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Das SRV-Präsidium als «Option»
Jean-Claude RaemyDie Corona-Krise hat den Gesprächsbedarf der Schweizer Reisebranche in «Bundes-Bern» im Vergleich zu anderen Jahren massiv erhöht. Besonders die Outgoing-Branche, in üblichen Zeiten in Bern deutlich weniger priorisiert als die ungemein grössere Incoming-Branche, musste schleunigst damit beginnen, politisches Gehör zu finden. Auch wenn Globetrotter-Verwaltungsratspräsident André Lüthi schon vorher gute Kontakte in Bern hatte, so hatte es doch wenig Anlass gegeben für direkte «Lobby-Arbeit» im Bundeshaus.
Schon früh gab es auf politischer Seite Schützenhilfe, als beispielsweise SVP-Nationalrat Lars Guggisberg sich in Sachen Kundengeld-Rückzahlung für die Reisebranche gegenüber den Airlines einsetzte (Travelnews berichtete). Auch FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, deren Schwester eine Führungsposition bei DER Touristik Suisse bekleidet, setzte sich ein, etwa für die Verlängerung des Rechtsstillstandes (Travelnews berichtete). Doch zuletzt, als es in die allerhöchsten Kreise des Bundesrats ging, tauchte immer wieder der Name Andreas Aebi auf. Er fädelte Treffen von Lüthi und Max E. Katz (Präsident des Schweizer Reise-Verbands/SRV) bei den Bundesräten Ignacio Cassis und Guy Parmelin sowie auch bei Ueli Maurer und zuletzt noch bei Alain Berset ein und nahm bei diesen Treffen auch selber teil. Grund genug, um uns auch mit ihm zu unterhalten über seine Motivation, der Reisebranche unter die Arme zu greifen.
Herr Aebi, erzählen Sie uns, wie Ihr Kontakt zur Reisebranche bzw. zum SRV überhaupt zustande kam.
Zunächst einmal bin ich ja auch Reise-Unternehmer und deshalb mit vielen Problemen der Outgoing-Reisebranche vertraut. Insbesondere in dieser schwierigen Corona-Zeit habe ich also, in meinem Reise-Unternehmen, die vielen Probleme quasi am eigenen Leib erfahren. Da gab es auch schon den einen oder anderen Kontakt in die Reisebranche. Sie sprechen aber wohl den Kontakt in den SRV-Vorstand an, den ich zu Bundesräten begleitet habe. Der Kontakt zu André Lüthi entstand im Rahmen einer Benefiz-Auktion zugunsten von Kindern in Nepal, welche in Bern durchgeführt wurde. Ich war dort als Auktionator dabei, Lüthi wegen seiner Kontakte nach Nepal. Dort hat er mich angesprochen und wir haben dann relativ schnell damit begonnen, Ideen zu entwickeln hinsichtlich dem Zugang der Reisebranche in die hohen politischen Ebenen.
Wir haben Sie immer wieder an der Seite von André Lüthi und Max E. Katz bei Bundesräten gesehen. Waren Sie da «Türöffner» oder haben Sie auch eine aktive Rolle eingenommen?
Natürlich war ich durch meine Funktion als Vizepräsident bzw. später Präsident des Nationalrats bei diesen Meetings in gewissem Sinne Türöffner. Ich kenne alle Bundesräte gut und kann da sicherlich einfacher Zugang verschaffen. Aber es war nicht so, dass sich damit meine Aufgabe erledigt hatte. Wie eingangs erwähnt bin ich auch selber Reiseunternehmer, konnte also bei diesen Gesprächen auch selber Probleme schildern, wie sie beispielsweise Reise-KMU wie meines aufgrund der Krise erleben.
War das vorgängig abgesprochen?
Wir, also die SRV-Vorstandsmitglieder und ich, haben natürlich vorgängig zu den Bundesratstreffen Meetings abgehalten und definiert, welche Argumente dringlich vorzutragen sind. Wir haben uns dabei sicherlich jeweils gut ergänzen können.
Sind weitere solcher Meetings mit Bundesräten geplant?
