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Finnisch-Lappland lockt im Winter und böte alle Voraussetzung für Ferien mit genügend Abstand zu anderen - wären da bloss nicht die lästigen Quarantänebestimmungen. Bild: Federico Bottos

«Wir geben die Hoffnung auf das Wintergeschäft noch nicht auf»

Jean-Claude Raemy

In den letzten Jahren hat sich das Wintergeschäft mit dem Hohen Norden prächtig entwickelt. Wie sieht das im von Unsicherheit geprägten Corona-Jahr 2020 aus? Wir haben bei den Nordland-Spezialisten nachgefragt.

War das touristische Wintergeschäft im Hohen Norden, wo es lange dunkel und bitterkalt ist, eher eine Nebenerscheinung, so hat sich dieses in den letzten Jahren, primär in Finnisch-Lappland, zu einem wichtigen touristischen Standbein entwickelt. Doch in diesem Winter könnte die Nachfrage tief sein, was teils auch «selbstverschuldet» ist: Finnland und Norwegen erlauben aufgrund einer sehr tiefen Toleranz hinsichtlich Corona-Neuinfektionen pro 100'000 Einwohnern innert 14 Tagen den Schweizern sowie Bürgern zahlreicher anderer Länder die Einreise nur mit Quarantänepflicht.

Doch nun regt sich vor allem in Finnland Widerstand, weil man die Felle beim wichtigen Wintergeschäft langsam davonschwimmen sieht. Die Tourismusbehörden sind im Dialog mit der Landesobrigkeit und wünschen, wie hierzulande auch, flexiblere Lösungen als Quarantänepflichten, wie beispielsweise COVID-19 Tests bei Einreise (wie dies Island bereits praktiziert) oder allenfalls Flugkorridore und «Reiseblasen». In den kommenden Wochen könnte hier noch was gehen. Und genau darauf hoffen die Nordland-Spezialisten, die wir zum aktuellen Wintergeschäft befragt haben.


«Unsere vier Wintercharter finden statt»

Bruno Bisig

Die Katalogproduktion bei Kontiki Reisen (gehört zur DER Touristik Suisse) war bereits im März abgeschlossen und das Winterprogramm 2020/2021 somit früh auf dem Markt. Wie Geschäftsführer Bruno Bisig erklärt, sei das Geschäft im ersten Halbjahr bereits gut angelaufen, doch als nach den Lockerungen im Juni dann im Verlauf des Sommers Finnland und Norwegen den Schweizern wieder Quarantänepflicht auferlegten, sei die Nachfrage komplett eingebrochen: «Das Vertrauen in den Markt ist kaputt.»

Doch dieses könnte rasch wieder da sein, ist Bisig überzeugt, weshalb er auch festhält: «Wir geben die Hoffnung auf das Wintergeschäft noch nicht auf.»

Das zeigt sich auch daran, dass die vier Wintercharter - je einmal ab Zürich und Genf nach Kittilä sowie ab Zürich je nach Rovaniemi und Tromsö - bis auf weiteres wie geplant programmiert bleiben. Die Nachfrage sei aktuell natürlich noch nicht berauschend, doch wolle man kein Hin und Her und vertraut darauf, dass es in Finnland und Norwegen zu praktikableren Lösungen kommt. «Bleibt die Grenze in Finnland bei 8/100'000, dann können wir das Business abschreiben», so Bisig, «aber ich denke, die Finnen und Norweger arbeiten intensiv an Lösungen, wie die Sicherheit anders gewährleistet werden kann.» Bei COVID19-Tests sei die Frage, wann diese durchgeführt werden, durch wen und auf wessen Kosten. Kann sein, dass sich dies noch etwas in die Länge zieht. «Wir bewahren einen kühlen Kopf und vertrauen auch auf die Flexibilität unseres Flugpartners Edelweiss», sagt Bisig; wesentlich sei, den Markt schnell bedienen zu können, wenn es losgehen kann. Die Buchungen werden ohnehin extrem kurzfristig kommen, und wer dann das beste Produkt hat, gewinnt.

