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Geimpfte und Genesene könnten ab dem Sommer von Reiseerleichterungen profitieren. Bilder: TN

Eine gute und zwei schlechte News aus dem BAG

Beim Zoom-Talk der Aktion Mayday stellte sich Patrick Mathys, Stv. Leiter Abteilung übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), den kritischen Fragen der Reisebranche.

Die Verzweiflung in den Schweizer Reisebüros über die aus ihrer Sicht oft widersprüchlichen und unsinnigen Entscheidungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) war in den letzten Wochen gross. Testpflicht für jegliche Einreisende per Flugzeug, Quarantänevorschriften, Unklarheiten, was künftig mit Geimpften und Genesenen passiert. Fragen über Fragen.

Sachlich und geduldig nahm sich Patrick Mathys am Montagabend im Mayday-Zoomtalk den zahlreichen Schmerzstellen der Reisebranche an. Er konnte zwar nicht alle Unklarheiten aus dem Weg räumen, der Reisebranche aber einige Hoffnung Richtung Sommergeschäft machen. Wir haben die wichtigsten Fragen der Branche und die Antworten von Patrick Mathys zusammengefasst.


Herr Mathys, dass alle mit dem Flugzeug Rückreisende einen PCR-Test vorweisen müssen, bereitet der Reisebranche Probleme. Macht denn da die Quarantäneliste überhaupt noch Sinn, wenn man mit einem negativen PCR-Test einreist?

Patrick Mathys: Die Quarantäneliste ist ja so ausgestattet, dass sich jene Länder darauf finden mit einem deutlich schlechteren epidemischen Geschehen als jenes in der Schweiz. Derzeit verzeichnen wir in der Schweiz rund 180 Ansteckungen pro 100'000 Einwohner in den letzten 14 Tagen. Wenn ein Land nun 60 Ansteckungen mehr vorweist, kommt es auf die Liste. Auch andere Kriterien spielen noch mit, wenn etwa überhaupt keine Daten vorliegen oder aus einer Region überdurchschnittlich viele einreisen, die daraufhin erkranken. Seit anfangs Jahr kommen zudem Länder mit neuen Virenvarianten, die für uns besorgniserregend sind, auf die Liste. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass diese Liste weiterhin besteht.

Bei den Nachbarländern differenzieren Sie nach Regionen, in anderen Ländern wie etwa Spanien nicht. Auch am Beispiel der Malediven verzweifelt die Branche, obwohl dort nur die Hauptinsel betroffen ist. Wäre da nicht auch eine Differenzierung möglich?

Da gibt es zwei Gründe. Die Grenzregionen, für die diese Differenzierungen gemacht werden, sind halt auch Lebensräume. Wir verzeichnen täglich rund 300'000 Grenzübertritte, ein Grossteil davon sind Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Städte wie Genf oder Basel würden ohne diese Grenzgänger nicht funktionieren, insbesondere das Gesundheitswesen. Zweitens spielen rechtliche Gründe mit. Wir würden, wenn wir das könnten, weitere Länder gerne unterteilen nach Regionen oder Inseln. Wir verfügen aber nicht über feinaufgelöste Daten. Der Aufwand wäre zudem riesig, um Anpassungen alle 14 Tage vornehmen zu können. Und der entscheidende Punkt dabei: wir müssen Rechtsgleichheit schaffen können. Wenn wir es nicht schaffen für alle Länder eine solche regionale Aufteilung machen zu können, wäre das eine Ungleichbehandlung. Eine Ausnahme etwa im Beispiel der Malediven ist somit aus Gründen der Gleichbehandlung nicht möglich. Uns liegen zudem die Daten der einzelnen Inseln nicht vor – und es kam auf einzelnen Inseln ja auch schon zu Ausbrüchen.

«Tansania wälzen wir schon einige Zeit vor uns her.»

Südafrika, Grossbritannien und Irland sind auf der Quarantäneliste trotz geringerer Fallzahlen.

Diese drei Länder sind wegen der neuen Virusvarianten auf der Liste. Ich gehe aber davon aus, dass Grossbritannien nicht mehr länger auf der Liste sein wird. Südafrika bleibt voraussichtlich auf der Liste. Der Grund: die britische Variante ist in der Schweiz mittlerweile die dominante Variante bei Neuinfektionen und somit macht es keinen Sinn, diesbezüglich Regelungen zu treffen. Die südafrikanische Variante hat hingegen in der Schweiz praktisch noch nicht Fuss gefasst.

Wie steht es um Tansania?

