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Zu viele Regelungen, zu viel Angst - die Reisebranche leidet weiter und gibt doch nicht auf. Bild: AdobeStock

«Unsere Kunden haben Angst wegen der Politik, nicht wegen dem Virus»

Die Reisebüros hangeln sich weiterhin durch die Corona-Krise. Die Nachfrage ist weiterhin tief, an einen grossen Reise-Kompensationseffekt will niemand so recht glauben, und bei politischen Angelegenheiten hinsichtlich Einreisebestimmungen lässt sich wenig Einfluss nehmen. Wir haben bei fünf Schweizer Reisebüros eine Pulsfühlung vorgenommen.

«Reisebüros profitieren nur, wenn die Veranstalter mitziehen»

Alex Bähler, Media Reisen: «Den Nachholbedarf bei der Kundschaft sehe ich vor allem im gefühlsmässigen Bereich, und rechne folglich nicht damit, dass nun im kommenden Jahr die Reisebudgets explodieren. Im letzten Jahr wurde gespart, weil man sparen musste, und bei den Reisen lässt sich eben leicht sparen. Was Spanien angeht, so kann von einem Boom nicht die Rede sein, wie das teils aus Grossbritannien oder Deutschland berichtet wird. Gewiss, es gibt diverse Anfragen, aber wir sehen auch die Limitierungen auf der Kapazitätsseite und die Vorbehalte hinsichtlich der weiterhin geltenden Reiseregelungen wie PCR-Testpflicht. Immerhin steigt die Hoffnung nun, dass wir eine im Mai geplante Spanien-Gruppenreise wohl durchführen können.

Gut laufen aktuell Mexiko, die Dominikanische Republik und auch Jamaika, wohin Edelweiss ja demnächst zu fliegen gedenkt. Letzteres zeigt, dass durchaus Lust auf Neues da ist. Aber vorerst backen wir natürlich immer noch kleine Brötchen. Media Reisen hat aber 2020 stark reagiert und ist gut aufgestellt, um in diesem Jahr auch ein tiefes Budget zu verkraften. Wir bleiben optimistisch.

Wobei ich die Aussagen, wonach Reisebüros allenfalls Profiteure der Corona-Krise sein könnten, schon etwas relativieren will. Ja, der Beratungsbedarf hat zugenommen. Aber Reisebüros profitieren nur, wenn die Reiseveranstalter mitziehen. Annullationsbedingungen in den AGBs, wie sie vor der Pandemie üblich waren, gehen heutzutage einfach nicht mehr. Da wandern Kunden schnell wieder zu Online-Portalen ab, wo die Bedingungen diesbezüglich in der Regel wesentlich flexibler sind. Wenn wir den Kunden die Angst vor dem Buchen nehmen wollen, müssen wir flexibel sein. Es ist aktuell einfach so, dass Kunden maximal 7-10 Tage vor Abreise buchen. Darauf muss die Reisebranche bis auf Weiteres gewappnet sein. Allerdings ist natürlich auch wesentlich, was in der Politik passiert. Unsere Kunden haben Angst wegen der Politik, nicht wegen dem Virus. Die scheinbar willkürlichen Änderungen der Einreiseregelungen, die Quarantänen, die ungleichen und unübersichtlichen Handhabungen der Testpflichten, all dies ist Gift. Ich bin sehr gespannt darauf, was der Bundesrat am Freitag sagen wird.»

«Wir rechnen 2022 nicht mit höheren Reisebudgets»

Martin Reber, Schär Reisen & Nova Reisen AG, Bern: «Aktuell herrscht weiterhin Flaute, es kommen schon ein paar Buchungen rein, aber von einem Boom etwa für Spanien kann nicht die Rede sein. Die PCR-Testregelung in beide Reiserichtungen schreckt ab, und die vielen Airline-Sitze müssen auch zuerst gefüllt werden - und wenn nicht, kommt es wieder zu Annullierungen, was zu Unsicherheit bei Reisenden führt. Deshalb sind viele Flugsitze kein Hinweis auf die effektive Nachfrage. Für uns besonders schlimm ist, dass unser Spezialgebiet Kanada weiterhin und wohl auf längere Zeit komplett geschlossen bleibt. Wir halten uns mit dem absolut mindestmöglichen Betrieb über Wasser und ich versuche, die guten Mitarbeitenden zu halten - eine gewisse Nervosität ist auf Arbeitnehmerseite ja durchaus spürbar.

