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Wegweisende Wochen: Jetzt heisst es für die Reisebranche nochmals kühlen Kopf bewahren. Bild: Jon Tyson

Die Verlängerung der Kurzarbeit ist für die Reisebranche überlebenswichtig

Jean-Claude Raemy

Die Nervosität steigt langsam: Die kommenden Wochen werden, einmal mehr, matchentscheidend für das Überleben vieler Firmen in der Reisebranche. Die Zeit drängt, um bei Kurzarbeitsregelung, Quarantänepflicht und weiteren dringlichen Themen wieder längerfristig Klarheit zu haben. Das Gute: Die Branchenvertreter sind dran.

Wird das Sommergeschäft gut? Darauf kann die Reiseindustrie aktuell lediglich hoffen - der Erfolg hängt letztlich auch davon ab, ob im Sommer vernünftig zu reisen ist, also eine gewisse Planbarkeit herrscht. Dass die Risikoländerliste des Bundesamts für Gesundheit (BAG), in der Branche allgemein als grösstes Hindernis für Planbarkeit empfunden, bald abgeschafft wird, zeichnet sich aktuell eigentlich nicht ab. Im Gegenteil: Das Aufkommen neuer Virusvarianten aus Brasilien und Südafrika führt einerseits zu Fragen, ob die bestehenden Impfungen genügen, und andererseits tendenziell dazu, dass «die Schrauben wieder angezogen werden». Dies auch vor dem Hintergrund, dass das aktuelle Testing-Regime beispielsweise bei der Einreise noch viel zu lasch ist. Aber dafür wird eben auf Quarantänen beharrt, welche die Reisenachfrage im Keim ersticken - obwohl es eben mit konsequentem Testing vernünftige Methoden gäbe, Reisen zu ermöglichen.

Geht man also davon aus, dass das Sommergeschäft harzig wird, rückt ein weiterer Problempunkt erst recht in den Fokus. Nämlich das Auslaufen der aktuellen Kurzarbeitsregelung. Zur Erinnerung: Der Bundesrat hat am 1. Juli 2020 die Höchstbezugsdauer von Kurzarbeitsentschädigung von zwölf auf achtzehn Monate verlängert. Diese Verordnungsänderung trat am 1. September 2020 in Kraft und gilt bis am 31. Dezember 2021. Will heissen: Wer im März 2020 Kurzarbeit beantragt und seitdem dauerhaft bezogen hat, wird nach aktuellem Stand Ende August keine Kurzarbeitsentschädigungen mehr beziehen dürfen. Das betrifft natürlich zahllose Unternehmen in der Schweiz, insbesondere aber die Reisebranche, seit Monaten als «Härtefallbranche» deklariert.

Swiss, Flughafendienstleister, die grossen Reiseveranstalter, aber auch zahllose KMU in der Reisebranche sind dringlich auf Kurzarbeitsentschädigung (KAE) angewiesen - und das wohl noch über den August bzw. den Dezember 2021 (als aktuelles Enddatum) hinaus. Würde die KAE beispielsweise im August auslaufen, müsste man möglicherweise bereits ab Juni bzw. je nach vertraglicher Frist früher oder später damit anfangen, Kündigungen auszusprechen. Eine allfällige Entlassungswelle kann, nach Monaten des Bezugs staatlicher Hilfe, natürlich alles andere als im Interesse des Bundes sein.

Die Reisebranche macht auf ihre Anliegen aufmerksam

Wie präsentiert sich die Lage? Die Reisebranche ist dran. Morgen Donnerstag (22. April) wird die Reisebranche in Person von SRV-Präsident Max E. Katz und SRV-Vorstandsmitglied André Lüthi die Möglichkeit haben, mit Bundesrat/Gesundheitsminister Alain Berset ein persönliches Treffen zu führen. Bei diesem wird auch Nationalratspräsident Andreas Aebi dabei sein. Gegenüber Berset will Lüthi genau die Themen Quarantäneliste und Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung ansprechen, wie er gegenüber Travelnews ausführt: «Die Verlängerung der Kurzarbeit ist ein Muss – sonst kommt es zu vielen Entlassungen. Und das ist zu verhindern!»

