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Das grosse Warten - sowohl am Airport als auch bei den Reisebüros hinsichtlich den Rückerstattungen. Bild: Mohamad Ilham Fauzan

Ausstehende Airline-Rückerstattungen: Das sind die Sünder

Jean-Claude Raemy

Der Branchenverband STAR hat eine Umfrage bei Mitgliedern durchgeführt und dabei festgestellt, dass auch anfangs 2021 noch viele Rückerstattungen von Fluggesellschaften ausstehend sind. In Zusammenarbeit mit Travelnews wurde nun erörtert, wer die Aufgaben gemacht hat und wer nicht.

Wie sieht es eigentlich aus mit Airline-Rückerstattungen? Dieses Thema war letztes Jahr für viele Reisebüros ein Riesenproblem, weil die verzögerten Rückerstattungen von Seiten der Airlines das Potenzial hatten, Liquiditäts-Engpässe zu schaffen. Bei einer Umfrage im August 2020 waren zwei Drittel unserer antwortenden Leserschaft mit der Rückvergütungspraxis unzufrieden. Die Airlines, allen voran die Swiss, etwa via Vertriebschef Tamur Goudarzi Pour, erklärten die Gründe für die Verzögerungen, zumeist wegen der schieren Menge an Forderungen, aber auch wegen zwischengeschalteten Screenscraper-Websites. Wie dem auch sei: Ende September erklärte die Swiss, dass sie ihren Rückerstattungs-Verpflichtungen nachgekommen sei und nur noch einzelne wenige Fälle ausstehend seien - dies war übrigens eine Auflage des Bundes gewesen.

Doch nun hört man von vielen Reisebüros, dass auch Anfang 2021 immer noch stattliche Summen ausstehend sind. Was insofern ein Problem ist, weil inzwischen der auf Ende 2020 befristete Rechtsstillstand abgelaufen ist. Will heissen: Ein Endkunde hat nun die Möglichkeit, ein Reisebüro wegen der Ausstände zu betreiben. Und wenn das Reisebüro die Gelder vom Leistungsträger nicht hat, muss es diese möglicherweise aus eigener Tasche vorschiessen, um die Betreibung abzuwenden bzw. zu begleichen.

Es gibt eine «Haupttätergruppe»

Der Reiseverband STAR (Swiss Travel Association of Retailers) hat nun zum Jahresauftakt eine Umfrage bei seinen Mitgliedern durchgeführt. Aus insgesamt 42 Antworten ging zunächst hervor, dass über 10 Prozent der Flüge per Ende 2020 noch immer nicht zurückerstattet wurden. Der Maximalausstand im Jahre 2020 belief sich auf durchschnittlich über 100'000 Franken pro Reisebüro, per Ende Jahr seien davon im Schnitt immer noch über 10'000 Franken ausstehend. Auf Nachfrage von Travelnews wurde dann von STAR-Präsident Luc Vuilleumier eine zusätzliche Umfrage gestartet, bei welcher die Airlines beim Namen genannt werden sollten. Wir wollten von den STAR-Mitgliedern wissen, welche Airlines die höchsten Ausstände hatten (jeweils 5 Nennungen in absteigender Reihenfolge). Diese Resultate liegen nun auch vor, hier haben 34 Reisebüros geantwortet.

Das Bild ist deutlich. Die meisten Nennungen erhielten Swiss und TAP, dicht gefolgt von Thai Airways. Ebenfalls mehrere, aber bereits klar weniger Nennungen erhielten, in dieser Reihenfolge, Oman Air, Air Europa, Croatia Airlines, South African Airways, Air France, KLM, SAS und Lufthansa. Einmal-Nennungen lassen wir an dieser Stelle weg - insgesamt wurden aber 26 verschiedene Airlines genannt, bei denen es also im Januar 2021 noch Ausstände gibt, und dies bei einer sehr überschaubaren Menge an Feedbacks.

Bereits im Dezember hatte auch der Schweizer Reise-Verband (SRV) seine Mitglieder aufgefordert, jene Airlines schriftlich zu nennen, welche systematisch Rückerstattungen verweigern, wonach man diese dann auffordern werde, die offenen Beträge umgehend zu erstatten, mitsamt Information an IATA und BAZL. Dabei erhielt der SRV auch tatkräftige Unterstützung vom Board of Airline Representatives in Switzerland (B.A.R.). Wie SRV-Geschäftsführer Walter Kunz gegenüber Travelnews ausführt, stehen auf der SRV-Umfragestatistik aktuell insgesamt 84 Airlines; die grössten Probleme haben die Reisebüros demzufolge mit Thai Airways, TAP, Air Europe, Oman Air, South African Airways und SAS; die Swiss wird hier nur marginal genannt. Die «Sünder» sind aber somit mehrheitlich deckungsgleich mit jenen aus der STAR-Umfrage.

Welche Mittel können Reisebüros ergreifen?

Dass Swiss bei der STAR-Statistik zuoberst steht, lässt sich wohl damit erklären, dass es bei Swiss auch weiterhin zu vergleichsweise vielen Buchungen kommt, und wegen der vielen Regelungsänderungen wohl auch wieder zu Annullierungen, welche rückerstattungspflichtig sind. Sprich, die Rückzahlungen aus dem Frühjahr 2020 sind erledigt, doch die Situation blieb so volatil, dass immer neue Forderungen hinzukommen - für welche Swiss inzwischen aber einen schnellen Bearbeitungsmechanismus haben sollte. Zudem hat Swiss natürlich bei Weitem den grössten Umsatzanteil bei praktisch allen Reisebüros, und fällt in Franken entsprechend ins Gewicht, möglicherweise aber nicht in Prozenten des Gesamtumsatzes nach Airline.

Bei Thai hingegen scheint es sich effektiv um alte Ausstände zu handeln, da bei dieser Airline aus der Schweiz kaum noch Buchungen hereinkommen, zumal ja Thailand seine Grenzen über Monate geschlossen hielt. Thai, ebenso wie die inzwischen insolvente South African Airways in grossen finanziellen Nöten, wird die Rückzahlung aus Liquiditäts-Überlegung hinauszögern. Weshalb jedoch TAP auf dem obersten Treppchen mit Swiss steht, erschliesst sich uns nicht ganz (wobei auch hier anzumerken ist, dass Flüge nach Portugal immer wieder verkauft wurden und werden und es deshalb hier auch zu neuen Ausständen kommen kann). Und bei Oman Air versichert Walter Kunz, dass die Gespräche aktiv laufen und sich die Airline stark bemüht und mit Zahlungen in den kommenden Wochen zu rechnen ist.

Nun bleibt noch die grosse Frage, wie die Reisebranche weiter vorgehen soll. Die verzögerten Rückzahlungen sind für bereits klamme Reisebüros und angesichts der nun wieder bestehenden Betreibungsmöglichkeit durch Endkunden ein nervenaufreibendes Damoklesschwert. Eine Betreibung der Airlines durch Reisebüros ist allerdings schwierig bzw. in den meisten Fällen unmöglich, weil die Firmensitze gar nicht in der Schweiz sind. SRV und STAR loten nun beide die Möglichkeiten aus, welche es gibt, um Airlines zu einer baldigen Zahlung bewegen zu können.