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Wie schnell kommt man an wie viel Geld? Die Unterschiede je nach Kanton sorgen für rote Köpfe. Bild: AdobeStock

Kritischer Blick der Reisebranche auf die Härtefall-Hilfen

Zu wenig? Zu spät? Bei der Travelnews-Umfrage zur Härtefallhilfe überwiegen negative Voten. Die unterschiedliche Handhabung der Härtefallhilfe in den Kantonen gibt zu reden.

Am Mittwoch publizierte Travelnews einen Artikel zu den Härtefallhilfen, in welchem mittelgrosse KMU argumentierten, dass die in gewissen Kantonen gedeckelte Hilfe nicht ausreichend sei. Wir wollten dabei im Rahmen einer Umfrage wissen, wie es die Branche generell sieht, und innerhalb von 48 Stunden (die Umfrage ist nun beendet) immerhin 62 Voten erhalten.

Das Resultat ist klar: Fast die Hälfte der Antwortenden (48%) besagt, dass es mit der Hilfe zu lange dauert und dass die Bedingungen für die Hilfserteilung zu hart oder auch zu kompliziert seien. Für praktisch jeden Vierten (26%) sind die verfügbaren maximalen Hilfsbeträge zu tief. Bei 15% der Antwortenden liegt der Fall vor, dass im entsprechenden Kanton noch gar keine Härtefallregelung ausgearbeitet wurde - womit dies eigentlich auch als Antwort gedeutet werden könnte, wonach es zu lange dauert. Zufrieden mit den getroffenen Regelungen zeigen sich lediglich 11% der Antwortenden.

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Für ihr eigenes Unternehmen zufrieden mit der Härtefallregelung ist auch Sarah Weidmann, Geschäftsleiterin des Italien-Spezialisten Smeraldo Tours aus Wallisellen/ZH und beim Schweizer Reise-Verband (SRV) Delegierte der Region 2 (Deutschschweiz) und in dieser Funktion auch für die Koordination der Verhandlungen zwischen Reisebranche und Kantonen zuständig. Sie hat für die Reisebüros Leitplanken für das Argumentieren und das Einholen von Hilfsleistungen erarbeitet, Kontakte hergestellt, für Aufmerksamkeit gesorgt.

Ihr zufolge haben die Kantone «vorwärts gemacht» und in vielen Kantonen könne inzwischen ein Härtefallantrag eingereicht werden, einige Kantone hätten auch bereits Gelder ausbezahlt. Den Überblick dazu, wie es die einzelnen Kantone handhaben, gibt es auf der Website des SRV, den Überblick über die Anlaufstellen gibt es sonst auch beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Zum «Spezialfall Zürich» - in diesem Kanton sind besonders viele Reiseunternehmen angesiedelt - und der Kritik an dessen Deckelung der à-fonds-perdu-Beiträge auf 400'000 Franken bemerkt Weidmann: «Im Kanton Zürich läuft immer noch die Referendumsfrist. Voraussichtlich können Gesuche ab dem 1. Februar eingereicht werden.» Ob die Unternehmen im Kanton Zürich noch auf höhere Hilfsleistungen zählen können, ist unklar.

Fakt ist: Gemäss Covid-Härtefallgesetz liegt das Maximum der Hilfsleistungen (ob à-fonds-perdu oder als Kredit/Darlehen) bei 500'000 Franken. Jeder Kanton hat vom Bund ein Budget erhalten und damit müssen die Kantone so haushalten, dass jede Firma, die zur Hilfeleistung berechtigt ist, etwas davon bekommen muss. Einige Kantone, wie eben Zürich, haben eine tiefere Deckelung festgelegt, in manchen Kantonen gibt es lediglich Lösungen mit rückzahlbaren Krediten. Doch es gibt durchaus noch offene Fragen und Spielraum: Von den 2,5 Milliarden Franken, die der Bund gesprochen hat, sind derzeit 750 Millionen noch nicht freigegeben. Nächste Woche dürfte der Bundesrat darüber entscheiden, ob der Bund diesen Betrag einsetzt, um besonders betroffene Kantone zu unterstützen. Laut jüngsten Medienberichten könnte zudem der Umsatzverlust, den Betriebe als Voraussetzung für die Hilfen erlitten haben müssen, tiefer als die bisher in der bundesrätlichen Verordnung genannten 40 Prozent angesetzt werden (was übrigens in einzelnen Kantonen, z.B. Basel-Stadt, bereits so gehandhabt wird, dort gelten 20 Prozent, in Zürich derweil 50 Prozent).

Klar ist, dass die Kantone für die Verteilung der Gelder verantwortlich bleiben. Doch auch dort gibt es noch Handlungsspielraum. Gerade heute (8. Januar) hat der Kanton Bern angekündigt, nach heftiger Kritik das Formular, mit dem Unternehmen Härtefallhilfe beantragen können, verbessern zu wollen.  
Das «offensichtlich unvollständig erläuterte Antragsformular» werde noch diese Woche angepasst, schreibt die Kantonsregierung in einer Mitteilung. Sarah Weidmann erklärt derweil: «Die Taskforce ist weiterhin bemüht, die Bundesgelder zu erhöhen.»

Kantonale Regelung sorgt für rote Köpfe

Dass die kantonale Regelung, in föderalistischen Staatsgebilden üblich, in diesem Fall für rote Köpfe sorgt, liegt auf der Hand. Dies weil, wie oben dargestellt, für Unternehmen je nach Standort völlig unterschiedliche Voraussetzungen für den Erhalt von Hilfe gebildet werden. Die maximal als Hilfsleistung vorgesehene Geldmenge pro Unternehmen variiert von Kanton zu Kanton. Zudem erfolgen die Hilfen zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Im Aargau beispielsweise floss schon Geld, während andere Kantone noch nicht mal eine Regelung haben. Der Bund hat lediglich die Rahmenbedingungen festgelegt und seinen eigenen Anteil. Ist ein Kanton grosszügiger, trägt er die Mehrkosten selber.

Also: Wer in einem wenig grosszügigen Kanton angesiedelt ist, hat Pech gehabt. Dass allerdings alle gleichermassen von den auf nationaler Ebene getroffenen Beschränkungen und Massnahmen leidet, ist eben auch ein Fakt.

Achtung vor den Schulden

Zuletzt noch ein Hinweis an Reiseunternehmen: Zur Verhinderung von Missbrauch bei der Darlehens- oder Kreditvergabe müssen alle Daten offengelegt werden. Um Hilfe zu erhalten, darf man laut Passus zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Dezember 2019 nicht überschuldet gewesen sein. Will heissen, dass eine Firma nicht mehr Fremdkapital schulden darf, als sie überhaupt zurückzahlen kann. Oder anders formuliert: Anzeichen für eine Unterbilanz oder Überschuldung ist, wenn das totale Eigenkapital tiefer ist als die Hälfte des Aktienkapitals plus gesetzliche Reserven.

Ist dies nicht der Fall, liegt eine Überschuldung vor, die man dem Richter melden muss. Wer dies nicht getan hat, könnte bei der Durchleuchtung der Daten für den Erhalt der Härtefallhilfe Ärger kriegen. Auf dieses mögliche Problem angesprochen, erklärt Weidmann: «Ich kann das so nicht für die Reisebranche beurteilen. Ich gehe aber davon aus, dass die meisten Firmen gesund waren.»

(JCR)