Reiseanbieter

Giovanni Cocco, Direktor Marketing & Vertrieb von Traveleague: «Wir wollen im B2B-Markt Flagge zeigen und als verlässlicher Partner anerkannt sein.» Bild: zVg

Sie machen Autoreisen für den Counter attraktiv

Jean-Claude Raemy

Im Februar 2020 ging die Traveleague AG in Glattbrugg an den Start. Wie ist es dem Autoreisen-Anbieter in diesem aussergewöhnlichen Jahr bislang ergangen und was sind die Ziele für das kommende Jahr? Antworten darauf erhielt Travelnews von Giovanni Cocco, dem Direktor Marketing & Vertrieb des Unternehmens.

Seit Februar 2020 ist die Traveleague AG mit Hauptsitz in Glattbrugg nahe dem Flughafen Zürich am Markt. Für den Autoreisen-Anbieter, welcher von ehemaligen Managern der Thomas Cook International sowie Incoming-Agenturpartnern des untergegangen Reisegiganten gegründet wurde, kam der Startschuss zu einem gelinde gesagt schwierigen Zeitpunkt. Und doch hört man nun immer wieder von weiteren Expansionsschritten. Wie optimistisch ist das Unternehmen für die Zukunft und was sind die weiteren Schritte? Und wieso ist man ausgerechnet mit Selbstfahrerreisen ausschliesslich auf den B2B-Kanal ausgerichtet?

Travelnews hat bei Giovanni Cocco nachgefragt. Den Direktor Vertrieb, Marketing und Operations von TraveLeague haben wir per Teams-Meeting in Brixen (Südtirol) erreicht.


Herr Cocco, der Start von Traveleague erfolgte praktisch zeitgleich mit dem Aufflammen der Corona-Krise im europäischen Tourismus. Wie ist es Ihnen in diesem Jahr ergangen?

Natürlich war Corona ein Desaster für den Neustart. Wenn der ganze Tourismus darniederliegt, lässt sich kaum vernünftig geschäften. Wir hatten dennoch einen ziemlich guten Sommer, in welchem wie viele Kurzfristbuchungen verzeichnen konnten. Besonders erfreulich war, dass der Wert der verkauften Autoreisen meist höher war als üblich für diese Produktart. Dennoch, es war natürlich zahlenmässig nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Die gesamte Tourismusindustrie wird das Jahr 2020 in den Büchern quasi ausklammern müssen.

Eigentlich wären doch Autoreisen genau das perfekte touristische Angebot in Corona-Zeiten.

Das ist durchaus so und wir rechnen uns auch weiterhin hervorragende Chancen aus. Unser Angebot ist es ja, dass man Autoreisen problemlos in Eigenregie konfigurieren kann. Daran arbeiten wir weiter.

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, Autoreisen anzubieten?

Die Idee und auch das Konzept entstanden bereits 2019. Sie erinnern sich, Flugreisen und auch Kreuzfahrten wurden im Sog der Umwelt- und Overtourismus-Diskussionen immer schräger angeschaut. Wir sahen folglich gute Wachstums-Chancen für erdgebundene Reisen. Es galt allerdings, einen neuartigen Reiseveranstalter zu kreieren, für dessen Geschäftsmodell Technologie als Basis dient. Wir konnten das Know-how der Gründer und Shareholder - also von Managern der früheren Thomas Cook International sowie der Investoren Falk Tours, wo ich arbeite, Falkensteiner Ventures, Bergmann Touristik und Tour Alpin - nutzen und haben uns daran gemacht, eine eigene Software zu entwickeln.

Diese Software nennt sich Hermes. Was kann diese denn genau?

Es handelt sich um ein Reiseveranstalter-System mit Ursprung im Contracting, welches neu konzipiert wurde. Es ist ein All-in-one-System, welches über direkte Schnittstellen zu Hotelpartnern und DMCs verfügt, Ratenstrukturen mehrschichtig (FIT, Bar etc.) anzeigen kann und Preise automatisch kalkuliert, sowie ein datengestütztes Kundennachfrage- und Angebotsmanagement beinhaltet. Es ist so konzipiert, dass damit die volle Bandbreite an Vertriebsmöglichkeiten - also stationär, online oder direkt - genutzt werden kann. Ergänzt wird das durch sich ständig erweiternde Anbindungen an verschiedene Transportmöglichkeiten sowie zu Touren- und Aktivitätenanbietern.

Die selber entwickelte und in Besitz des Unternehmens befindliche All-in-One-Software Hermes ist das Herzstück von Traveleague. Die Grafik verdeutlicht, wie SOurcing und Output miteinander verbunden werden. Bild: Traveleague

Das System ist also auch für den Direktvertrieb geeignet?

Theoretisch schon. Doch zurzeit ist nur eine B2B-Nutzung geplant. Wir bekennen uns ausdrücklich zum stationärem Vertrieb über Reisebüros sowie zum B2B-Vertrieb über OTAs. Das System ist auf deren Bedürfnisse ausgerichtet. Bei uns muss man auch keine «Cash-Plays» befürchten - wir geben die Preise der Hoteliers weiter. Und jeder Preis wird tagesaktuell angezeigt.