Beim Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) ist man sich der Dringlichkeit bewusst. Noch ist unklar, wann über eine allfällige Verlängerung debattiert und entschieden wird. Seco-Sprecher Fabian Maienfisch sagt gegenüber Travelnews: «Der Bundesrat hat vom Parlament im Covid-Gesetz die Kompetenz erhalten, die Bezugsdauer der Kurzarbeitsentschädigung auf 24 Monate zu verlängern. Das WBF bereitet zurzeit einen entsprechenden Antrag zuhanden des Bundesrates vor. Der Bundesrat wird in den kommenden Wochen darüber entscheiden.» Mit der Reisebranche stehe das Seco auf höchster Ebene «im situativen Austausch». Immerhin: Das Wirtschaftsdepartement habe sich bereits positiv gegenüber einer Verlängerung geäussert. Es ist zu hoffen, dass in der kommenden Juni-Session des Parlaments (31. Mai-18. Juni 2021) darüber debattiert wird. Kann vor Ende Juni ein positiver Bescheid vorliegen, würde die Reisebranche - und nicht nur sie - erleichtert aufatmen. Und das allenfalls schlechte Sommergeschäft könnte besser abgefedert werden. Und falls das Sommergeschäft doch sehr gut wird, würde man die Mitarbeitenden ohnehin schnell aus der Kurzarbeit holen und damit die Staatskasse nicht weiter belasten.

Das ist beispielsweise bei der Hotelplan Gruppe zumindest teilweise schon geschehen. Laut Mediensprecherin Bianca Gähweiler sind die Mitarbeitenden von Interhome beispielswiese alle schon aus der Kurzarbeit zurückgerufen worden, weil das Geschäft dort wieder gut läuft. Bei Hotelplan Suisse würden die KAE-Beiträge im Herbst auslaufen, doch geht man dort davon aus, dass die Nachfrage bis dahin wieder steigt, so dass der Kurzarbeits-Bedarf zumindest partiell zurückgehen dürfte. Bei der DER Touristik Suisse wartet man die Entwicklung ab. Sprecher Markus Flick geht davon aus, dass die Verlängerung der KAE gerade für Härtefallbranchen «mit hoher Wahrscheinlichkeit» Tatsache sein wird, zumal die Dauer und Länge der Krise so umfassend ist und die behördlich angeordneten Massnahmen in diesem Zusammenhang das Geschäft so beeinträchtigen, dass alles andere unverständlich wäre. Wobei: Diese beiden Unternehmen haben allenfalls Mutterhäuser, welche im negativen Fall aushelfen könnten - viele andere Unternehmen, insbesondere KMUs, haben diese Möglichkeit nicht.

Zuversicht vs. Nervosität

In den vergangenen Monaten hat die Reisebranche gelernt, nicht mehr zu schnell in Panik zu verfallen. Die Hilfsleistungen kamen, die Härtefallhilfe ist in den meisten Kantonen inzwischen zureichend, und so gab es zwar durchaus Entlassungen an vielen Orten, aber der ganz grosse Knall ist bislang eigentlich noch ausgeblieben. Und das soll gerne so bleiben!

Dass die Nervosität steigt, ist jedenfalls verständlich: Wie eingangs erwähnt, gibt es für das Sommergeschäft bislang mehr Zuversicht und Hoffnung als wirklich konkrete Anhaltspunkte für einen Restart mit hoher Nachfrage. In wenigen Wochen müsste Klarheit herrschen. Bis in den Juni muss man noch zuwarten können, länger wird es aber nicht mehr dauern dürfen. Es ist also zu hoffen, dass die Vertreter der Taskforce Reisebranche bei Bundesrat Berset auf offenes Gehör stossen und dieser Effort, gemeinsam mit der Aktion «Back in the Air», den Knopf nachhaltig löst.