Länder, die schlechte Daten publizieren oder bei denen davon ausgegangen werden kann, dass die Daten nicht dem wirklichen Geschehen entsprechen, dies sind die schwierigen Fälle. Und Tansania wälzen wir nun schon einige Zeit vor uns her. Wenn weitere Schweizer mit der südafrikanischen Variante zurückreisen, kommen wir nicht darum herum, das Land auf die Liste zu nehmen.

Arbeitet seit 2002 für das BAG: Patrick Mathys, Stellvertretender Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten.

Studien zeigen, dass nur wenige Reiserückkehrer positiv getestet werden. Liegen Ihnen konkrete Zahlen vor? Und stellt man beim BAG nicht fest, dass die Quarantäne untauglich ist?

Wir haben durchaus Zahlen, wie viele Leute positiv bei Flügen waren. Die Zahlen würde ich nicht unterschätzen. Was wir letztes Jahr bei Flügen aus dem Balkan sahen, dass viele, die in Quarantäne gehen mussten, auch positiv getestet wurden. Untauglich ist die Quarantäne sicher nicht. Sie ist ein Dauerthema nicht nur für Reisende. Wir sind dran, die Kontakt- und Reisequarantäne nochmals anzuschauen. Dies wird in naher Zukunft - auch vor dem Hintergrund der Impfung - sicher ein Thema im Bundesrat werden und wir werden hierzu Entscheidungen erwarten können.

Ist da ein grösserer Systemwechsel am Horizont? Dass etwa Geimpfte auf die Quarantäne verzichten werden können?

Die Frage steht im Raum – was passiert, wenn die Mehrheit, die geimpft werden kann, geimpft ist, inwiefern dann nicht auch Erleichterungen zum Tragen kommen sollen. Die Vorschriften im Reiseverkehr liegen aber nicht in unseren Händen, wenn Sie in ein bestimmtes Land reisen und ob sie dort einen Impfnachweis vorlegen müssen. Diese Themen kommen auf uns zu. Ob wir die Quarantäne loswerden, ist noch offen, hier gibt es zahlreiche aktuelle und harte Diskussionen auf politischer Ebene. Am Schluss wird der Bundesrat über das weitere Vorgehen entscheiden. Hier geht’s ja nicht nur um Quarantäne, sondern auch um Zutritte zu Konzerten, etc. Und es spielen auch ethische Fragen mit.

Dann müssen Kunden, die beide Impfungen schon hatten, genau gleich einen PCR-Test machen und in Quarantäne gehen?

Das ist der heutige Stand.

«Jeder der verreist, muss sich genau informieren, welche Bestimmungen im Zielland gelten.»

Wer mit dem Zug mit 16 Stopps von Hamburg nach Zürich reist, muss keinen Test vorweisen. Wer in der gefilterten Luft eines Flugzeugs nach Zürich fliegt, schon. Das versteht die Reisebranche nicht. Wird einfach dort getestet, wo es machbar ist?

Das ist so. Bei der Einreise über einen Flughafen ist eine Kontrolle möglich. Wir würden gerne alle Einreisenden kontrollieren können, ausser beim grenzüberschreitenden Verkehr der Grenzgänger. Der Vollzug bei Bahn, Bus und Schiff ist aber praktisch nicht möglich.

Aber das ist doch eine massive Ungleichbehandlung?

Es würde Sinn machen, wesentlich breiter zu testen an der Grenze. Einreisende mit Bus und Bahn müssen aber ein Einreiseformular ausfüllen und dies macht durchaus Sinn, um rückwirkend, wenn es zu positiven Fällen gekommen sein sollte, noch eruieren zu können, wer in der Nähe sass. So kann das Contact Tracing unmittelbar eingeleitet werden.

Seit dem 15. März können auch Asymptomatische in der Apotheke kostenlos einen Schnelltest durchführen. Dies dürfte auch Reisende interessieren.

Es besteht weiterhin die Empfehlung, dass vor nicht dringlichen Reisen abgeraten wird. Jeder der verreist, muss sich genau informieren, welche Bestimmungen im Zielland gelten, welche Tests vorgewiesen werden müssen (nach Rückfrage mit seinem Team, bestätigt Patrick Mathys, dass bei der Rückreise aus Nichtrisikoländern ein Schnellltest bei der Einreise in der Schweiz genügt).

Was passiert eigentlich mit den Genesenen?