Insofern ist meine Erwartung an die Politik, dass endlich bessere Lösungen als die unsäglichen Quarantänemassnahmen getroffen werden, und dass es mit der Impfung endlich losgeht. Ich will mich selber auch baldmöglichst impfen lassen. Ich gehe davon aus, dass wenn eine Durchimpfung von etwa 60 Prozent erreicht ist, es mit dem ‹Neuen Normal› wieder losgehen kann.

Dieses ‹Neue Normal› wird aber nicht einfach ‹2019 reloaded› sein. Wir antizipieren - als Optimisten - für dieses Jahr wohl etwa 40 Prozent vom Niveau 2019, und werden uns 2022 bestenfalls wieder an dieses Niveau annähern. Es gibt gewiss grossen Kompensationsbedarf, aber man kann nicht davon ausgehen, dass die Schweizer das 2020 angesparte Geld einfach zum neuen 2021- oder 2022-Budget hinzufügen, also für mehr Reisen oder deutlich höhere Reisebudgets - das wird lediglich in Einzelfällen so sein. Generell rechnen wir also für 2022 nicht mit höheren Reisebudgets, aber mit der Wiederaufnahme einer regen Reisetätigkeit. Eine wesentliche Frage wird zudem sein, auf welches Transportmittel im ‹Neuen Normal› gesetzt wird. Wird es mehr Selbstfahrerreisen geben? Das wird sich weisen. Unter dem Strich denke ich aber, dass Reisebüros Sympathien gewonnen haben und vom erhöhten Beratungs- bzw. Sicherheitsbedarf künftig profitieren können.

Herr Mathys vom BAG hat zwar im Mayday-Call souverän geantwortet, aber trotzdem praktisch keine Fragen punkto Planungssicherheit abschliessend beantworten können. Ich erwarte jetzt von den Politkern von links bis rechts eine einheitliche Linie, die weder zu einer erneuten 12 monatigen Totalsubventionierung der Reisebranche führt, noch zum Leugnen der Covid-19 Pandemie. Lasst uns endlich arbeiten! Aber es gäbe ganz viel pragmatische Lösungsansätze – man müsste nur endlich die Reisebranche in den Entscheidungsprozess mit einbeziehen, statt Parteipolitik zu betreiben. Aber hier müssen wir auch für die Zukunft weiterhin stark am Lobbying für unsere Branche arbeiten. Das wird gerade für unsere höchst individualistisch geprägte Brache die Herkulesaufgabe der kommenden Jahre sein!»

«Es herrscht absolute Flaute bei uns»

Beat Künzler

Beat Künzler, Arotur GmbH, Arosa: «Grundsätzlich glaube ich inzwischen nicht mehr an viel. Was vom Bund und BAG bis jetzt entschieden wurde, war zum grössten Teil kaum nachvollziehbar und wird ja stetig verändert. Eigentlich bin ich ein Zweckoptimist. Aktuell glaube ich aber nicht wirklich daran, dass etwas Vernünftiges entschieden wird.

Wenn überhaupt Buchungen getätigt werden, dann sehr kurzfristig. Dass Spanien und Portugal nicht mehr auf der Risikoländerliste des BAG sind, hat wenig bis gar nichts gebracht. Nachdem z.B. die Malediven, die super gelaufen sind, auf die Liste gesetzt wurden und niemand weiss weshalb, haben die Konsumenten das Vertrauen in die Entscheide des BAG komplett verloren. Ich verstehe, dass die Menschen bei diesem Hin und Her extrem verunsichert sind. Es herrscht absolute Flaute bei uns.

Das einzige, was zieht, sind die Pauschalarrangements bei den Touroperators mit kostenloser Stornomöglichkeit bis zwei Wochen vor Abreise. Für solche Angebote habe ich ein paar Reisewillige, die kann ich aber an zwei Händen abzählen. Mein aktueller Umsatz ist im kleinen einstelligen Prozentbereich dessen, wo er eigentlich sein sollte!

Ich hoffe natürlich, dass es ein Nachholbedarf gibt. Dies hängt jedoch enorm davon ab, wie viel davon willentlich oder aus einem Muss gespart wurde. Ich kann beispielsweise kaum mehr Geld ausgeben, weil ich mir vergangenes Jahr mehr als 40 Prozent weniger Lohn ausbezahlt habe. So wird es sicher einigen Kunden auch ergehen. Die durchschnittlichen Arbeitnehmer hatten eher weniger Einbussen und wenn diese Geld gespart haben, werden sie es vermutlich kompensieren. Ich höre auch von einigen Kunden, dass sie sich freuen, wieder zu reisen - und dann auch ein Budget haben.

