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Gerade die Vorträge waren an der Land in Sicht sehr gut besucht. Bild: Screenshot LiS

Positive Bilanz für die «Land in Sicht»

Jean-Claude Raemy

5000 Besucher besuchten die erste virtuelle Ferienmesse der Schweiz. Das ist, gerade angesichts des Bombenwetters am Wochenende, ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Die erste virtuelle Ferienmesse der Schweiz ist Geschichte. Über vier Tage hinweg besuchten laut Messeinitiant Cäsar Bolliger rund 5000 Besucherinnen und Besucher (Unique Visitors; Aussteller nicht mitgezählt) die «Land in Sicht» und blieben dabei im Schnitt jeweils über 40 Minuten auf der Plattform. «Mein gestecktes Minimalziel haben wir damit exakt erreicht», bilanziert Bolliger, «angesichts des wunderschönen Wochenendwetters mit den erstmals wieder geöffneten Aussenterrassen bin ich damit recht zufrieden.»

Tatsächlich hat das grandiose Wetter der virtuellen Messe harte Konkurrenz beschert. Es gab zweifellos auch etwas Berührungsängste im virtuellen Raum, vielleicht kamen gewisse Besucher auch mit den technischen Anforderungen nicht klar. Aber insgesamt lässt sich das Resultat sehen, gerade die Vortragsräume waren in der Regel gut besucht. Das ist auch ein Verdienst der Aussteller, die mit total 550 aktiven Avataren an 40 interaktiven Ständen und mit 150 Vorträgen pro Tag für ein tolles Programm sorgten. Damit hat die Reisebranche ein Zeichen gesetzt, wie es Bolliger formuliert: «Die sonst eher als konventionell wahrgenommene Reisebranche hat sich initiativ, flexibel und innovativ gezeigt und alle haben sich enorm engagiert.»

In einer Zeit, in welcher immer noch grosse Unsicherheit herrscht und viele Länder nicht bereist werden können, herrschte dank der virtuellen Messe fast schon wieder Normalität - man konnte sich an Vorträgen in ferne Länder träumen, erhielt viele praktische und aktuelle Informationen und konnte sich so zu künftigen Ferienzielen inspirieren lassen. Und genau das war ja das Ziel. Insgesamt wurden 3000 Mal Visitenkarten ausgetauscht und 31'000 Chats geführt - darunter natürlich auch viel Branchen-interner Austausch, was für eine Reisemesse normal ist. Bei den Vorträgen wurden insgesamt 7500 Besuche registriert, was einen Schnitt von 14 Besuchern pro Vortrag ergibt - was grundsätzlich auch ein guter Wert ist, wobei es natürlich besser und weniger gut besuchte Vorträge gab.

Die Technik lief sehr stabil

Was sagen die Aussteller? Travelnews hat sich bei einigen umgehört. Aufgefallen ist uns beispielsweise Dreamtime Travel: Das Team um Dominic Eckert hat nicht nur ein grosses Vortragsprogramm auf die Beine gestellt, sondern dies auch gleich multimedial genutzt (die Live-Vorträge waren auch über Facebook Live zu verfolgen und wurden stets moderiert, um auch Chat-Fragen live beantworten zu können) und auch versucht, mittels virtueller Happy Hour am Stand etwas zu bewegen. Eckert zeigt sich zufrieden: «Wir hatten in den Vorträgen jeweils 20-30 Personen, das ist zufriedenstellend, gerade in Anbetracht des guten Wetters.» Für seine Firma wie auch seine Kundschaft sei diese Messeform «absolutes Neuland» gewesen, und trotzdem: «Wir waren überrascht, wie gut es angenommen wurde.» Viele hätten sich über die aktuellen Reisebedingungen informieren wollen. Aber vor allem längerfristige Reisepläne seien geschmiedet worden. «Gefragt waren zum Beispiel Costa Rica, Namibia und Ziele in Mittel- und Südamerika, aber auch Familienferien am Mittelmeer, etwa in Griechenland, Spanien und Italien», so Eckert.

Jennifer Dupuy vom Fremdenverkehrsamt der Seychellen berichtete, dass sie «einige sehr gute Gespräche» gehabt habe, wobei es auch in ihrem Fall meist um Einreisebestimmungen ging. Sie hofft, dass schon bald wieder mehr Schweizer auf die Seychellen reisen - sobald dann das Land ab der Risikoländerliste kommt. Claudia Spring von Asia365 hätte sich gewiss mehr Besucher gewünscht, gesteht aber auch ein, dass angesichts der Reiselage in Asien und dem guten Wetter die Ausgangslage schwierig war. Immerhin seien die Vorträge gut besucht gewesen und es habe ein guter Austausch mit Bestandskunden stattgefunden; neue Kontakte zu knüpfen sei dagegen harzig gewesen. «Grundsätzlich finde ich aber gut, dass etwas versucht wurde, statt nur zu jammern», bilanziert Spring. Ähnlich klingt es bei Martin Fehrlin, dem Geschäftsführer von Imbach Reisen: «Die Messe war sehr gut umgesetzt; wegen dem Wetterpech hat es zwar etwas wenige Besucher, aber die Vorträge verzeichneten durchaus gute Aufmerksamkeit.» Fehrlin könnte sich eine künftige Entwicklung hin zu einer Vortragsplattform, vielleicht ohne 3D-Stände, gut vorstellen.