Vorläufig nicht, wir haben inzwischen fast den ganzen Bundesrat treffen und unsere Anliegen vortragen können. Dazu muss ich sagen, dass nebst den Meetings zwischen SRV und mir mit den Bundesräten Cassis, Parmelin, Maurer und Berset nebenbei auch noch Meetings von mir alleine mit den Bundesrätinnen Viola Amherd und Karin Keller-Suter stattgefunden haben; dabei ging es ebenfalls um Reise-Themen. Es fehlt eigentlich nur noch ein Treffen mit Simonetta Sommaruga. Wobei ich hier noch anfügen darf, dass ich mich diese Woche auch nochmals mit Ignacio Cassis treffen werde. Gerade hinsichtlich der Aussenpolitik gibt es einiges, was die Reisebranche interessiert.
«Wir haben inzwischen fast den ganzen Bundesrat treffen und unsere Anliegen vortragen können.»
Womit wir bei den wichtigsten politischen Anliegen der Reisebranche wären... welche sind dies aus Ihrer Sicht?
Zum einen geht es um die Verlängerungen der Kurzarbeits-Entschädigung, der Härtefallhilfe und der EO-Verordnung für selbständig Erwerbende, zum anderen um die Gesetzgebung bei der Einreise in die Schweiz. Insbesondere sollten vollständig Geimpfte keine weiteren Hürden bei der Rück- bzw. Einreise in die Schweiz mehr zu nehmen haben. Auf politischem Parkett läuft in all diesen Fragestellungen viel, gerade bei letzterer Frage hat der Bundesrat ja einen konkreten Vorschlag in die Vernehmlassung geschickt. Aktuell geht es also darum, diese Vernehmlassung zu begleiten.
Aussenpolitisch geht es darum, den freien Verkehr von Schweizern in möglichst viele Länder wieder zu sichern. Auch dafür braucht es politische Arbeit. Hier kann ich selber als Vizepräsident der OSZE-Parlamentarierdelegation der Schweiz Einfluss nehmen, oder mich eben auch mit Bundesrat Cassis, dem das Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) untersteht, austauschen.
Es geht also darum, weiterhin und kontinuierlich an der Sensibilisierung der Politik für die Anliegen der Reisebranche zu arbeiten?
Natürlich, wobei es bei letzterem Beispiel primär darum geht, für die Anliegen der Schweiz als Ganzes im Ausland zu arbeiten. Von einer weitestmöglichen Reisefreiheit, in beide Richtungen, profitiert nicht nur die Reisebranche, sondern der Wirtschaftsstandort Schweiz als Ganzes.
Inzwischen kann man ja Sie persönlich als obersten Lobbyisten der Schweizer Reisebranche betrachten!
Das haben Sie so formuliert. Ich will einfach meine eigene langjährige Erfahrung in politischen Prozessen auch dieser Branche zukommen lassen. In diesem Zusammenhang darf ich sagen, dass Herr Berset anlässlich unseres vorhin erwähnten Meetings selber klar festhielt, dass die Reisebranche «als Erste getroffen wurde und wohl auch als Letzte aus dieser Krise herausfinden wird». Ich denke also, die Sensibilisierung auf höchster Ebene ist inzwischen erreicht. Nun geht es darum, die langfristigen politischen Prozesse adäquat zu begleiten.
Es ist klar, dass die politische Arbeit der Reisebranche in Bern nicht so schnell erledigt sein wird. Nachdem SRV-Präsident Max E. Katz nicht für eine weitere Amtsdauer zur Verfügung stehen wird, beschäftigt sich eine «Findungskommission» des SRV aktuell auch mit der Frage hinsichtlich des neuen Präsidenten, und hierbei hat sich seit einigen Wochen verdichtet, dass es nicht mehr unbedingt jemand aus der Reisebranche sein muss, sondern eine Persönlichkeit mit gutem Netzwerk in Bern und Führungserfahrung. Sie wären doch eigentlich ideal an der Schnittstelle zwischen Politik und Reisebranche, wie aus Ihren vorherigen Antworten hervorgeht. Hätten Sie Interesse an einem SRV-Präsidium?
Das ist eine Suggestivfrage... Aber ich kann sagen: Es ist eine Option, die ich mir gegenwärtig genau überlege.
Würde dieses zusätzliche Pensum bei Ihren vielen Tätigkeiten überhaupt drin liegen?
Ja, die Zeit dafür könnte ich definitiv aufbringen, da mein Nationalratspräsidium Ende Jahr ausläuft und unser Sohn den Hof übernommen hat.