Reiseanbieter

SRV-Präsident Max E. Katz wird dieses Jahr lediglich virtuell zur GV empfangen können. Bild: JCR

Kommentar Elegant gelöst vom SRV

Jean-Claude Raemy

Der Schweizer Reise-Verband (SRV) stand seit Ausbruch der Krise im Kreuzfeuer der Kritik, zahllose Forderungen wurden an ihn getragen, in der nicht wie vorgesehen stattfindenden GV drohte eine Kampfwahl. In Sachen Wahlen hat der SRV-Vorstand nun eine elegante Lösung gefunden und konnte generell diverse Anliegen berücksichtigen, ohne überhastet alles auf den Kopf zu stellen. Eine Analyse.

Gestern Dienstag tagte der Vorstand des Schweizer Reise-Verbands (SRV) in Zürich, in den Räumlichkeiten der IST Höhere Fachschule für Touristik. Natürlich aus Platzgründen wegen den Corona-Auflagen, aber irgendwie auch symbolisch für eine bevorstehende Verjüngung des Gremiums. Diese Verjüngung dürfte in wenigen Wochen Tatsache sein, und dies ohne Kampfwahl und ohne Misstöne.

Inzwischen steht so gut wie fest, dass der SRV-Vorstand künftig wieder 11 Mitglieder haben wird. Bisher dabei und weiterhin in ihren Amtsperioden (also nicht zu Wiederwahl stehend) sind Präsident Max E. Katz, André Lüthi (Globetrotter), Dieter Zümpel (DER Touristik Suisse) sowie Natalie Dové (Nussbaumer Reisen). Zur Wiederwahl stellen sich Roger Geissberger (Knecht Reisen), Olivier Emch (Executive Travel SA) und Stéphane Jayet (VT Vacances). Zur Neuwahl stellen sich Tim Bachmann (Hotelplan Suisse) und Philipp von Czapiewski (TUI Suisse). Tim Bachmann will Hotelplan nach zwei Jahren Absenz wieder im SRV-Vorstand sehen; Philipp von Czapiewski will den Sitz von seinem eigenen Vorgänger Martin Wittwer belegen, welcher TUI Suisse und den SRV-Vorstand bereits im Frühjahr verlassen hat. Von Czapiewski hat sich bereits aktiv in der Taskforce Reisebranche eingebracht. Bachmann kann seinerseits den Sitz von Daniel Bauer (BTA First) einnehmen, welcher - ebenso wie David Léchot (Indalo Space) - auf eine Wiederwahl verzichtet.

Dass Bauer weicht, um Platz für den CEO zu machen, vor dem Hintergrund, dass es nicht zwei Vertreter desselben Unternehmens (in diesem Fall der Hotelplan Group) im Vorstand geben sollte, ist nur die halbe Wahrheit. Bauer ist seit 12 Jahren im SRV-Vorstand; davon zehn Jahre lang mit einem Vertreter auch von Hotelplan. Früher war die «Doppelbesetzung» auch nie ein Thema. Überdies bleibt Bauer dem SRV als Fachexperte Aus- und Weiterbildung erhalten. Auch das nicht aussergewöhnlich: Als das frühere Vorstandsmitglied Marcel Herter in den Ruhestand ging, blieb er ebenfalls als Fachexperte Flug dem SRV verbunden.

Und für Léchot hat der SRV gleich selber eine elegante Lösung gefunden: Der SRV hat Jacqueline Ulrich (L'Esprit du Voyage) angefragt und sie hat einer Kandidatur zugesagt. Sie bringt gleich alles mit: Eine Romande, aber perfekt zweisprachig, eine Frau, und - aus unserer Sicht am Wichtigsten - einen grossen beruflichen Erfahrungsschatz und eine starke Persönlichkeit. «On top» von alledem kommt nun noch die von der Aktion Mayday portierte Birgit Sleegers (Rhyner Travel), für welche es Platz gibt. Der Vorstand wird, sofern alle wie geplant gewählt werden, aus neu bzw. wieder 11 Mitgliedern bestehen (alle in fett markierten Personen), netto also +1 gegenüber dem Status Quo.

Die geforderte Balance wird da sein: 3 Romands (wie bisher), neu 3 (statt 1) Frauen, ein tieferes Durchschnittsalter (Sleegers und von Czapiewski sind noch keine 40), mehr Vertreter von «Kleinen», aber auch alle «Grossen» sind vertreten. Wobei die Grossen übrigens durchaus auch Retailer-Vertreter sind, was in der erhitzten Diskussion der letzten Monate jeweils fast unterging.

Zwei Forderungen weiter im Raum

Wie der SRV-Kommunikation von heute morgen zu entnehmen ist, stehen darüber hinaus noch zwei weitere Forderungen aus Mitgliederkreisen im Raum. Zum einen wird die Prüfung zur Schaffung einer «Fachgruppe Recht» gefordert. Der SRV empfiehlt dies zur Annahme. Wobei es sich hier wohlbemerkt erst um eine Annahme zur Prüfung handelt.

