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Vinzenz Greger, Managing Director der HC Touristik GmbH, ist überzeugt: «Die Freiheit, die wir dem Kunden mit unserem Flex-Produkt geben, wird ihn langfristig an uns binden.» Bild: HolidayCheck

«Gut 30 Prozent unserer Flex-Buchungen sind Buchungen fürs nächste Jahr»

Jean-Claude Raemy

Im Interview erklärt Vinzenz Greger, Managing Director der HC Touristik GmbH, was es mit dem neuen Produkt «HolidayCheck Flex», das Pauschalreise-Buchungen mit kostenfreier Stornomöglichkeit bis kurz vor der Abreise ermöglicht, auf sich hat und wohin die Firma mit diesem Produkt noch will.

Letzte Woche lancierte die in Bottighofen TG domizilierte HolidayCheck ein aufsehenerregendes Produkt: Unter «HolidayCheck Flex» können Pauschalreisen gebucht werden, für die keine Anzahlung geleistet werden muss und die ohne Angabe von Gründen bis sechs Tage vor Abreise storniert werden können. Wie ist ein solches Produkt überhaupt möglich? Dazu haben wir das Gespräch mit Vinzenz Greger, seit Februar 2019 Managing Director der HC Touristik GmbH, gesucht und interessante Einblicke in die Automatisierung und damit in die Zukunft der Pauschalreise erhalten.


Herr Greger, HolidayCheck Flex ist ein durchaus spannendes Produkt, das es in dieser Form auf dem Markt noch nicht gibt. Was war die Idee dahinter?

[Vinzenz Greger] Die Idee ist bei uns eigentlich nicht neu. Wir haben schon vor eineinhalb Jahren überlegt, was wir als relativ neuer Veranstalter anders und besser machen wollen als die etablierte Konkurrenz. Es war klar: Wenn wir das machen, was alle machen, braucht es uns nicht. Es lag dann nahe, auf die bestehenden Werte von HolidayCheck zu bauen, und bei uns lautet die Vision, dass wir das Urlauber-freundlichste Unternehmen der Welt werden wollen. Als wir dann verschiedene Eigenschaften der Pauschalreise diskutierten, stiessen wir schnell auf Verbesserungspotenzial. Die Pauschalreise ist grundsätzlich ein kundenfreundliches Produkt, weil sie gesetzlich klar geregelt ist und viele Aspekte davon den Kunden schützen, aber einige Punkte haben sich in der Branche etabliert, ohne einen Vorteil für Kunden zu bieten. Einer davon war die Anzahlung, ein weiterer die Stornogebühr.

Damals machten wir dann ein Benchmarking. Und ich war ja damals noch recht neu in der Reisebranche. Es fiel auf, dass es nicht besonders kundenfreundlich ist, wenn bei Storno einer Reise teils bis zu 90 Prozent oder mehr der Reisekosten als Stornogebühr anfallen. Wir haben natürlich auch nicht sofort eine Lösung präsentieren können - man muss eine Lösung, die diese Punkte anders regelt, technisch leisten sowie auch ökonomisch abbilden können. Wir haben dann aber durch die Covid-Krise gemerkt, dass das Bedürfnis nach mehr Flexibilität und mehr «monetärer Sicherheit» bei den Kunden stark gestiegen ist. Die Unsicherheit ist ein grosses Hemmnis für die Branche, deshalb haben wir dann mit der Lancierung des neuen Produkts Gas gegeben.

Es hat auch Gründe, weshalb sich dies so etabliert hat in der Reisebranche. Die Anzahlung muss ja bei Flügen oft früh geleistet werden; im Hotelsektor gibt es inzwischen recht flexible Stornoregelungen. Wie kriegen Sie das unter einen Hut? Macht HolidayCheck Vorkasse für den Kunden?

