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Genug zu tun haben Reisebüro-Profis aktuell – aber leider oft nur mit Umbuchungen. Bild: Adobe Stock

Die Reisebüro-Euphorie bleibt noch aus

Gregor Waser

Es zeichnen sich immer weniger Reiseeinschränkungen ab. Spüren die Reisebüros nun eine gesteigerte Nachfrage? Wir haben uns bei fünf Reisebüros umgehört.

Letzte Woche machten sich gute Neuigkeiten breit in der Reisebranche. Der Bundesrat stellte Pläne vor, wonach ab Ende Mai Geimpfte neu von der Quarantänepflicht ausgenommen werden sollen. Das letzte Wort liegt noch bei den Kantonen, doch die dürften sich kaum dagegen sperren.

Freie Fahrt ins Badeferien-Hotel? Klingelt es nun in den Folgetagen ununterbrochen in den Schweizer Reisebüros? Wir haben uns umgehört und nach der aktuellen Stimmung gefragt.

«Ich zähle darauf, dass sich die Leute impfen lassen.»

«Aufgrund der bundesrätlichen Mitteilung habe ich keine unmittelbare Reaktion gespürt», sagt Werner Blum von Move Reisen in Zürich-Affoltern, «doch am Freitag verschickte ich dann einen Newsletter an meine Kunden, auf dem ich die voraussichtlich wegfallende Quarantänepflicht herausgestrichen habe. Nun sind anfangs Wochen gleich sechs Anfragen eingetroffen, deutlich mehr als in den Vorwochen.» Doch von einer üblichen Betriebsamkeit könne bei Move Reisen bei Weitem noch nicht die Rede sein.

Auf die Aussichten bis Ende Jahr angesprochen, verweist Blum darauf, dass die Entwicklung von den Grenzöffnungen abhänge. «Und ich zähle darauf, dass sich die Leute impfen lassen, so dass wir diese Krise endlich hinter uns lassen können.»

In den Keller geht Werner Blums Stimmung dann beim Thema Australien-Neuseeland. Denn die Aussichten für sein zweites Standbein bei Move sehen düster aus. Hier läuft nichts mehr – wohl noch auf längere Zeit hinaus. «Der Tourismusminister liess neulich verlauten, dass womöglich bis Ende 2022 der Reiseverkehr noch eingeschränkt sein wird», konstatiert Blum.

«Die rauben uns nur die Zeit.»

Hat sich die Stimmung in den letzten Tagen bei Ihnen geändert? Regina Landolt von Jet Reisen in Luzern verneint. «Es sind stets die selben Fragen: wohin kann man reisen, welche Bestimmungen gilt es einzuhalten. Es hat sich noch nichts geändert». Die ganze Arbeit drehe sich um Leerläufe, ärgert sie sich.

Dass sich nun plötzlich viele Leute melden, die sonst im Internet buchen und nun im Reisebüro Antworten suchen, findet sie auch nicht besonders lustig. «Die rauben uns nur die Zeit, Arbeit mit Umbuchungen hätten wir nämlich genug». Und ob diese Internet-Klientel später wieder ins Reisebüro komme, bezweifle sie.

«Wir sind noch nicht vom Fleck gekommen.»

Ausser vereinzelten Anfragen für Ferienwohnungen ging bei Züger Reisen in Islikon TG in den letzten Tagen nichts ein, stellt Vreni Züger fest, «wir sind noch nicht vom Fleck gekommen». Die übrigen Anfragen drehen sich um Einreisebestimmungen.

Die Aussichten bis Ende Jahr seinen schwierig zu beurteilen, «klar hoffen wir noch auf ein gewisses Sommergeschäft und dann auch auf den Herbst», doch derzeit laufe noch nichts. Immerhin könne sich Züger Reisen als Bahnverkaufsstelle noch ein bisschen über Wasser halten. Aber auch hier seien nur Inlandreisen derzeit im Angebot, bei den Bahnreisen ins Ausland laufe ja auch noch nichts. Hoffnungen hat Vreni Züger nun aber ob der fallenden Reisehürden für Bahnreisen Richtung Deutschland.

«Die Leute bei uns sind langsam frustriert.»

Auch noch kein Stimmungswandel ist beim einst 30-köpfigen Zürcher Fernreisespezialisten Travel Worldwide auszumachen, schliesslich steht das Langstreckengeschäft mehrheitlich still. «Wir erhalten in den letzten Tagen zwar viele Anrufe. Die Leute fragen aber nach Mittelmeerzielen und diese bieten wir nicht an», sagt Simon Schnellmann.

Und überhaupt sieht er in der möglicherweise wegfallenden Quarantänepflicht noch keinen Befreiungsschlag – und Schnellmann verweist auf das Beispiel von Seychellen-Reisenden, die trotz zweifacher Impfung positiv getestet wurden und vor Rückreise in Quarantäne gehen mussten.

Geht der Firma nicht langsam der Schnauf aus? «Für uns ist nun entscheidend, wie die Härtefallrunde drei ausgeht für Firmen mit mehr als fünf Millionen Franken Umsatz. Derzeit wird die Unterstützung ständig nach hinten verschoben. Wir zählen auf diese Hilfe – und dann sollte es gut kommen».

Probleme ortet der Travel-Worldwide-Chef aber noch anderswo: «Die Leute bei uns sind langsam frustriert. Letztes Jahr mit dem schönen Sommer ging das ja noch. Nun wächst aber der Frust, wenn man zum x-ten Mal ein Dossier umbuchen muss, wieder und wieder. Langsam habe ich Bedenken, dass uns die Leute davonlaufen.» Und dies sei bereits auch passiert. Nachdem sich Travel Worldwide vor einem Jahr von fünf Mitarbeitern trennen musste, seien nun drei weitere von sich aus gegangen, um ihr Glück in einer anderen Branche zu finden.

«Vor einer halben Stunde wurde ich geimpft.»

Das Problem «brain drain», der Verlust von wichtigem Branchen-Know-how, spricht auch Jörg Waldvogel an, der Inhaber von Chrisway Travel in St. Gallen. «Die Moral in der Reisebranche sinkt, die Leute haben diesen Zustand satt.»

Zudem befürchte er, dass die Branche nicht ready ist, wenn es wieder losgeht. Die letzten Tage habe er versucht, einen der grossen Badereisen-Veranstalter telefonisch zu erreichen, dies aber erst am dritten Tag geschafft: «Hey! Es gibt ein Nach-Corona. Wir müssen nun aufpassen, dass wir den Restart nicht verschlafen, wir müssen da sein», sagt Jörg Waldvogel unmissverständlich.

Und wie es ihm und seinem Reisebüro gehe? «Gut, vor einer halben Stunde wurde ich geimpft». Als Genesener einer leichten Covid-Erkrankung im November habe er nun schon nach einer Impfung das Zertifikat erhalten, «ein gutes Gefühl», wie er sagt. Bereits denke er an mögliche Griechenlandferien in nächster Zeit.

Bei Chrisway Travel steige die Nachfrage, etwa nach Griechenland, Spanien und Madeira. «Bis am 17. Mai haben wir schon so viele Aufträge erhalten wie im ganzen April, das ist schon mal gut, wenn auch noch weit entfernt von normalen Jahren.» Chrisway mache sich jetzt jedenfalls bereit für den Restart.