Womit verdient Traveleague Geld?

Natürlich gibt es auch bei uns eine Marge. Diese ist jedoch tiefer als bei herkömmlichen Veranstaltern, d.h. die Preise attraktiver. Dies erreichen wir dank unserer schlanken Struktur und dem modernen System, welches sehr wenig «Handarbeit» erfordert.

Sie sind auf stationären Vertrieb ausgerichtet - wie viele Vertriebspartner haben Sie denn schon?

Unser Ziel war, im ersten Jahr 1000 Verträge zu haben. Dieses Ziel haben wir erreicht und gar übertroffen, d.h. wir spüren den Zuspruch vom Markt. Das gilt übrigens sowohl beim Sourcing wie auch beim Processing. Aktuell sind 1400 Agenturen angebunden, primär in Deutschland und Österreich, wo wir über Kooperationen insgesamt 13'000 Agenturen erreichen.

Wie sieht das in der Schweiz aus?

Da hat's noch Luft nach oben. Aktuell sind 18 Einzel-Reisebüros in der Schweiz angebunden. Zu Reisebüro-Kooperationen haben wir in der Schweiz noch wenig Kontakt. Aber das ist im Aufbau. Auf Supplier-Seite haben wir nun erstmals auch Angebote in der Schweiz: Die Morosani-Gruppe in Davos ist nun an uns angebunden. Im Portfolio vertreten sind somit das Vier-Sterne Posthotel, das Vier-Sterne-Superior Haus Schweizerhof sowie das Aparthotel Fiftyone. Als DMC-Partner haben wir das Switzerland Travel Center (STC).

«Wir bekennen uns ausdrücklich zum stationärem Vertrieb über Reisebüros sowie zum B2B-Vertrieb über OTAs»

Wie wird denn die Expansion angetrieben?

Die Verkaufsleitung in Deutschland Süd und der Schweiz obliegt Marina Schoebel, welche vom Raum Frankfurt aus operiert, und jene für Deutschland Nord und die Benelux-Staaten obliegt Markus Bialluch, welcher nahe Amsterdam basiert ist. Für Österreich ist Michael Bradac zuständig. Der Fokus liegt momentan im Vertrieb noch auf dem DACH-Raum; da können wir teils auf frühere Partnerschaften, die wir mit der TCI hatten, zurückgreifen. Der Vertrieb mit Partnern in den Benelux-Ländern, in Frankreich und in Osteuropa ist aber auch im Aufbau.

Ihr Hauptsitz ist aber in Glattbrugg... wer ist denn dort?

In Glattbrugg arbeiten fünf Personen, darunter der Finanzdirektor Patrik Gübeli und CTO Philipp Pfetzing. Weitere Niederlassungen sind in München und Wien.

Kommen wir nochmals zum Produkt. Was kann ein Reisebüro genau auf Ihrer Plattform buchen?

Primär sind dies Hotels. Wir haben bereits klar über 1000 Hotels direkt angebunden, darunter natürlich jene von Shareholder-Partnern wie die Falkensteiner Hotels & Residences, aber auch Ketten wie NH Hotels, Vienna House Hotels, IFA Hotels und viele mehr. Darüber hinaus natürlich noch viele ausgewählte Hotels über Bettenbanken. Der Hotel-Content wird laufend ausgebaut. Auch Campings und Ferienwohnungen sind dabei, oder auch die Center Parcs in Deutschland und den Niederlanden - die Center Parcs in Frankreich und Belgien folgen im Januar.

Es ist übrigens auch nicht so, dass wir den Content der angebundenen DMC-Partner 1:1 übernehmen, sondern da wird genau selektioniert, was in unser Portfolio passt und was nicht. In den Zielmärkten im DACH-Raum und in Italien sind die vorhin genannten Shareholder-DMCs angebunden, in den Zielmärkten in Osteuropa - also in Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien und Kroatien - arbeiten wir auch mit weiteren DMCs.

Sie haben vorhin gesagt, es kommen dazu noch andere Leistungen.

Wir sind daran, einen «Konfigurator» zu programmieren, in welchem schon bald auch Ausflüge, weitere Drittleistungen und Transportmöglichkeiten angeboten werden. Im Laufe des kommenden Jahres werden wir bereit sein mit mehr Leistungen.

«Wir haben bereits klar über 1000 Hotels direkt angebunden»

Warum sollte ich als Reisebüro bei Traveleague buchen?

Zum einen garantieren wir eine faire Partnerschaft. Wie gesagt gibt es bei uns keine «Cash-Plays» und wir kommissionieren fair: Die Basisprovision beträgt 10 Prozent, Wachstumsprovisionen sind eng gestaffelt. Die Auszahlung der Vergütung erfolgt direkt nach dem Buchungsmonat und nach Erhalt der Anzahlung des Kunden an das Reisebüro. Das Agenturinkasso ist garantiert.