Ich muss hier anmerken, dass die meisten Veranstalter ein grösseres Flugportfolio haben. Auch wir bedienen uns aus einem grossen Pool an Partnern. Diese haben unterschiedlichste Angebote und Tarife. Es ist in der Branche üblich, dass es Tarife gibt, die man sofort bezahlen muss, aber auch solche, bei denen man erst kurz vor Abflug bezahlt. Gleichermassen gibt es Tarife, die relativ flexibel sind und andere, bei denen bei einer Stornierung sofort 100% der Kosten anfallen.

Wir haben nun eine technische Lösung erstellt, die es uns erlaubt, während dem Prozess der Paketierung zu verstehen, was wir dem Kunden gerade ausspielen. Ist es ein Bündel an Tarifen aus Flug und Hotel, das wir ökonomisch abbilden können, oder ist es ein Tarif, bei dem wir im schlimmsten Fall 100% der Stornokosten tragen müssen? Wir bewegen uns zwischen den Extremen, also null Stornokosten oder 100% Stornokosten. Mit anderen Worten: Die Technik erlaubt hier Graustufen und hilft bei der Entscheidung, ob wir ein bestimmtes Produkt als Flexprodukt bündeln können oder nicht.

Ein kalkuliertes Risiko?

Genau. Es ist natürlich auch schon vorher für jeden Veranstalter ein kalkuliertes Risiko, das in den AGBs jeweils unterschiedlich aufgefangen wird. Aber wenn man die einzelne Reise betrachtet, ist es immer ein Bündel an Leistungspaketen, die unterschiedlichen Tarifbedingungen unterliegen, und daraus macht man dann eine Mischkalkulation. Man hört, dass einige Veranstalter an den Stornogebühren sogar Geld verdienen. Das ist sicher nicht unsere Denke. Wir wollen die ökonomischen Vorteile an unsere Kunden durchreichen. Dies auch, weil ein theoretischer Vorteil nichts bringt, wenn der Kunde gar nicht bucht. Wir reichen also alle Vorteile weiter, um die Hemmschwelle für eine Buchung zu senken.

Was für uns und unsere Partner spannend ist, ist das Kundenbindungspotenzial. Natürlich haben wir ein Risiko, weil der Kunde jederzeit stornieren kann, bis sechs Tage vor Abreise. Er kann zum Beispiel auch stornieren, weil er dasselbe Produkt anderswo billiger gesehen hat. Das heisst, er kann auf lange Sicht eine Reise buchen, ohne sich früh Gedanken machen zu müssen, in welche Probleme er hineinläuft, falls er doch noch stornieren will oder muss. Die Freiheit die wir ihm damit geben, wird ihn langfristig an uns binden.

Die Kundenbindung wird höher gewichtet als das finanzielle Risiko?

Unsere Technik erlaubt es uns, ein kalkulierbares Risiko einzugehen. Sehen Sie, wenn wir ein kundenfreundlicher Veranstalter sein wollen, der Kunden langfristig binden kann, dann wird das nicht funktionieren, wenn der Kunde das Gefühl hat, er habe zu viel bezahlt. Oder wenn wir ihn nicht aus dem Vertrag rauslassen. Deswegen sind wir da recht offensiv unterwegs.

«Wir reichen alle Vorteile weiter, um die Hemmschwelle für eine Buchung zu senken.»

Aber laufen Sie nicht Gefahr, in immensen administrativen Aufwand zu laufen? Ich kann bei ihnen buchen, wieder stornieren, wieder buchen, wie es mir passt. Da steckt doch auch Arbeit bei Ihnen dahinter. Ist das machbar bei einem komplexen Produkt wie dem Reisen?

Eine Grundvoraussetzung bei uns ist es, dass alles was unser Team entwickelt, gut skalierbar ist. Wir haben mit einem sehr kleinen Geschäft angefangen; wenn wir nun in die Grössenordnung von mehreren hundert Millionen Franken Umsatz im Jahr stossen, dann dürfen wir nicht Tausende Leute brauchen, um das Geschäft abzuwickeln. Wir stellen gerne Leute ein, aber Personal kostet Geld, was letztlich in die Preise für den Urlauber einfliesst.

