Reiseanbieter

Zu Beginn wurde das «annus horribilis» von Noch-Gruppen-CEO Thomas Stirnimann (ganz links) Revue passiert - im Beisein von (v.l.) Sebastian Kickmaier (Director TO Travelhouse), Nicole Pfammatter (Director Distribution & Marketing), Tim Bachmann (CEO Hotelplan Suisse) und Oliver Hiltpold (Director TO Hotelplan/Migros Ferien). Bild: JCR

«Hotelplan wird gestärkt aus der Corona-Krise heraustreten»

Jean-Claude Raemy

Hotelplan Suisse hat das vergangene Geschäftsjahr erwartungsgemäss tiefrot abgeschlossen und wird vorerst kleiner sein als bisher. Für die kommenden zwölf Monate rechnet der Schweizer Reiseveranstalter mit rund 50% des Umsatzes gegenüber dem Geschäftsjahr vor der Corona-Pandemie. Trotzdem war die Stimmung an der Jahresmedienkonferenz auch von Optimismus geprägt.

Dass die gesamte Reisebranche wegen der Corona-Pandemie massiv leidet, weiss inzwischen (hoffentlich) die ganze Schweiz. Aber wie stark sind die Auswirkungen auf das Geschäftsresultat konkret, und wie sind die Ausblicke auf das bevorstehende Wintergeschäft sowie auf das kommende Jahr allgemein?

Hotelplan Suisse war das erste grosse Reiseunternehmen, welches - bereits im Juni - konkrete Angaben hinsichtlich einer Restrukturierung mitsamt Filial- und Stellenabbau machte. Nun war Hotelplan Suisse auch das erste Unternehmen, welches sein erstes «Corona-Geschäftsjahr» offenlegte. Wobei das Geschäftsjahr 2019/2020 bei Hotelplan vom 1. November 2019 bis 31. Oktober 2020 dauerte, also zumindest die erste Jahreshälfte eigentlich noch weniger dramatisch aussah, da die Corona-Auswirkungen erst ab März 2020 richtig spürbar zu werden begannen. Trotzdem spricht Tim Bachmann, CEO Hotelplan Suisse, vom «herausforderndsten Geschäftsjahr» in der 85-jährigen Geschichte des Unternehmens: «Der Reisebranche wurde die Grundlage entzogen.»

War die Buchungslage zu Beginn «sehr erfreulich», kam Mitte März die Ernüchterung. In einem ersten Schritt mussten knapp 2000 im Ausland gestrandete Kunden in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zurück in die Schweiz geführt werden, wie Sebastian Kickmaier (Director TO Travelhouse) darlegte. Ein enormer administrativer Aufwand. Anschliessend erfolgte eine Annullationswelle eines noch nie dagewesenen Ausmasses. Nach den Grenzöffnungen in Europa Mitte Juni 2020 bestand kurzzeitig zwar wieder Hoffnung, dass der Schaden einigermassen in Grenzen gehalten werden könnte und dass Sommer- und Herbstferien im Ausland doch noch wie gewohnt möglich sein würden. Doch die Einführung der Risikoländerliste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) im Juli liess diese Hoffnung schnell verblassen. Die Buchungslage war seitdem «desolat», so Kickmaier.

Kunden wurden schadlos gehalten

Was heisst das nun unter dem Strich? Aufgrund von Einreiserestriktionen, Flugausfällen oder Flugplanänderungen sowie der Risikoländerliste des BAG musste Hotelplan Suisse seit Mitte März 2020 Reisen von rund 100’000 Kunden stornieren. Sehr viel Aufwand für sehr wenig Ertrag. Der Umsatzrückgang betrug gegenüber dem Vorjahr 65 Prozent - «mehrere Jahresgewinne gehen innerhalb eines Jahres verloren», so Bachmann zum Ergebnis.

