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Thomas Stirnimann beantwortete am STC-Event im Hotel Schweizerhof die zahlreichen Fragen der Moderatoren Dominik Buholzer und Vanessa Bay zur Krise und Zukunft der Branche. Bild: TN

«Jetzt bringt es nichts, den Kunden Reisen zu verkaufen»

Gregor Waser

Thomas Stirnimann, scheidender CEO der Hotelplan Group, nahm am Networking-Talk der Swiss Travel Communicators ausführlich Stellung zu seinem Rücktritt und den grossen Problemen der Reisebranche.

Zur Wiederaufnahme des ersten physischen Events seit dem Lockdown luden die Swiss Travel Communicators gestern Abend Thomas Stirnimann ein. Der scheidende CEO der Hotelplan Group beantwortete im Hotel Schweizerhof in Zürich beim einstündigen Networking-Talk zahlreiche Fragen ohne Umschweife: zum Wieso und dem Zeitpunkt seines Rücktritts, wie schlimm sich die Krise auf Hotelplan und die Partner vor Ort auswirkt, ob die Gefahr besteht, dass es zu weiteren Thomas-Cook-Fällen kommt und wie das Reisebüro der Zukunft aussehen wird. Moderiert wurde der Abend von den STC-Vorstandsmitgliedern Dominik Buholzer und Vanessa Bay.

«Der Zeitpunkt meines Rücktritts mag gegen aussen überraschend sein, selber habe ich mich schon länger damit beschäftigt – seit Juni 2019. Ich musste mir überlegen, werde ich bei Hotelplan pensioniert oder nicht und ich habe mich für das zweite entschieden», sagte Stirnimann zum Zeitpunkt seines operativen Austritts Ende Jahr bei Hotelplan. «Ich möchte nochmals etwas Neues machen nach 25 Jahren bei Kuoni und 15 Jahren bei Hotelplan. Es ist jetzt Zeit für mich, Platz zu machen für frische Kräfte».

Seine Nachfolgerin Laura Meyer bezeichnet Thomas Stirnimann als digitale Spezialistin, das Thema sei in der Reisebranche ein zentrales Thema. Sie sei dabei als Verwaltungsrätin bisher schon die Sparringpartnerin gewesen für neue Ideen und Weiterentwicklungen. Auf fehlende Tourismuskenntnisse Meyers angesprochen, sagt Stirnimann, sie sei schon zweieinhalb Jahre im Unternehmen, kenne vielleicht die Branche noch nicht so gut, doch die Krise sei auch eine Chance für jemanden, der von aussen komme. Es dürfte nun ja zu einer Art Restart kommen.

Dazu äusserte sich Stirnimann auch im fünfminütigen Video-Interview, das wir im Anschluss an den STC-Talk führten:

Ob denn Hotelplan nun eine Digitalspezialisten an die Spitze hole, weil da etwas verschlafen ging, lautete eine weitere Frage der STC-Moderatoren. «Nein, Hotelplan hat nichts verschlafen und ist führend bei diesem Thema. Wir haben sehr früh und konsequent auf die Digitalisierung gesetzt. Und auch schon vor Laura Meyer hatten wir mit Michael Kalt einen Digitalspezialisten im Verwaltungsrat».

Auf die zahlreichen Wechsel und Personalabgänge bei Hotelplan wurde Stirnimann ebenso angesprochen. Dazu sagte er: «Der Tourismus hat grundsätzlich eine hohe Fluktuation. Die Branche ist unter Druck. Man muss akzeptieren, dass sich Leute andersweitig orientieren.»

Und ob denn nun in der aktuellen Situation ein zweiter Thomas-Cook-Fall möglich ist? «In der Branche schon, aber nicht bei Hotelplan», so Stirnimann. «Es ist ein Privileg, dass Hotelplan einen einzigen Aktionär hat, die Migros. Wir sind ein fest verankertes Unternehmen in der Migros-Genossenschaft. Dieses Jahr ist ein katastrophales Jahr für die gesamte Branche. Wir haben im Vergleich zu anderen Tourismusunternehmen aber keine Assets wie Hotels oder Agenturen vor Ort.» Zwar sei auch im nächsten Jahr erneut mit einem Verlust zu rechnen – dies sei gar nicht anders möglich. Das Wintergeschäft existiere praktisch nicht, die Hoffnung liege auf dem Sommer. Dank der nun wesentlich besseren Kostenbasis werde es aber nicht mehr so schlimm wie 2020.

Wie lange dauert diese Krise noch?

«Wir haben de facto aktuell ein Reiseverbot in fast 70 Länder. Flugzeuge heben wieder weniger oft ab, die zögerliche Erholung stoppt wieder. Das ist tragisch für die Reisebranche, aber unter Null kann es ja nicht gehen. Aber Geschäfts- und Freizeitreisende möchten reisen. Einen Zeitpunkt zu nennen, wenn es wieder aufwärts geht? Wer kann das. Wahrscheinlich wird erst Ruhe einkehren mit einem Medikament. Im Frühling 2021?»

Interessant waren dann auch Stirnimanns Aussagen dazu, was die Krise für Hotelplan im Alltag bedeutet: «Jetzt bringt es nichts, den Kunden Reisen zu verkaufen. So absurd das klingen mag, aber wenn nun jemand im Februar nach Südafrika reisen will, sagen wir: warten Sie ab. Wir wissen nicht, ob dann überhaupt geflogen wird und die Grenzen offen sind.» Es sei eigentlich verrückt nun sagen zu müssen, «warten Sie bis zwei Wochen vor Abflug und dann schauen wir was möglich ist». Dies liege nicht in der DNA von Reiseprofis, «das widerstrebt uns allen. Wir hatten diesen Sommer aber Dossiers, die wir acht oder neun Mal in die Finger nahmen – ein Riesenfrust für unsere Mitabeiter und die Erfolgsrechnung.» Die fehlende Planungsgrundlage sei Gift. «Das Gescheiteste ist, dass wir uns nun in die Winterruhe verabschieden und warten, bis sich die Rahmenbedingungen verbessern.»

Zur möglichen Schliessung grosser Reiseveranstalter sagt er: «Dies ist nicht auszuschliessen. Die Lage ist ernst – für Reiseveranstalter, für Reisebüros, für Hotelketten, für Reedereien, für Fluggesellschaften. Die getätigten Verschuldungen sind eigentlich fast nicht mehr zu stemmen in Zukunft.» Ein solches Debakel habe es noch nie gegeben und werde es hoffentlich auch nie mehr geben.

Auch auf die Zukunft und Berechtigung von Reisebüros wurde der Hotelplan-Chef befragt. Dazu sagte er: «Eine Daseinsberechtigung für ein Reisebüro ist nur dann gegegeben, wenn es Kompetenz vermitteln kann und Service bieten kann. Leider ist das nicht mehr überall gegeben, das hat auch damit zu tun, dass die Branche zu wenig gute Löhne zahlen kann. Ein Reisebüro, das noch bestehen will, muss aber Expertise haben und einen überdurchschnittlichen Service mit Geschwindigkeit und Effizienz kombinieren. Man tritt gegen das Internet an. Der Kunde, der etwas sucht, der war schon im Internet. Während der Beratung zu sagen, ich muss dies erst noch schnell googeln, reicht nicht.» Dieser Herausforderung müsse sich ein Reisebüro stellen.