Das hat man jetzt in der Covid-Krise gemerkt: Die Rückabwicklung der Reisen ist sehr schmerzvoll, denn niemand verdient etwas, bei hohem Aufwand, und möglicherweise entstehen auch Fehler. Deshalb wollten wir von Anfang an die mit dem Flex-Produkt verbundenen Prozesse maximal automatisieren. Dadurch, dass wir alle Systeme von Grund auf neu gebaut haben, haben wir dies erreichen können.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Vor zwei Wochen haben wir das entscheidende Element live genommen: Ein Serviceportal, bei dem sich der Kunde einloggen und in wenigen Clicks seine Reise selbständig stornieren kann. Man kennt das von anderen Plattformen wie Zalando oder Ebay: Wenn man etwas nicht mehr will, kann man es wegclicken und das System wickelt alles zurück ab. Dabei ist es wichtig, die Kosten gering zu halten. Ich denke, das ist uns gelungen. Will heissen: Wenn wir hohe Stornoquoten haben, dann dürfen diese uns ökonomisch nicht belasten. Das gilt für uns wie für die Partner. Die Softwares müssen miteinander reden.

Hat sich denn ihr Partnermix durch die Lancierung des Flex-Produkts geändert?

Es gab schon Verträge, die so etwas von Grund auf zuliessen. Aber wir hatten auch klar das Ziel, den Content grösser zu machen. Dies aber mit klaren Zielen. Es ist einfach so: Wir können nicht für jede Anfrage ein Flex-Produkt anbieten. Wir können das in rund zehn Prozent der Fälle, aber natürlich hätten wir gerne 100 Prozent. Das liegt, wie vorhin bereits diskutiert, hauptsächlich am Flug-Anteil. Im Hotelbereich haben wir, übrigens sehr erfolgreich, bereits seit der Lancierung unseres Reiseveranstalters die Flex-Reise drin. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.

Nun haben wir mit diversen Flug-Partnern in den letzten Wochen das Gespräch gesucht. Diese haben ja auch die Problematik, dass sie bereits fürs nächste Jahr die Flieger füllen wollen. Es gibt aber immer noch die Gefahr, dass Covid einen Strich durch die Rechnung machen kann. Deshalb gehen die Gespräche dahin, dass das End-to-End-Produkt optimal für alle Beteiligten sein soll. Wie muss es gestaltet sein? Natürlich darf man die Risiken nicht ausblenden. Ich denke aber auch, dass bei Endkunden für die nun gebotene Flexibilität möglicherweise eine Bereitschaft da ist, etwas mehr zu bezahlen.

«Wir wollten von Anfang an die mit dem Flex-Produkt verbundenen Prozesse maximal automatisieren.»

Sie wollen das Flex-Produkt mit einem Preispremium anbieten?

Nein gar nicht. Wir gehen mit kompetitiven Preisen rein. Dies weil wir natürlich möchten, dass das Produkt eine sehr hohe «adoption rate» zeigt, also gut ankommt und auch unsere Marke stärkt.

Aber viele Kunden kaufen doch ihre Reisen teils selber aus einzelnen Komponenten ein. Muss man denn die Pauschalreise revolutionieren?

Die Pauschalreise existiert schon sehr lange und hat sich bisher nicht wesentlich verändert. Wie kann man diese nun modernisieren? Wir stellen einfach fest, dass es einerseits bei vielen Leistungsträgern, ob Airline oder Hotel, einen Direct-to-Consumer-Trend gibt, der eben auch verstärkt hat, dass Kunden öfter Komponenten selbst direkt gebucht haben. Das hat sich nun aber in vielen Fällen während der Covid-Krise gerächt. Die Nachteile der eigenen Buchung wurden deutlich, bzw. die Vorteile der gesetzlich regulierten Pauschalreise. Unsere Idee ist nun, diese beiden Ansätze zusammenzuführen, also das Beste aus zwei Welten zu bieten.

