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Sören Hartmann (CEO DER Touristik) während dem Interview auf ITB NOW. Screenshot: JCR

Die Zahlungsprozeduren der Reisebranche sind auf dem Prüfstand

Im Rahmen eines ITB-Interviews äusserte sich Sören Hartmann (CEO DER Touristik) unter anderem über zu erwartende Veränderungen in Geschäftsverhältnissen der Reise-Wertschöpfungskette, und damit auch bei den Zahlungsmodalitäten im Reiseverkauf. Ein aktuell immer noch zu wenig beachtetes Thema.

Im Rahmen der «ITB Now» antwortete am gestrigen Dienstag (9. März) Sören Hartmann, seines Zeichens CEO der DER Touristik Group, auf Fragen hinsichtlich der Zukunft der europäischen Tourismusindustrie. Travelnews hat reingehört. Zunächst kamen beim Englisch geführten Interview eher Allgemeinplätze wie «Impfzertifikate werden wichtig sein» oder «wir erwarten fundamentale Änderungen in der Reiselandschaft», verbunden mit der «Hoffnung auf eine bessere zweite Hälfte des Jahres 2021».

Doch in der zweiten Hälfte des lediglich 15-minütigen Interviews kam Hartmann dann doch auf Punkte zu sprechen, die es in sich haben und über die man gerne noch einiges mehr gehört hätte. Ausgehend von der Prämisse, dass mehr kurzfristig gebucht wird und gleichzeitig die Reiseveranstalter Corona-bedingt gezwungen sind, einfachere (sprich: kundenfreundlichere) Annullierungsregelungen bereit zu haben, stellte Hartmann fest, dass Kunden im vergangenen Jahr «sehr schlechte Erfahrungen» mit dem Vorauszahlen von Reisen gemacht hätten. «Es war ihnen oftmals alles andere als einfach, das Geld zurück zu erhalten», so Hartmann.

Gründe dafür gibt es mehrere - angefangen bei Leistungsträgern, die statt auf Refunds auf Gutscheine setzten, komplizierte und stets ändernde Refund-Modalitäten, Rückzahlungsverzögerungen etwa bei Hotels oder auch bei Airlines (welche teils bis heute anhalten), um nur einige Beispiele zu nennen. Die Konsequenz davon: Das Vertrauen der Kundschaft ins Reiseprodukt ist beschädigt. Anders formuliert: Es bezahlt kaum mehr jemand den vollen Reisepreis weit im Voraus, wie das früher die Norm war, sondern es wird nur noch sehr kurzfristig gebucht und somit auch bezahlt.

Für Hartmann ist eine Konsequenz davon, dass die Flexibilität der Buchungsbedingungen zentral sei in der Angebotsgestaltung von Reiseveranstaltern. Mehr noch: Die Geschäftsbeziehungen zwischen den Akteuren der touristischen Wertschöpfungskette sind auf dem Prüfstand. Hartmann erwartet künftig noch deutlich mehr TO-Insolvenzen, als dies bisher der Fall war. Dies primär aus der Optik, dass Liquidität ein entscheidender Faktor sein wird in der kommenden Zeit. «Die Industrie muss refinanziert werden», so Hartmann, «es wird Cash-rich und Cash-poor Reiseveranstalter geben» - und erstere werden deutlich im Vorteil sein. Denn die Änderung der Zahlungsmodalitäten, über welche Travelnews schon vor einem Jahr schrieb, ist bis heute eigentlich nur Stückwerk geblieben.

In Bezug auf Airline-(Rück)Zahlungen hat sich bislang nämlich kaum etwas geändert. Wie hoch muss die Anzahlung sein? Was die Airline vom Veranstalter fordert, schlägt direkt auch auf dessen Forderung an den Reisebüropartner und/oder den Endkunden durch. Einseitige Änderungen, wie teils in der Corona-Zeit gesehen, bleiben wohl temporäre Erscheinungen, die sich wie «Notverordnungen» rechtfertigen lassen. Ein fundamental neu aufgestelltes Cash-Flow-System ist bislang aber nicht auszumachen. Was wiederum heisst, dass sich - je länger sich die finanzielle Lage zuspitzt - die Mitglieder der Wertschöpfungskette zunehmend gegeneinander ausspielen werden. Der Cash-Druck wird enorm sein. Wenn der Kunde nicht im Voraus bezahlt, stellt sich schnell mal die Frage, wer wem «Kredit» auf eine touristische Leistung gewährt. Dies ist insofern relevant, als - wie von Hartmann vorausgesagt - zahlreiche Pleiten noch zu erwarten sind, wo dann möglicherweise nochmals um Rückzahlungs-Geld gefeilscht werden muss.

Unter dem Strich lässt sich also sagen: Das Reisen generell wird anders sein. Aber auch der ganze Zahlungsverkehr im Hintergrund wird sich noch ändern. Hier steht man jedoch erst am Anfang. Es gibt viel Arbeit hinsichtlich einer Neugestaltung der Geschäftsbeziehungen zwischen Reisebüros, Reiseveranstaltern, Airlines, Hotels und weiteren Elementen der Reisewertschöpfungskette.

  

(JCR)