Dazu sind wir auch flexibel gegenüber Kunden, etwa mit einer tiefen Anzahlung - die Kundenanzahlung lag zunächst bei 15 Prozent des Reisepreises. Für alle verfügbaren Hotels bieten wir inzwischen kostenfreie Stornierung bis 30 Tage vor Reiseantritt und 0 Franken Anzahlung - dies gilt für alle Buchungen bis einschliesslich 28. Februar 2021. Letztlich profitieren auch die Hotels: So erhalten Hotelpartner ihr Geld direkt nach Rechnungsstellung, während die Kunden noch im Hotel sind. Damit heben wir uns von grossen Konzernveranstaltern ab.

Und wie kann ich die Traveleague-Produkte buchen?

Wir sind aktuell über Amadeus, myJack von Bewotec, im Bistro, in NEO sowie in Traffics buchbar. Im Januar erfolgt die Buchbarkeit über Sabre/Merlin.

Welches Kundensegment sprechen Sie an?

Ich würde sagen die «gesunde Mittelschicht». Autoreisen sind besonders bei Familien beliebt, aber durchaus auch bei DINKs und noch ganz anderen Zielgruppen. Wir erwähnt haben Autoreisen gerade wegen Corona wieder Auftrieb.

Wichtig ist festzuhalten, dass wir keine «Billigware» verkaufen wollen. Quantität verkauft nichts, Qualität hingegen schon. Deshalb selektionieren wir unser Angebot sorgfältig und gehen die Expansion überlegt an. Wir wollen nicht alles aufs Mal.

Wir haben nun also Quellmärkte im DACH-Raum und Zielmärkte ebenda sowie in Italien und Osteuropa. Für Schweizer sind Autoreisen nach Polen aber noch eher ungewöhnlich. Sind auf einzelne Quellmärkte zugeschnittene Angebote vorgesehen?

Aktuell nicht. Wir versuchen es lieber so zu drehen, dass eine internationale Autoreise einfach und aus einer Hand buchbar sein kann. Warum sollte ein Schweizer keine Autoreise nach Polen unternehmen? Klug geplant, mit genügend Zeit, und als Ganzes nahtlos gebucht, kann dies doch top sein. Dafür werden wir versuchen Hand zu bieten. Mit unserer modernen IT wollen wir auch dafür ein Fundament bieten.

Und was die Quellmärkte angeht, so werden diese nach dem DACH-Raum auf die Benelux-Staaten, Osteuropa, Italien und Kroatien ausgedehnt.

«Wir sind aktuell über Amadeus, myJack, Bistro, NEO sowie Traffics buchbar; im Januar dann auch über Sabre/Merlin»

Wie sieht denn nun 2021 für Traveleague aus?

Corona hat uns nun gewissermassen die Chance bzw. die Zeit gegeben, unsere Technik zu optimieren. Unsere IT-Plattform ist sehr flexibel und schnell. Die Verträge sind und eingepflegt, das Portfolio ist breit und wird ständig ausgebaut - etwa mit vielversprechenden Nischenprodukt wie «Reisen mit Hund» sowie den vorhin genannten Zusatzleistungen, und wir spüren auch bereits, wie die Nachfrage ab 2021 leicht anzieht. Wir rechnen nicht damit, dass es wie in anderen Jahren üblich einen grossen Buchungs-Peak im Januar gibt, sondern dass sich die Buchungslage in einer Art Steigerungslauf ab Januar stetig verbessern wird. Dafür sind wir bereit.

Keine Angst, dass das Produkt Autoreisen mit der Normalisierung im Reisegeschäft wieder in den Hintergrund tritt?

Nein. Die Nachfrage dafür war immer da. Aber der Vertrieb hat vielleicht diese Sparte etwas vernachlässigt. Wir haben gemerkt, dass gerade junges Reiseverkaufspersonal teils deutlich besser Bescheid wusste über Strände und Hotels auf den Malediven als über touristische Angebote im eigenen Land oder in den Nachbarländern. Unsere Mission ist es folglich, dem Vertrieb unsere Destinationen «neu zu erklären». In persönlicher Ansprache soll klargemacht werden, weshalb Autoreisen in der Nähe durchaus auch ein Produkt für den Reisebüro- bzw. OTA-Vertrieb sind.

Wie wollen Sie da vorgehen?

Wir investieren jetzt in Reisebüro-Schulungen. Das Vertriebsteam informiert die Reisebüros mit wöchentlichen Webinaren, periodischen Inhaber-Gesprächen und regelmässigen Newslettern über laufende Entwicklungen. Unterstützung bei der Kundenberatung bietet unsere kürzlich aufgewertete Website.

Wir wollen aber auch Feedback einholen von den Agenten: Was bucht der Kunde? Welche Bedürfnisse müssen abgedeckt sein? Wir wollen im B2B-Markt Flagge zeigen und als verlässlicher Partner anerkannt sein.