Es ist natürlich nicht einfach, technische oder ökonomische Hürden zu überwinden. Ich glaube, es ist ein Vorteil von uns, viele Entwickler zu haben, die eben nicht aus der Reisebranche sind und hier einen frischen Ansatz an den Tag legen, und eben auch nicht auf relativ alten Technologien aufbauen bzw. diese erweitern müssen.

Ihre neue Buchungs-Software wurde komplett inhouse erstellt?

Ja, zunächst arbeiteten wir mit einer Standard-Paketierungs-Software, von Peakwork. Das war hilfreich, um schnell Produkte in den Markt zu bringen, aber wir waren damit nur so gut wie unsere Mitbewerber. Wir haben dann recht früh die Initiative ergriffen, um selbst etwas zu entwickeln, das vom Standard abweichen sollte. Das war natürlich mit hohen Hürden verbunden, finanziell und auch zeitlich. Wir haben es aber letztlich geschafft, eine hochgradig spezialisierte Paketierungssoftware selbst zu erstellen.

Wie meinen Sie «hochgradig spezialisiert»?

Unsere Paketierung kann einige Dinge sehr gut, andere Dinge aber gar nicht. Zum Beispiel sind wir an den stationären Handel überhaupt nicht angebunden. Diese Paketierungssoftware speist nur eine Vertriebsplattform, und zwar HolidayCheck. Das ist eine grosse Einschränkung, mit welcher wir aber gut leben können. Es hat uns etwa erlaubt, relativ schnell ein Produkt zu entwickeln, das in der obersten Liga mitspielen kann. Dann haben wir angefangen, Eigenschaften zu integrieren, die über das hinausgingen, was man mit der Standardlösung machen konnte.

Zum Beispiel?

Etwa den Privattransfer. Wir haben es den Kunden ermöglicht, diesen sehr individuell gestalten zu können. Im Reisebüro kann ich solche individuelle Transfers einfach buchen, auf Online-Plattformen ist es bislang nicht so gut oder vielseitig möglich. Dadurch, dass wir die Paketierung inhouse haben und stets im direkten Kontakt mit Leistungsträgern sind, ist es uns möglich, einen gewissen «Freiheitsgrad» einzuführen. Wir hatten früh gelernt, dass gerade beim Thema «Transfers» oft etwas schiefgeht - in einer von sechs Beschwerden ist der Transfer das grosse Problem. Deshalb sind wir dieses Thema früh und dezidiert angegangen.

«Die Paketierungssoftware speist nur eine Vertriebsplattform, und zwar HolidayCheck.»

Wurden auch die Entwicklungskosten vollständig inhouse getragen?

Ja. Zu den Entwicklungskosten äussern wir uns nicht näher. Aber ich kann anfügen, dass man für sowas nicht 20 Entwickler haben muss. Wir konnten auf erfahrene Entwickler zugreifen und es war auch ein Vorteil, dass wir in der Familie von HolidayCheck sind und da Synergien nutzen konnten. Neu war, das Ganze «end-to-end» zu machen, also bis zum Leistungsträger durch zu konnektieren.

Ist es auch angedacht, die Software irgendwann zu verkaufen?

Ich glaube, dass dies kurzfristig nicht zielführend wäre. Die vorhin genannten Einschränkungen, etwa hinsichtlich der fehlenden Anbindung an den stationären Vertrieb, sind elementar. Für viele andere Veranstalter ist das nicht interessant. Aber ja, wir sind offen, darüber zu diskutieren.

Sprechen wir noch über die Skalierbarkeit des Flex-Angebots. Aktuell bieten Sie das Produkt erst für Reisen in die Türkei, nach Ägypten und Griechenland an. Dabei wird es wohl nicht bleiben?