Dank Migros als Aktionärin im Rücken hatte das Unternehmen jedoch zu keinem Zeitpunkt ein Liquiditätsproblem und konnte seine Pauschalreise-Kunden stets schadlos halten. «Wir haben sämtliche annullierten Pauschalreisen zeitnah rückerstattet. Die Rückerstattungen seitens der Leistungsträger – insbesondere der Airlines – ging bedauerlicherweise nur sehr schleppend voran. Deswegen verzögert sich leider auch die Auszahlung von Einzelleistungen an unsere Kunden», führt Bachmann weiter aus. Dennoch habe Hotelplan Suisse in der Krise seine Zuverlässigkeit und Kompetenz unter Beweis stellen können.» Es habe auch Dankesschreiben, etwa aus dem unabhängigen Vertrieb, gegeben. Man sei ein Dienstleister, der auch ehrlich kommunizieren wolle.

Bachmann führt weiter aus, wie die Reisebranche in den Fokus der Politik gerückt sei. Wichtig war die finanzielle Unterstützung und die Härtefallregelung; damit sei es jedoch noch nicht getan. Die Reform des Pauschalreisegesetzes sei ebenso ein wichtiges Anliegen wie eine bessere Absicherung der Kundengelder. Und auch gegen die Quarantäneliste gibt es noch eine Breitseite, zumal «der Nutzen der Reiserestriktionen nicht erwiesen ist.»

Nicole Pfammatter (Director Distribution & Marketing) spricht noch dazu, welche Massnahmen zur Abfederung der Krise in ihrem Bereich getroffen wurden. So wurden beispielsweise 15 Filialen temporär geschlossen, bis Ende Jahr, wobei geschaut werde, ob dies möglicherweise verlängert wird. Auch die Öffnungszeiten werden angepasst. Demgegenüber legt sie aber auch dar, dass der Betrieb eines grossen Filialnetzes weiterhin «zentral» sei und einem prioritären Kundenbedürfnis entspreche. Anhand einer Studie von Wundermann/Thompson zum E-Commerce aus diesem Jahr legt sie dar, wie zwar die Inspiration sehr stark online getrieben sei, jedoch der Hybrid-Anteil (Research/Purchase offline/online) weiterhin sehr stark sei (siehe Grafik unten).

Kaum verlässliche Prognosen möglich

Hotelplan Suisse ist überzeugt, dass die Nachfrage nach Ferien im Ausland wieder deutlich zunehmen wird, sobald ein Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden ist und die Einreiserestriktionen der verschiedenen Destinationen aufgehoben werden. Bezüglich Ersterem gab es jüngst positive Meldungen - Stichwort Pfizer-Impfstoff - während Zweiteres von der Entwicklung der Pandemie im Inland wie auch im Ausland abhängt, was kaum prognostizierbar ist. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es demnach kaum möglich, eine Prognose für das aktuelle Geschäftsjahr (1. November 2020 bis 31. Oktober 2021) abzugeben - obwohl sich Hotelplan Suisse in den vergangenen Monaten intensiv mit der voraussichtlichen Wiederaufnahme der Reisetätigkeiten im nächsten Jahr auseinandergesetzt und sich entsprechend auf den Neustart vorbereitet hat.

Bachmann geht zum aktuellen Zeitpunkt davon aus, dass rund 50 Prozent des Umsatzes gegenüber dem Geschäftsjahr vor der Corona-Pandemie (2018/2019) erzielt werden kann. Dies unter der Voraussetzung, dass das Reisen spätestens ab Frühling 2021 wieder deutlich «grenzenloser» möglich sein wird als jetzt. Etwas zuvor liess Thomas Stirnimann (CEO Hotelplan Group) durchblicken, dass man 2022 mit einem Umsatz um 20 Prozent unterhalb jenes von 2019 rechne. «Wir werden überleben, werden aber kleiner. Es braucht wohl 2-3 Jahre für eine vernünftige Erholung. Dazu bleiben die vorhandenen Challenges wie Brexit oder Klimadebatte bestehen.» Explizit sprach Stirnimann nochmals den Knatsch mit der Swiss an, dem «grössten Schuldner von Hotelplan», dessen verzögerte Rückerstattungen enorme Probleme schafften. Weiter kritisierte Stirnimann einerseits die immer wieder wechselnden Messages in den Medien sowie teils «hilflose Appelle und Ideen» auf Behörden- und Unternehmensseite.