Die Frage stellt sich, ob es diese Fachgruppe wirklich braucht und wie sie denn bestückt sein soll. Rechtsfragen sind wichtig, keine Frage, aber in den meisten Fällen ziemlich ad-hoc. Mit Ausnahme der Überarbeitung des Pauschalreisegesetzes wurde in den letzten Jahren wenig über Rechtsfragen debattiert; der SRV hat aber in diesem besonderen Jahr eine Hotline für Rechtsfragen ins Leben gerufen, welche temporär von Reiserechts-Experte Rolf Metz besetzt wurde. Der springende Punkt: Zum einen arbeitet Metz nicht gratis. Zum anderen erschöpfen sich die Rechtsfragen relativ schnell bzw. können generell gefasst werden, also an eine gewisse Allgemeingültigkeit gebunden, so dass es nicht zwingend eine Taskforce braucht, die sich ganzjährig mit Rechtsfragen beschäftigt, sondern man wie bisher punktuell mit Rolf Metz oder einem anderen Anwalt verfahren kann. Oder anders formuliert: Eine kostenintensive Aufblähung der «SRV-Bürokratie» kommt wohl zu einem schwierigen Zeitpunkt, wo wegen schwindender Mitgliederzahlen (Filial- und Reisebüro/TO-Schliessungen!) und der angekündigten Halbierung der Mitgliederbeiträge fürs kommende Geschäftsjahr sehr vorsichtig budgetiert werden muss.

Und dann schreibt der SRV noch, dass es einen Antrag zur «Bildung einer Arbeitsgruppe über die zukünftige strategische Ausrichtung des Schweizer Reise-Verbandes». Travelnews weiss aus anderer Quelle, dass dieser Antrag aus der Ecke des Travel Trade Service (TTS) kommt. Es geht darum zu prüfen, wie sich der SRV künftig aufstellen soll und ob es - man hat diese Forderung hie und da schon gehört, gerade von TTS-Präsident Kurt Eberhard - ein «Dachverband» kreiert werden soll. Dass sich der SRV grundsätzlichen Fragen über seine zukünftige Ausrichtung oder auch Zusammenstellung setzen muss, ist richtig. Eigentlich ist dies doch aber ohnehin Aufgabe des Vorstands, das ist sogar statutarisch festgelegt. Wie jeder Vorstand muss sich der SRV-Vorstand über Strategie und Organisation Gedanken machen. Und SRV-Präsident Max E. Katz hat signalisiert, dass ihm durchaus bewusst ist, dass es Veränderungen in der Verbands-Landschaft braucht. Dabei wird sich der SRV jedoch kaum «wie die Sau durchs Dorf treiben lassen», um es mal salopp zu formulieren. Solche weitreichenden Veränderungen wollen wohl überlegt und aus eigener Kraft (und Überzeugung) initiiert sein. Der Inhalt des TTS-Antrags ist uns zwar nicht im Detail bekannt, jedoch hat der SRV deutlich gemacht, dass er hierzu einen Gegenvorschlag präsentiert. Da darf man gespannt sein.

Postalische Abstimmung

Sicher wird nun hinter den Kulissen noch da und dort lobbyiert. Doch eigentlich hat der SRV zumindest bei den Wahlen die Situation bereits entschärft, von den üblichen Traktandumspunkten dürften allenfalls noch das Budget 2021 sowie die oben besprochenen Anträge für etwas Diskussionsstoff sorgen (der wie üblich heiss erwartete Traktandumspunkt zum Durchführungsort der nächstjährigen GV entfällt dieses Jahr). Diskussionen, welche erstmals nicht im gewohnten GV-Rahmen mit seinen exzellenten Networking-Möglichkeiten geführt werden, sondern alles nur virtuell.

Die Unterlagen erhalten die SRV-Mitglieder in Kürze. Man kann sich das so vorstellen wie bei einer normalen Abstimmung. Man kann dann Wahlzettel ankreuzen und bei Stimmzetteln Ja, Nein oder Enthaltung eingeben. Eingereicht wird alles per Post. Ausgewertet wird dies dann beim SRV, welcher anschliessend im Rahmen einer Online-Konferenzschaltung die Traktanden durchgeht und die Abstimmungsresultate vorliest; Rückfragen dazu aus der Teilnehmerschaft sollen möglich sein.

Gewinnt die GV dadurch eine andere Dynamik? Zuhause am Schreibtisch agiert man nicht selten anders als im öffentlichen Rahmen einer GV. Und ja, die «Kleinen», welche besonders vokal waren in ihrer Kritik am SRV-Vorstand, haben vereint klar mehr Stimmen als die Grossen. Die Frage ist, ob das überhaupt noch eine Rolle spielt. Die Anliegen nach mehr unabhängigen Retailern sowie mehr Frauen im Vorstand wurden bereits berücksichtigt; es liegt nun an diesen, Vorhaben einzubringen, welche im Sinne der Unabhängigen sind. Über die generelle Neuorientierung des Verbands kann man dann auch diskutieren - aber von innen her. Eine Umkrempelung der Verbandslandschaft kann und darf kein Schnellschuss sein. Man sollte auch nicht vergessen, dass der SRV als einziger Verband im Lehrlingswesen akkreditiert ist. Und dass die oft bescholtenen «Grossen» über 80 Prozent der Reisebranchen-Lehrlinge ausbilden. Sie leisten damit indirekt auch für die «Kleinen» einen unschätzbaren Beitrag, der dazu durch Verbandsarbeit begleitet wird.

Es ist zu hoffen, dass nun die Weichen gestellt werden, dass es wieder mehr dringlich benötigtes «Miteinander» in der Reisebranche gibt , mit Berücksichtigung diverser Anliegen auf Augenhöhe und respektvollem Umgang. Unter dem Strich sitzen nämlich alle im selben, derzeit sehr stark wackelnden Boot.