Natürlich nicht. Das nächste Ziel ist es, Angebote im ganzen Mittelmeerraum zu bieten. Dass jetzt diese Länder lanciert wurden, hat damit zu tun, dass die Sommersaison in vielen Ländern mehrheitlich schon gelaufen ist, dort noch nicht. Das

Wir sind im Prinzip bereit, auch Reisen für Ziele wie Spanien, Portugal oder weitere im kommenden Jahr anzubieten. Was wir zum jetzigen Zeitpunkt noch brauchen, ist eine grössere Auswahl an Flügen. Das ist noch der Knackpunkt: Es braucht eine grössere Vielfalt beim Flug-Content. Langfristig möchten wir dann auch Langstreckenprodukte so anbieten, das ist aktuell wegen Covid aber noch kaum ein Thema; technisch wäre es machbar. Wir sind aber schon ordentlich aufgestellt und es gibt für 2021 schon einige Verfügbarkeiten.

Lässt sich «ordentlich aufgestellt» irgendwie in Zahlen belegen?

Durchaus. Gut 30 Prozent unserer Flex-Buchungen sind Buchungen fürs nächste Jahr. Das ist erfreulich viel, denn was aktuell an Buchungen reinkommt, sind - nicht nur bei uns - schwerpunktmässig Reisen mit Abreise innerhalb der kommenden 14 Tage. Für uns heisst das, dass viele Kunden den von uns mit dem Flex-Produkt gebotenen Vorteil verstehen.

Aber wie kommen die Kunden überhaupt auf HolidayCheck?

Wir müssen das noch viel klarer an potenzielle Kunden ausspielen, d.h. wir müssen uns im Marketing verbessern. Das ist unsere Hausaufgabe bis zur kommenden Hauptbuchungssaison. Es ist wichtig, dass Kunden wissen, dass ein solches Produkt überhaupt existiert. Wir erhalten manchmal Anrufe von Personen, die nachfragen, ob dieses Produkt in der Form tatsächlich buchbar ist, denn es klinge zu schön, um wahr zu sein... Man kann überdies auch Kunden, die eine Reise zu einem bestimmten Zielort «herkömmlich» buchen, darauf hinweisen, dass es auch die Flex-Möglichkeit gibt.

Unter dem Strich wünsche ich mir, dass wir über die Qualität des Produkts wahrgenommen werden. Die Pauschalreise wollen wir so entwickeln, dass die Kunden nicht einfach nur über den Preis entscheiden, sondern eben über die mit dem Produkt verbundenen Vorteile. Den stets tiefsten Preis zu haben sorgt ja in der Regel nicht dafür, dass ein Produkt über Dauer besser wird. Das billigste Produkt nützt mir auch nichts, wenn ich nicht fliegen kann und dann auf den Kosten sitzen bleibe. Deshalb glauben wir, dass Flexibilität das Schlüsselargument ist.

«Die Pauschalreise wollen wir so entwickeln, dass die Kunden nicht über den Preis entscheiden, sondern über die mit dem Produkt verbundenen Vorteile.»

Wird denn HolidayCheck selber schon genügend als Reiseveranstalter wahrgenommen? Viele sehen doch darin immer noch primär ein Bewertungsportal.

Die Kundenwahrnehmung ist in der Tat interessant. Es ist so, dass viele Kunden HolidayCheck schon als Veranstalter wahrnahmen, bevor wir einen solchen überhaupt hatten, also gar keiner waren. Manchmal war es auch so, dass wer über uns ein Fremdveranstalterangebot gebucht hatte und nicht zufrieden war, dann verlauten liess, er werde nie mehr bei HolidayCheck buchen, obwohl die Probleme gar nicht unser Verschulden waren. Wobei es ja in der Touristik für den Urlauber generell nicht ganz einfach zu verstehen ist, wer in der Wertschöpfungskette genau welche Rolle einnimmt. Die Abgrenzungen sind oft fliessend.

Ich habe schnell gelernt, dass die Kunden in Bezug auf Reisen eine hohe Erwartungshaltung haben, der man gerecht werden muss. Das können wir besser, wenn wir als Veranstalter selbst in die Verantwortung gehen. Das ist nicht einfach, man muss ja sehr viele Komponenten im Griff haben. Aber wir machen da viele gute Erfahrungen. Und wenn man den Job gut macht, kann man auf Kundentreue zählen.

