinsichtlich Vergütungsfragen. Wie verrechnen wir dem Kunden, was wir als Reisebüro für ihn tun?

Das Thema ist seit zwanzig, dreissig Jahren aktuell – schon als ich in den 90er Jahren selbst im Reisebüro gearbeitet habe, wurde darüber debattiert. Es ist irritierend, dass es in regelmässigen Abständen immer wieder hochgekocht wird und dass in all diesen Jahren kein Konsens gefunden werden konnte. Wäre es nicht an der Zeit abzusteigen, wenn das Pferd, das man reitet, längst tot ist?

Der Ruf nach Verbandslösungen in solchen Fragen zeigt, dass der Vertriebszweig der Branche offenbar vielfach noch immer zu wenig kaufmännisch und unternehmerisch denkt. Das Ganze wird seit Jahren falsch angegangen. Ohne selbstkritisches Hinterfragen, was eigentlich die Leistungen sind, welche der Kunde honorieren sollte (Was biete ich ihm oder ihr?), wird über eine Guideline des Verbandes diskutiert (was manche, die den Verband in die Verpflichtung nehmen wollen, hinterher vermutlich doch nicht daran hindert, gleich als erste wieder darüber zu schimpfen).

Was nützt eine verordnete «Orientierung» und eine genormte Preisliste, wenn oft unerfahrene (dafür aber «günstige») Mitarbeitende im Verkauf die Kunden nach wie vor mit Prospekten eindecken und das Gefühl haben, das sei eine gute Beratungsleistung? Es geht doch nicht darum, ein allgemein gültiges Tarifblatt zu kreieren, um auf diese Weise Honorareinnahmen generieren zu können! Es braucht das Bewusstsein, dass der Kunde nur bezahlen wird, wenn ihm ein Mehrwert geboten wird. Deshalb geht es hier nicht um eine Tabelle mit Stundenansätzen und Auflistung der Leistungen! Oder denkt jemand, ein Kunde sei glücklich, wenn er mit Verweis auf den geltenden Verbandstarif zur Kasse gebeten wird, auch wenn er gar nicht das Gefühl hat, einen Mehrwert bekommen zu haben?

«Ich muss an der Bereitschaft meiner Kunden, meine Dienstleistungen zu bezahlen, ablesen, was diese ihnen wert sind.»

Die Sache unternehmerisch anzugehen bedeutet, genau umgekehrt vorzugehen: Ich muss an der Bereitschaft meiner Kunden, meine Dienstleistungen zu bezahlen, ablesen, was diese ihnen wert sind. Er ist der Massstab – und niemand oder irgendwas sonst. Damit sind solche Dienstleistungen ein Faktor, mit dem ich mich auf dem Markt differenzieren und gegenüber meinen Konkurrenten abheben kann. Darauf möchte ich keinesfalls verzichten! Sonst könnten wir gleich ein einziges staatliches Einheitsreisebüro mit genormten Leistungen und Preisen einrichten …

Konkret: Es geht zunächst um die Analyse der eigenen Leistungen, die dem Kunden einen wirklichen Mehrwert bringen, zum Beispiel:

  • Zeitersparnis beim Zusammenstellen der Reise,
  • Zugang zu Expertennetz in der Schweiz und weltweit,
  • das Gefühl zu vermitteln, gehört, verstanden, gut aufgehoben und beraten zu sein,
  • im Notfall 24/7 während der Reise für den Kunden da sein.

Dann gilt es, die eigenen Spezialitäten und diejenigen der Mitarbeitenden zu definieren (Kenntnisse von Ländern, lokale Insidertipps usw.). Und zwar ehrlich: Studienreisen aufzuführen ist beispielsweise nur sinnvoll, wenn sie in den letzten drei Jahren stattgefunden haben.

Und nicht zuletzt gilt es zu definieren, wie man diesen Mehrwert dem Kunden transparent vermitteln kann. Erst nach Erledigung dieser Hausaufgaben kann man seriös das Thema Honorare angehen. Und zwar die «bei uns geltenden» – nicht irgendwelche «vom Verband verordneten, tut uns leid …».

Und noch zu Bezeichnung: Es dürfte nur noch von Honoraren gesprochen (honorieren = die Leistung anerkennen). Aber es schwirren immer noch negative Bezeichnungen herum, vor allem Beratungsgebühren oder Spesen: Das sind negativ besetzte Bezeichnungen, die einem Amt, aber nicht einer lebensbejahenden Branche anstehen.

«Es braucht keine Orientierung seitens des SRV oder von sonst einem Verband.»

Es gibt Reisebüros, die seit einiger Zeit schon ausgewiesene Honorare (nicht in den Preisen versteckte Beträge) fordern und damit ca. 1.5% – 2% ihres Umsatzes machen. Das ist der Weg. Es braucht – wie oben ausgeführt – keine Orientierung seitens des SRV oder von sonst einem Verband. Eine solche bewirkte bei den Kunden keinerlei Verständnis oder Akzeptanz, sie wäre ist eine dirigistische Schutzmassnahme, die streng genommen gar nicht erlaubt ist. Wir sind in einem freien Markt. Es braucht Qualitätsbewussten, Glauben an das eigene Können (und der Mitarbeitenden) und die Fähigkeit, die eigene Leistung dem Kunden glaubhaft und transparent zu vermitteln. Und es braucht Selbstbewusstsein, weil es immer wieder Konkurrenten geben wird, die damit prahlen, eben keine Honorare zu verlangen (das haben wir ja bereits beim Thema «Auftragspauschale» erlebt). Wie lange solches Geschäftsgebaren kommerziell überlebt, bleibt dahingestellt.

Leider stagniert die Branche seit Jahren – viele Reisebüros sind zu unkritisch und erneuerungsresistent. Anstatt sich selbst zu hinterfragen und täglich daran zu arbeiten, sich zu verbessern, investieren sehr viele Marktteilnehmer ihre Kraft nur dafür, nach links und rechts auszuteilen und Schuldige für ihre Misere zu suchen (Internet, Verband, die bösen TOs und erst recht die Airlines …).

Fazit: Viele Reisevermittler haben offensichtlich die ganzen letzten Jahre nicht dazu genutzt, sich konkrete Gedanken über ihr Geschäftsmodell und die Qualität ihrer Leistung zu machen. Es ist bedenklich, wenn auch sinnbildlich für einen Branchenzweig, in dem es einigen durchaus gut geht, während andere dem Untergang geweiht scheinen. Mein ehemaliges Reisebüro-Herz würde sich freuen, wenn auch Letztere sich ein Beispiel an denen nehmen, die das Honorar-Thema längst erfolgreich und mit unternehmerischem Flair praktizieren, anstatt nach einem Verband zu rufen.