Reiseanbieter

Fernanda Barrance-Mutz und ihr Team von The Trip Boutique schneidern personalisierte Citytrips. Bilder: TTB

The Trip Boutique plant die Städtereise von morgen

Gregor Waser

Dass der aktuelle Reisestillstand für das Vorwärtsbringen eines Geschäftsmodells genutzt werden kann, zeigt The Trip Boutique. Seit heute arbeitet das Zürcher Startup eng mit einer Stadt zusammen.

Die Reisetrends von morgen aufnehmen und in ein neues Business Modell einfliessen lassen, wollten schon viele. Bei den weitverbreiteten Startup-Pitches im Rahmen von Reisemessen oder Kongressen fallen oft ähnliche Formeln und Vokabeln.

Nach dem Gespräch mit Fernanda Barrence-Mutz, CEO und Mitgründerin des Zürcher Jungunternehmens The Trip Boutique, bleibt der Eindruck haften: hier arbeiten rund zehn Leute an einem Konzept, das künftig für Furore sorgen könnte. Hinzu kommt: drei Investoren aus der Branche haben im August 2020 The Trip Boutique finanziell den Rücken gestärkt und somit den weiteren Firmenaufbau sichergestellt: Orascom- und FTI-Hauptaktionär Samih Sawiris, Susanna Lemann (Matueté, Lemann Foundation, Roger Federer Foundation) und die ehemalige Booking-Direktorin Elisabeth Stevens.

Personalisiertes In-Destination-Erlebnis

Was macht The Trip Boutique genau? Ausgeklügelte, massgeschneiderte Städtetrips. Die Kunden erstellen online in wenigen Minuten ein persönliches Reiseprofil. Daraus wird das individuell optimale Reiseprogramm zusammengestellt, unterstützt von lokalen Insidern vor Ort, den City-Kenntnissen des Trip Boutique-Teams und Künstlicher Intelligenz.

«Die Buchung des Fluges oder des Zuges überlassen wir vorerst dem Kunden», erläutert Fernanda Barrence -Mutz, «wir kümmern uns um das gesamte In-Destination-Erlebnis, sei es das passende Hotel, die gewünschten Restaurant- und Event-Buchungen, aber auch um Ausflüge, Shopping, Kultur – massgeschneidert auf den individuellen Kundenwunsch und die geäusserten Präferenzen».

Auf das Verdienstmodell angesprochen, erklärt sie weiter: «Wir verrechnen dem Kunden eine Beratungsgebühr, aktuell zehn Euro pro Reisetag, wobei eine Vorselektion zum Kennenlernen immer kostenfrei ist. Weiter verdienen wir auch an Kommissionen von Hotels und anderen Buchungen.» Sie unterstreicht aber, dass die Empfehlungen unabhängig erfolgen von allfälligen Kommissionen. Eine dritte Einnahmequelle stellt das B2B2C-Konzept dar. Zum Beispiel arbeitet The Trip Boutique mit dem Timesharing-Unternehmen Hapimag.

«Wir sind als junges Unternehmen weiterhin flexibel, uns neuen Modellen zu öffnen und zu experimentieren» erläutert sie. «Wovon wir sicher sind, ist das Personalisierung in der Reiseindustrie an Bedeutung zunehmen wird – ähnlich wie Spotify, Netflix und Outfittery die Personalisierung in ihren Branchen vorantreiben »

Neue Zusammenarbeit mit VisitOSLO

Aktuell angeboten werden sieben Reiseziele: Zürich, Paris, Berlin, London, Lissabon, Kopenhagen und Helsinki. Weitere Ziele wie Barcelona, Amsterdam, Madrid, Prag, Athen, Wien und Mailand liegen bereits in der Pipeline. Und diese Woche startet The Trip Boutique sogar die Destination Oslo in Zusammenarbeit mit VisitOSLO, dem Tourismusverband der norwegischen Hauptstadt.

Auch für die Destination Management Organization VisitOSLO öffnet sich ein vielversprechender Ansatz. «Wir haben einen langfristigen Blickwinkel und möchten innovative Modelle wie jenes von The Trip Boutique testen, um uns für die Post-Pandemie-Welt vorzubereiten», sagt Anne-Signe Fagereng, Marketingdirektorin von VisitOSLO. «Reisende werden künftig mehr Orientierungshilfe vor Ort wünschen wie auch eine verbesserte Qualität ihres Aufenthalts».

Das nun mit VisitOSLO erstmals eingeführte Partnerschaftsmodell plant The Trip Boutique mit weiteren Destinationen einzugehen. «Wir wollen uns künftig vermehrt auch auf aufstrebende Städte und Geheimtipps konzentrieren», verrät Fernanda Barrence-Mutz. Offen ist noch, ob eines Tag mal ganze Regionen oder kleinere Destinationen angeboten werden.

Sechs der zehn Mitarbeitenden von The Trip Boutique arbeiten am Zürcher Sihlquai im Impact Hub, vier weitere in Kiew.

Doch wie verbringt das Team von The Trip Boutique die aktuellen Monate des Reisestillstandes? «Natürlich hoffen wir auch, dass bald wieder gereist werden kann. In der aktuellen Phase des Firmenaufbaus haben wir aber weiterhin alle Hände voll zu tun», sagt die aus São Paolo stammende Firmen-Mitgründerin. «Wir verbessern kontinuierlich unsere Technologie, Empfehlungs-Algorithmen und Produkte. Gleichzeitig nehmen wir neue Destinationen, lokale Insider, Partner und hippe Locations vor Ort auf. Wir machen uns bereit, mit mehr Destinationen und besseren Services noch relevanter zu werden für den Zeitpunkt, wenn das Reisen wieder losgeht».

Eine Entwicklung, die The Trip Boutique in die Karten spielt: Overtourism hat in den letzten Jahren viele Städtereisende abgeschreckt, sie möchten viel lieber überraschende Boutiquen, Galerien und Bars in Hinterhöfen erleben als überlaufene Sehenswürdigkeiten. Und die Corona-Krise dürfte das Bedürfnis nach Sicherheit und einem von Insidern organisierten Städteerlebnis ebenfalls erhöhen.