Hier stellen sich die gleichen Fragen wie bei Geimpften. Habe ich Privilegien, wenn ich die Krankeit gehabt habe? Die gleichen wie Geimpfte? Dort kommt zurzeit zum Tragen, dass wer erkrankt ist, aktuell während drei Monaten nicht in Quarantäne muss, sofern der Nachweis erbracht werden kann. Ich gehe davon aus, dass es auch für Genesene gewisse Privilegien geben wird. Die Frage ist: gibt es Reinfektionen? Kann sich jemand nochmals anstecken? Hier liegen noch keine abschliessenden Resultate vor.

«Meine Hoffnung ist, dass wir ab dem Sommer so wenige Einschränkungen wie möglich haben werden.»

Können Sie der Reisebranche eine gewisse Planungssicherheit bieten? Besteht die Möglichkeit eines Sommergeschäfts?

Ich hoffe, dass diese Möglichkeit besteht. Wenn der geplante Impffahrplan aufgeht, dann sollten die Leute, die sich impfen lassen wollen, im Sommer auch geimpft sein. Und vor diesem Hintergrund werden wir auf jeden Fall auf diesen Zeitpunkt hin sicher schon vorher eine entsprechende Regelung umsetzen können und müssen.

Wie wird der benötigte Impfausweis aussehen – auch europa- oder weltweit?

In der Schweiz sind wir dran, konkrete Vorschläge zu machen, wie dies aussehen könnte. Das Impfbüchlein ist kein amtliches Dokument. Auf europäischer Ebene sind Diskussionen im Gang, aber es geht leider harzig vorwärts. Auf internationaler Ebene ist man noch nirgends, wie dies aussehen müsste. Idealerweise gäbe es eine elektronische Lösung, doch dies wird international kaum zum Tragen kommen.

Wie lange wird noch vor nicht dringlichen Reisen abgeraten?

Hierzu kann ich keinen Zeitpunkt nennen. Natürlich wünschen sich Reisende eine gewisse Sicherheit, insbesondere auch gegenüber Versicherern. Wenn ich jetzt eine Reise buche, kann ich gehen oder nicht? In diesem Dilemma stecke ich selber auch. Letzten November wollte ich nach Namibia, dies war dann nicht möglich und die Reiserversicherung zahlte nicht. So haben wir die Reise nun um ein Jahr geschoben. Dass wir diesen November nach Namibia reisen können, hoffe ich doch sehr stark. Wer im Moment reist, muss sich bewusst sein, dass er oder sie ein gewisses Risiko eingeht, sei es in Bezug auf Annullierungen oder bezüglich Einreisebestimmungen in andere Länder, die sich sehr rasch ändern können.

Was geben Sie der Reisebranche für die nächsten Monate mit?

Ich hoffe mit der neuen Strategie des noch viel breiteren Testens und der Impfung in einen Bereich zu kommen, bei dem wir über eine Normalisierung reden können. Wann die Normalität wirklich einkehren wird, kann ich nicht sagen. Covid wird uns nicht nur bis im Sommer begleiten, Covid wird uns über die nächsten Monate, vielleicht auch über die nächsten Jahre in irgendeiner Form begleiten. Aber meine Hoffnung ist schon die, dass wir ab dem Sommer so wenige Einschränkungen wie möglich haben werden.

Fazit

Zuhörende des Mayday-Talks, die darauf hofften, dass Patrick Mathys vom BAG mit den Fingern schnippen könnte und die baldige Reisefreiheit und Planungssicherheit ausrufen würde, sahen sich am Montagabend getäuscht.

Die schlechten Neuigkeiten für die Reisebranche: Am Quarantäne-Regime wird vorerst nicht gerüttelt, Flugreisende bleiben gegenüber Einreisenden per Zug oder Bus benachteiligt respektive testpflichtig. Und die gewünschte Regionalisierung einzelner Länder, was die Quarantäneliste betrifft – etwa beim Beispiel der Malediven –, kann sich die Reisebranche aus verschiedenen Gründen abschminken.

Good News oder zumindest Optimismus ist aus den Aussagen von Patrick Mathys herzuleiten, was das anstehende Sommergeschäft betrifft. Er liess durchblicken, dass für Geimpfte deutliche Erleichterungen im Raum stünden und dass ab dem Sommer eine gewisse Normalität einkehren könnte.


Nächster Mayday-Branchencall: Montag, 29. März, 17 bis 18 Uhr

Tourismus in der Krise und die Rolle der Verbände – mit Nicolo Paganini (Präsident Schweizer Tourismus-Verband), Max E. Katz (Präsident Schweizer Reise-Verband) und Stephan Roemer (CEO Tourasia).

(GWA)