Reiseanbieter

Hier in Urdorf war die Reisecenter Plus AG bislang domiziliert. Die Firma hat nun aber ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Bild: Screenshot GoogleMaps

Die Reisecenter Plus AG ist pleite

Der Direktreiseanbieter aus Urdorf hat die Geschäftsaktivitäten eingestellt. Ein Fall für den Garantiefonds. Geschäftsführerin Christine Bucher nimmt Stellung.

Die Reisecenter Plus AG in Urdorf hat ihre Geschäftsaktivitäten eingestellt. Dies passierte bereits am 8. Dezember, wie der Website des Unternehmens zu entnehmen ist. Begründet wird dies, wenig überraschend, mit den «schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise».

Was ist genau passiert? Geschäftsführerin Christine Bucher erklärt auf Anfrage von Travelnews: «Reisecenter Plus AG war bis Ende 2019 eine erfolgreiche, kerngesunde Firma, die von Beginn weg über 10 Jahre lang schwarze Zahlen geschrieben hat. Als Direktverkäufer haben wir sehr grosse Vorleistungen in der Werbung. In diesem Jahr wurde praktisch der gesamte Umsatz, der mit den «Ferienpost»-Ausgaben August 2019 sowie Januar 2020 generiert wurde, vernichtet. Dazu kamen noch viele Inserate, denen auch kein Umsatz entgegen steht. Praktisch alle gebuchten Dossiers mit Abreise März 2020 bis Frühling 2021 mussten annulliert und rückerstattet werden. Dies alles sowie das Fehlen jeglicher Zukunftsperspektiven auf dem Kreuzfahrtenmarkt haben uns gezwungen, die Insolvenzerklärung einzureichen.»

An dieser Stelle muss erwähnt werden, wie die Reisecenter Plus funktionierte: Eben als klassischer «Direktvertriebler». Unter der eingetragenen Marke «Ferienpost» erschien in den letzten Jahren jeweils drei Mal pro Jahr - im Januar, Mai und August - eine Art «Magalog» mit Reiseangeboten, welche an Privathaushalte in der Deutschschweiz verschickt wurden. Das ist wegen der Druckkosten - hinzu kamen jeweils noch Inserate in der Coopzeitung - zwar kostenintensiv, doch das Modell funktionierte: In den letzten Jahren erzielte das Unternehmen (von Travelnews geschätzte) Jahresumsätze von zwischen 20 und 30 Millionen Franken. Besonders im Kreuzfahrt-Segment war Reisecenter Plus stark und wurde beispielsweise sowohl von Costa Cruises als auch von MSC Cruises als Top-Agent ausgezeichnet. Wie Christine Bucher festhält, wird nun keine «Ferienpost» mehr erscheinen - die Januarausgabe 2020 war bereits die letzte.

Die Rückerstattungsforderungen bleiben ein Problem

Betroffen sind von der Insolvenz insgesamt acht Angestellte sowie viele Reiseleiter, die im Freelancer-Modus für Reisecenter Plus arbeiteten. Aktuell ist noch kein Eintrag im Schweizerischen Handelsamtsblatt zu finden. Sprich, das Insolvenzverfahren läuft, jedoch hat noch keine formelle Konkurseröffnung stattgefunden. Das ist aber «courant normal». Ebenfalls erwähnenswert: Die Firma Reisecenter Plus Marketing & Services GmbH mit Sitz in Altendorf SZ ist rechtlich unabhängig und von der Geschäftsaufgabe nicht betroffen. Diese Firma erbringt Marketingdienstleistungen aller Art. Die Geschäftsführung dieser Firma besteht nebst Christine Bucher noch aus Markus Tanner, Hans Bruno Tanner und Caroline Zbären - also denselben Personen (ausser Hans Bruno Tanner), welche die Reisecenter Plus AG in Urdorf leiten. Zur Erinnerung: Christine Bucher(-Tanner) ist die Tochter von Hans Bruno Tanner, dem Pionier des Reise-Direktverkaufs in der Schweiz.

Wie weiter nun aber mit der Reisecenter Plus AG? Ansprüche aus gebuchten Pauschalreisen sollen direkt beim Garantiefonds der Schweizer Reisebranche angemeldet werden. Einzelleistungen oder nicht eingelöste Gutscheine oder Gutschriften sollen beim Konkursamt Schlieren angemeldet werden. Der Fall ist seit gestern (15.12.) auf der Website des Garantiefonds aufgeschaltet, d.h. die Ansprüche können nun geltend gemacht werden. Auf Nachfrage von Travelnews erklärt Garantiefonds-Geschäftsführer Marco Amos, dass er noch keine Übersicht über die Schadenssumme habe, zumal jetzt erst die ersten Anfragen langsam reintröpfeln, jedoch bemerkt er: «Die Geschäftsaufgabe wurde von der Reisecenter Plus AG seriös aufgegleist; die Kunden und Lieferanten wurden informiert und mit uns haben auch bereits Gespräche stattgefunden.» Die Garantiesumme liege vor.

Dazu erklärt auch Christine Bucher: «Uns ist es wichtig, das Ganze sauber abzuschliessen, damit möglichst niemand zu Schaden kommt. Wir haben alle betroffenen Kunden angeschrieben und sie über das weitere Vorgehen informiert. Ebenso sind wir mit dem Garantiefonds und den betroffenen Leistungsträgern in Kontakt, damit alle Daten einwandfrei übergeben werden können.»

Der Hinweis auf den Kontakt mit den Leistungsträgern ist wesentlich: Die offenen Kundenrückforderungen dürften letztlich der Reisecenter Plus AG das Genick gebrochen haben. Ein Fall, mit dem noch viele weitere Schweizer Reiseanbieter konfrontiert sein dürften. Christine Bucher erklärt: «Die Rückerstattungen der Leistungsträger liefen schleppend an, wurden dann aber im Sommer/Herbst grösstenteils erledigt. Auf einige warten wir aber noch heute. Viele Agenturen weltweit laufen ebenfalls am Limit und können die Rückerstattungen nicht leisten.»

Hierzu muss man festhalten, dass das Rückerstattungsthema in der Schweiz - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern - bisher eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Wer wann wem gegenüber welche Absicherungen zu leisten hat, muss dringend überarbeitet werden, wie bereits Garantiefonds-Chef Amos im Travelnews-Interview festhielt. Die Reiseunternehmen sehen sich im Unterschied zu anderen Härtefallbranchen nämlich nicht nur mit Umsatzausfällen und weiterlaufenden Kosten konfrontiert, sondern mit Rückzahlungsverpflichtungen, welche die Liquidität arg strapazieren - und dafür hat die Politik bislang keine genügenden Lösungen vorgelegt. Der «à fonds perdu» Covid19-Kredit von bis zu 500'000 Franken muss, das sei in diesem Zusammenhang erwähnt, keineswegs für Kundengeldrückzahlungen aufgewendet werden, sondern kann auch für die Deckung laufender Kosten aufgewendet werden.

(JCR)