In der aktuell äusserst volatilen Situation ist es folglich schwierig, Ferienpläne zu schmieden. Immerhin verzeichnet Hotelplan Suisse aktuell Buchungen unter anderem für Ferien auf den Kanarischen Inseln, den Malediven oder in Costa Rica. «Herr und Frau Schweizer sollen bereits jetzt von ihren nächsten Ferien im Ausland träumen. Unsere Mitarbeitenden in den Filialen stehen für entsprechende Beratungsgespräche jederzeit zur Verfügung. Wir empfehlen jedoch, die Buchung der nächsten Ferien möglichst kurzfristig zu tätigen», sagt Pfammatter. Denn aktuell gebe es tiefes Quarantäne-Risiko.

Pfammatter stellt zwei Trends fest: Bei eher Jungen ein «Kompensationsbedarf im alten Muster» - preisgetriebene Nachfrage nach Sonnenzielen - sowie aber auch ein «vorsichtiges Buchen» mit Hang zu kleineren Hotels und Zielen mit mehr Raum, also bisherige Nischendestinationen («Naxos statt Antalya»). Diesen Bedürfnissen optimal gerecht zu werden wird die grosse Herausforderung der nahen Zukunft sein.

Positiver Blick in die Zukunft

Trotz der zahlreichen Herausforderungen sieht Hotelplan Suisse der Zukunft optimistisch entgegen. Mit dem breiten Portfolio der Marken Migros Ferien, Hotelplan, Travelhouse und Tourisme Pour Tous decke das Unternehmen sämtliche Reisewünsche der Kunden ab und könne die Produktepalette entsprechend der Kundenbedürfnisse laufend ergänzen. Pfammatter glaubt an ein «Frühlingserwachen» und sieht ein spürbares Anziehen der Buchungen ab Frühjahr als realistisch an. Covid werde aber vorerst noch Teil des Alltags sein.

In Bezug auf die Arbeitnehmerschaft betont Bachmann, dass es aktuell «keine weiteren Abbau-Szenarien in der Schublade» habe, sprich, dass man sich bislang noch innerhalb des Szenarios bewege, welches im Juni definiert wurde, als die Entlassungen und Filialschliessungen gesprochen wurden. Es gebe keine Beschäftigungsgarantie, doch habe man aktuell noch Zeit abzuwarten, wie die nähere Zukunft aussieht. Obwohl der Zeitpunkt des Hochfahrens fast unmöglich vorauszusagen sei, gibt sich Hotelplan für ein neues Assessment in diese Richtung bis zu den Sportferien Zeit. Vorläufig bleiben alle Mitarbeitenden, sofern rechtens, in Kurzarbeit. Aktuell zählt Hotelplan Suisse noch rund 700 Mitarbeitende, auf Gruppenstufe sind es noch deren rund 2000.

Weitere Gründe für den doch positiven Ausblick bilden laut Bachmann der «Asset Lean Approach» des Unternehmens, die Einbettung in die diversifizierte Hotelplan Group und die gesicherte Liquidität («auch für sinnvolle Investitionen, darunter auch in Digitalisierung, Service und Qualität»). Bachmann betont, dass Hotelplan Suisse auch im nächsten Jahr und darüber hinaus ein verlässlicher Partner sein werde: «Unsere Aktionärin Migros hat uns für die nächsten Jahre ihre Unterstützung zugesprochen und wir sind überzeugt, dass wir gestärkt aus der Corona-Krise heraustreten werden. Wir arbeiten an der Zukunft.»