Darf man noch wissen, wie «breit» Ihr Angebot ist?

Wir haben natürlich direkte Anbindungen zu diversen Flugprovidern, zu Bettenbanken, zu Zielgebietsagenturen und mehr. Reiseleitung übernehmen wir noch nicht selber. Bei den Bettenbanken sind wir an die üblichen Grossen wie etwa OTS angebunden, so dass wir aktuell auf über 200'000 Hotels im Programm kommen. Und wir sind bereit, weiterhin neue Partner ins Programm aufzunehmen, einerseits wegen den Verfügbarkeiten, andererseits wegen der Kosten. Das Ziel ist natürlich, das in der Vergangenheit als relativ statisch wahrgenommene Produkt weiter aufzulösen.

Sind denn die Content-Partner dafür auch offen?

Absolut. Wir stellen neue Schnittstellen relativ schnell bereit und unterscheiden uns da anscheinend von diversen anderen Reiseunternehmen. Von der Idee zum Produkt dauert es also wenige Wochen und nicht Jahre. Das ist gerade in der Covid-Krise ein Vorteil. Die Herausforderung ist ja aktuell, das Beste aus dem nächsten Jahr zu machen. Wir müssen dafür vorbereiten, was in unserer eigenen Macht liegt. Es braucht Verfügbarkeit und Flexibilität, und falls die Umsätze trotzdem niedrig bleiben, müssen eben auch die Kosten niedrig sein. Bei Letzterem spielt Automatisierung eine grosse Rolle. Wir arbeiten mit unseren Partnern daran, die Wertschöpfungskette weiter zu automatisieren. Ich denke, dafür ist in der Touristik noch viel Spielraum.

«Wir arbeiten mit unseren Partnern daran, die Wertschöpfungskette weiter zu automatisieren.»

Sie hatten vorhin gesagt, dass Flexibilität das Schlüssel-Argument ist. Das ist aktuell zweifellos der Fall. Aber die Covid-Krise wird auch mal vorbei sein, dann dürfte der Preis wieder Trumpf sein.

Ich denke, in Zukunft wird es so sein, dass man für jedes Bedürfnis ein Angebot haben muss. Günstige aber rigide Angebote, flexiblere aber etwas teurere Angebote etc. Also so, wie es die Airlines mit ihrer Tarifierung seit längerem schon vormachen.

Sie brechen also die Rigidität der Pauschalreise etwas auf, um ein breiter gefächertes Reiseprodukt anbieten zu können.

Das kann man so sagen. Wobei wir das noch bei weiteren Parametern der Pauschalreise tun möchten.

Wie zum Beispiel?

Ich habe kein konkretes Beispiel, aber ich denke, es läuft darauf hinaus, dass alles mit allem frei kombinierbar ist. Man kann also auch nur Hotel und Mietwagen buchen, was so gebündelt auch als Pauschalreise gilt, und der Kunde bucht sich den Flug selber dazu. Und es ist wichtig, alles möglichst übersichtlich darzustellen. Wie stelle ich die Vielfalt der Angebote dar, ohne den Kunden zu überfordern? Wir müssen den unterschiedlichsten Kundenbedürfnissen gleichermassen gerecht werden.

Ist das die Kernabsicht mit dem Produkt?

Ich habe schon gelesen, dass wir «den Markt aufmischen wollen» und ähnliches. Dieses Martialische ist gar nicht unser Ansinnen. Wir wollen gemeinsam mit der Branche neue Wege aufzeigen, wie man etwas für den Kunden tun kann und diesem wieder eine gewisse Positivität nahe bringen, wenn man über Reisen redet. Viele Kunden träumen von Ferien im nächsten Jahr, nach dem aktuellen Reise-Horrorjahr. Wir wollen diese Träume erfüllen, also primär Ängste wegnehmen. Die Branche muss dies grösser denken und viel näher am Kunden sein. Ich sehe da viel Potenzial für ein wieder sehr positives Wachstum.