Ob und wie lange wir durchhalten, hängt von den Härtefallmassnahmen ab. Vor einem Monat habe ich diesbezüglich den Antrag beim Kanton eingereicht. Bis heute habe ich noch keine Information erhalten, ob das Gesuch bearbeitet wird und was wir erhalten werden. Ich habe mich kostentechnisch so Neupositioniert, dass wenn die Härtefallmassnahmen in einem vernünftigen Rahmen bezahlt werden - was aber von Kanton zu Kanton unverständlicherweise sehr unterschiedlich ist, obwohl die Massnahmen ja in der ganzen Schweiz gleich und alle im selben Mass betroffen sind - wir auch das Jahr 2021 überstehen werden.»

«Fragen heisst noch nicht buchen und schon gar nicht wirklich reisen»

Ueli Stocker.

Ueli Stocker, Reisebüro Tramax AG: «Bei der Härtefallhilfe bin ich zuversichtlich, dass es Lösungen geben wird, die ein Überleben ermöglichen. Im Übrigen sind wir nach wie vor sehr enttäuscht, dass man ohne Test den Rückflug nicht antreten kann. Es ist hinlänglich bekannt, dass es darauf ankommt, wie ich mich verhalte, und nicht, wo ich mich befinde. Ich kann mich in der Schweiz falsch verhalten und ich kann mich in Kopenhagen richtig verhalten. Trotzdem werde ich als Reisender vorverurteilt. Die stets hochgehaltene Schweizer Verhältnismässigkeit findet hier nicht statt.

Die Nachfrage steigt, aber auf einem bescheidenen Niveau. Aber «fragen» heisst noch nicht «buchen» und schon gar nicht «wirklich reisen». Ich bin während der Pandemie selber mehrmals gereist. Viel Ruhe im Hotel. Immer freie Tische im Restaurant, kein Buffet. Viel Platz am Strand und Pool. Keine Wartezeiten am Flughafen, Zoll und Taxistand usw. Die Argumente, jetzt eine Reise zu unternehmen sind zahlreich. Zudem bin ich sicher, dass die Lust auf Reisen ungebrochen ist. Auch bei den Motivationen sehe ich keine grossen Veränderungen. Die einen möchten entdecken und staunen, die anderen suchen Ruhe, Genuss und besseres Wetter.

Klar ist, wir haben uns auf die Situation eingestellt und wollen die Krise überwinden.»

«Jetzt braucht es vor allem gut informierte und zufriedene heimkehrende Kunden»

Daniel Camenzind.

Daniel Camenzind, Infiniti Golf – Reisen & Events: «Dass Spanien nicht mehr auf der Risikoländerliste steht hat durchaus positive Auswirkungen. Doch es ist übertrieben zu sagen, die Buchungen hätten jetzt eingeschlagen wie eine Bombe. Klar sind 10 Buchungen pro Woche im Verhältnis zu gar nichts viel, jedoch kann man dann noch nicht davon sprechen, dass hier ein Reisebüro überrannt wurde.

Es ist für uns sehr positiv, dass Kunden nun nach Spanien reisen können, ohne eine Quarantäne befürchten zu müssen. Denn mit Spanien ist jetzt eine weitere geniale Golfdestination bereisbar. Der Golfer tickt auch etwas anders als ein klassischer Badeferien-Tourist. Denn er hat den Vorteil, dass man beim Golfen das Social Distancing sehr gut einhalten kann. Auch gehen Golfreisende hauptsächlich wegen dem Golfspielen zum Beispiel nach Mallorca, da kommen sie, wenn sie nicht möchten, wenig in Kontakt mit anderen Reisenden. Wir haben aktuell Kunden, die dieses Wochenende auf die Kanaren oder nach Mallorca reisen.

Reisende werden in Zukunft nicht mehr Geld als gewohnt für ihre Ferien ausgeben. Jemand, der letztes Jahr nicht in die Ferien ging, hat dieses Geld nicht gespart, es wurde für Anderes ausgegeben. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Eine oder Andere die nächsten Ferien in einem etwas grösseren Hotel oder einem Kettenhotel bucht, weil hier das Vertrauen in die Hygienemassnahmen vielleicht noch etwas grösser ist, als bei kleineren Hotels.

Was es jetzt für uns wirklich braucht, sind Kunden, die von ihren Ferien zurückkommen und sagen «Wow, das war der Hammer». Das setzt natürlich voraus, dass wir als Reisebüro den Kunden gut über die Massnahmen auf der Reise und vor Ort informieren. Leider senden Berichte darüber, dass Reisebüros jetzt überschwemmt werden mit Anfragen, ein falsches Signal, auch der Politik.»

(JCR/NWI/NIM)