Reiseanbieter

Die Reisegruppe von Procap im Sommer 2020 unterwegs in Magliaso statt wie geplant in Mallorca. Bild: zvg

«Kunden von uns im Rollstuhl konnten nicht mehr mitfliegen»

Nadia Imbaumgarten

Ist barrierefreies Reisen einfacher geworden? Travelnews hat bei Spezialist Procap Reisen nachgefragt und neben punktuellen Verbesserungen auch von einem Flugfrust erfahren.

Helena Bigler, Ressortleiterin Procap Reisen & Sport, erklärte Travelnews vor fünf Jahren, wie aufwändig es ist, ein Hotel zu finden, welches mehr als nur ein behindertengerechtes Zimmer zur Verfügung hat. Und heute? Hat sich die Reisewelt für Behinderte zum Guten verändert?

«Das Thema barrierefreies Reisen hat sich in der Schweiz, wie auch in ganz Europa, mehr etabliert und ist bestimmt ein grösseres Thema geworden. Jedoch klappt es in der Umsetzung, mit Hotels die mehrere behindertengerechte Zimmer anbieten, immer noch nicht ganz.» Doch Bigler kann erkennen, dass einige Hotels, die vorhin gar kein Zimmer für Menschen mit Behinderung angeboten haben, nach Hotelumbauten ein solches Zimmer eingerichtet haben. «Sind wir mit einer Gruppe unterwegs, so bleibt das Problem jedoch nach wie vor.»

«Die Philosophie von Procap ist, alles versuchen und unternehmen so lange es möglich ist»

Helena Bigler

Wie sich herausstellt, ist die Planung für Gruppenreisen mit mehreren Menschen mit einer Behinderung noch immer sehr herausfordernd. Jedoch ist Helena Bigler davon überzeugt, dass diese Zielgruppe dennoch nicht ganz vergessen geht. «Heutzutage kann man sich im Tourismus gar nicht mehr leisten, rein gar nichts für Menschen mit Behinderung zu unternehmen. Es fängt auf rechtlicher Basis an, hier sind alle Teilnehmenden die im Tourismus arbeiten gefordert, denn es gibt klare Gesetzte in der Schweiz.» Die Gruppe werde auch immer freundlich empfangen und die Arbeit der Betreuungspersonen geschätzt, wenn sie mit den Gruppen auf Reisen sind, erzählt uns Bigler erfreut weiter. «Schlussendlich müssen wir jedoch ehrlich sein: der Tourismus ist kein sozialer Bereich, sondern ein rein ökonomischer, in welchem das Geld diktiert.»

Um dies zu konkretisieren, erzählt sie uns ein spannendes Beispiel, welches diesen Sommer 2020 geschehen ist: «Mit der Swiss arbeiten wir sehr gut zusammen und wir können die Gruppen immer problemlos anmelden. Jetzt in der Krise hat aber die Swiss, um Geld zu sparen, kleinere Flugzeuge eingesetzt, was dazu führte, dass Kunden von uns, die mit dem Rollstuhl unterwegs sind, nicht mehr mit diesem Flugzeug mitfliegen können, da dieses Flugzeug den passenden Sitzplatz nicht verfügbar hat.»

Bigler erklärt weiter, dass die logische Folge, die Absage der Reise war. Hier könne man gut erkennen, dass Menschen mit Behinderung, vorallem während der Coronavirus-Pandemie, am Schluss der Kette stehen. «Natürlich haben wir Verständnis. Denn auch wir müssen finanziell schauen und das macht die Swiss nicht anders. Solche Änderungen fallen uns, die keine Sonderbetreuung benötigen, kaum auf. Jemand der aber im Rollstuhl sitzt, kann einfach nicht mitfliegen.» Die Information über solche Änderungen erhielt Procap Reisen jedoch immer genug früh, damit Alternativen gefunden werden konnten. Bigler zeigt sich dabei verständnisvoll und weiss die gute Kommunikation mit der Swiss zu schätzen.

Der neue Ferienkatalog von Procap ist da

Als wären diese Herausforderungen nicht genug, war das Procap Reisebüro diesen Sommer und Herbst genauso betroffen von den Restriktionen, Risikoländerlisten und den ständig ändernden Reisebedingungen. Dazu kam, dass Menschen mit Behinderung sehr schnell als Risikogruppe eingestuft worden sind. «Hier musste ich intervenieren und auch mal sagen, dass Behinderung nicht gleich Risikogruppe bedeutet.» Zudem schlossen auch Behinderteninstitutionen und Wohnheime, aus welchen viele Procap Kunden seien, die Türen, um die Menschen mit Behinderung keinem Risiko auszusetzen, erklärt uns Bigler.

«Wir mussten zwar diesen Sommer alle Auslandreisen absagen, haben aber ein grosses Angebot in der Schweiz zur Verfügung gestellt, welche alle ausgebucht waren. Ich habe mich sehr darüber gefreut.» Denn klar sei, dass Menschen mit Handicap nicht weniger den Drang zum Reisen spüren und das Fernweh genauso gross sei, wie bei Menschen die keine Behinderung haben, äussert sich Bigler. «Wir waren der Meinung, dass es auch für unsere Kunden möglich sein muss, unter Einhaltung der Schutzmassnahmen zu reisen.»

Neu präsentiert Procap Reisen den neuen Ferienkatalog «Barrierefrei Reisen, Ferien 2021». Der bunte und vielseitige Katalog verleiht erneutes Fernweh. «Abgesehen davon, dass wir die Destinationen angepasst haben, haben wir den Katalog so gestaltet, als wäre nichts. Denn wir wussten im August ja kaum, was uns im kommenden Jahr erwartet.» Im neuen Reisekatalog liege der Fokus mehr auf Ferien in der Schweiz oder anderen Länder in Europa. «Reisen wollen alle, das Fernweh ist nicht weg, wir müssen nur etwas anders Reisen», ist Bigler überzeugt. «Wir versuchen die nächste Saison so zu nehmen wie sie kommt. Wir sind etwas besser vorbereitet, da wir jetzt geübt haben. Die Philosophie von Procap ist, alles versuchen und unternehmen so lange es möglich ist.»