Tim Bachmann, CEO von Hotelplan Suisse, meinte: «Es war ein gelungener Anlass, professionell organisiert und durchgeführt. Auch die technische Plattform hat – abgesehen von kleinen Kinderkrankheiten am Anfang – sehr gut funktioniert. Natürlich hätten wir uns mehr Besucher erhofft. Aber das sonnige Wochenendwetter war eine grosse Konkurrenz.» Dennoch sei die Messe wertvoll für Hotelplan Suisse gewesen – auch als Erfahrung in Sachen Digitalisierung. «Unsere virtuellen Vorträge sind auf Interesse gestossen und es gab intensive Kontakte mit Reiseinteressierten.» Aline Seidel vom Kreuzfahrtunternehmen AIDA Cruises erwähnte, dass viele Fragen zum Hygienekonzept auf den Schiffen vorlagen und sie habe gemerkt, dass alle Besucher «mehr als urlaubsreif» waren - doch für sie «ersetzt nichts die Face-to-Face-Beratung». Bianca Kolic, welche das Emirat Ras-al-Khaimah vertrat, hätte sich auch etwas mehr Besucher erwünscht und stellte fest, dass viele Besucher in den Vortragsräumen waren, konnte aber doch die eine oder andere Information loswerden - und hofft nun, dass die GV des Schweizer Reise-Verbands (SRV) wie geplant in diesem Jahr im Emirat stattfinden kann.

Und was sagten die Besucher? Von einigen Ausstellern hörte man, dass viele Besucher zurückhaltend waren, auf Kontaktversuche leider nicht reagierten oder nicht so recht verstanden, wie sie selber am besten in Kontakt treten sollten. Laut Bolliger kamen aber die allermeisten Besucher mit der Plattform gut zurecht. Und es gab durchaus auch positives Feedback: Eine «Ursi M.» etwa liess verlauten: «Dank den vielen so interessanten Vorträgen, die ich ohne langes Anstehen und überfüllten Räumen geniessen konnte, habe ich vieles über diverse Länder gelernt. Ich weiss nun wohin ich reisen möchte und wer die Spezialisten dazu sind. Aber ich warte noch bis alles wieder einfacher wird. Mir hat es sehr spass gemacht mit meinem Avatar die Ferienmesse so zu besuchen und ich würde dies beim nächsten Mal mit Freunden und Beamer machen! Ich konnte soooo viele Vorträge besuchen - das war super! Mein Vater war eher überfordert mit dem Navigieren des Avatars - es wäre gut wenn es da auch einfache Wege zu den Vorträgen gibt.»

Wohin des Weges?

Unter dem Strich lässt sich also sagen: Die Technik hat stabil funktioniert, das Vortragsangebot wurde gut wahrgenommen, angesichts des «Wetterpechs» war die Besucherzahl zufriedenstellend. Man sollte hierbei nicht vergessen: Zum einen konnten sich grosse Teile der Branche auch mal wieder untereinander im Rahmen eines Anlasses austauschen. Und: Die Reisebranche wurde in den Medien wahrgenommen, d.h. die Vermarktung hat - nicht zuletzt dank dem Effort aller Involvierten - gut funktioniert. Damit hat die gebeutelte Reisebranche kurz vor der Sommersaison Sichtbarkeit erhalten. Nun braucht es noch die Öffnung der Zielländer bzw. die Abschaffung von Reisehindernissen, und es kann wieder aufwärts gehen.

Für praktisch alle Teilnehmende war die Messe auch ein «Learning». Bolliger selber sagt: «Die Lernkurve ist sehr steil. Bei einer allfälligen Zweitausgabe in dieser oder ähnlicher Form werden wir bestimmt Vieles noch optimieren: Allem Voran kleinere Stände, wenige Hallen, mehr Live und mehr Interaktion.» Er lässt damit bereits durchblicken, dass er bereits weitere Pläne schmiedet und genau überlegt, wie die Learnings aus diesem Erstlingswerk genutzt werden. Zudem sei einmal mehr klar geworden, wie wichtig eine kompetente und persönliche Reiseberatung gerade in diesen Zeiten sei. Technisch sieht Bolliger vor allem die interaktive Videopräsentation und hybride Events (also eine Mischform aus real und digital) generell als absolutes Zukunftsmodell für die Reiseberatung.

Learnings haben auch ganz andere Besucher gefunden - wir haben diverse Messebetreiber auf der Land in Sicht angetroffen, darunter etwa Stephan Amstad (Bernexpo), den Messeleiter der FESPO. Interessant war auch zu sehen, wie Personen aus aller Welt auf der Messe präsent sein konnten - einerseits als Aussteller (manche waren aus Deutschland zugeschaltet), aber auch auf Besucherseite, wo wir beispielsweise Laurent Künzle (Asian Trails, Bangkok) unter den Besuchern ausmachten - der Schweizer wollte sich die Messe von Thailand aus ansehen und konnte sich dabei mit einigen bekannten Gesichtern aus der Schweiz austauschen, ganz ohne Flugstress oder Quarantäne. Daran sieht man das Potenzial solcher Plattformen: Gewiss wird der Live-Kontakt nicht ersetzt, aber es eröffnen sich auch ganz neue Möglichkeiten. Man darf jedenfalls gespannt sein, wie es weitergeht.