Kontiki überlege aber darüber hinaus, ob es Möglichkeiten gibt, auch Quarantäne als Ferien bieten zu können - wo man beispielsweise nach Einreise direkt in eine Blockhütte gefahren wird und dort zwei Wochen verbleibt, wobei das Essen geliefert würde. Die Gegend kann man dann nach Herzenslust auf eigene Faust erkunden, muss also nicht zuhause verweilen. Ob das von Regierungsseite her akzeptabel ist, müsse man noch abklären. Sicher ist jedenfalls, dass die Weite der nordischen Länder alle Voraussetzungen mit sich bringt, um «sichere Ferien» verbringen zu können, und die Sicherheitsfrage sei aktuell entscheidend. Bisig will jedenfalls das wichtige Wintergeschäft - es macht allerdings noch unter einen Drittel des Gesamtumsatzes aus - nicht kampflos aufgeben.  

«Wir können es uns nicht erlauben, nicht bereit zu sein!»

Martin Wäger

Der Berner Nordland-Spezialist AG Traveltrend hat seinen Winterkatalog 2020/2021 gerade erst lanciert, welche gar um acht Seiten gegenüber dem letztjährigen angewachsen ist. Weshalb jetzt die Broschüre lancieren, obwohl die wichtigsten Ziele Finnland und Norwegen Schweizer nicht bzw. nur mit Quarantäne hereinlassen? «Wir können es uns einfach nicht erlauben, nicht bereit zu sein!», erklärt Geschäftsführer Martin Wäger, «wir haben jetzt im Spätsommer festgestellt, dass es Fenster gab, in denen man reisen konnte. Wir sind uns völlig bewusst, dass es schwierig sein wird, Kunden auf die Reise zu schicken. Aber Änderungen kommen sehr schnell.»

Der Katalog ist vorläufig nur Online und wird womöglich gar nicht gedruckt. Aber falls sich die Lage zum Guten ändert, sei man bereit. «Einen Katalog im Internet durchzublättern macht mehr Freude als auf der Homepage herum zu suchen», so Wäger.

Sobald die Länder öffnen, könne man mit gutem Gewissen Reisen anbieten. Auch Wäger sieht Sicherheitsvorteile in Skandinavien, vor allem in Lappland mit den grossen Weiten und den wenigen Einwohnern. «Bleibt die An- und Rückreise, aber da hat sich ja schon viel eingependelt punkto Sicherheit», so Wäger, «die Kunden, die reisen möchten, sind gut informiert und haben wenig Fragen. Bisherige Rückkehrer sind jedenfalls begeistert von äusserst freundlichen Gastgebern und grassierendem ‹Undertourism› in den nordischen Ländern.» Auch die Flugsituation sei nicht besorgniserregend; der internationale Flugplan sei zwar ausgedünnt, nationale Verbindungen aber zur Genüge vorhanden, mit stabilen Preisen auf Vorjahresniveau.

Aktuell hofft Wäger somit noch auf eine positive Entwicklung für das «untergeordnete, aber wachsende» Wintergeschäft. Bislang sehe dieses Wintergeschäft aber, analog dem Sommergeschäft, «himmeltraurig» aus. Wobei: Das skandinavische Wintergeschäft geht bis in den März. Ob noch Geschäft möglich ist, hänge von politischen Entscheiden im Norden ab («mehr testen, weniger Quarantäne»), aber auch von der Entwicklung der Corona-Infektionen in der Schweiz, welche ihm fast mehr Sorgen bereitet. Doch Wäger will mit AG Traveltrend optimistisch und bereit bleiben und vertraut darauf, dass noch etwas geht: «Finnisch-Lappland hätte möglicherweise ein Problem, wenn die Grenzen geschlossen blieben, wie auch die Küstenschiffahrt in Norwegen.» Für die anderen nordischen Ziele seien Wintertouristen wohl wichtig, aber nicht «überlebenswichtig» und setzen dieses Jahr möglicherweise stärker auf einheimische Touristen. Irgendwelche Wahnsinns-Preisaktionen seien laut Wäger überdies nicht zu erwarten: «Gute Dienstleister hatten im Sommer nichts zu jammern. Diese Tatsache spricht - zum Glück - nicht für Preisnachlässe oder Incentives.»

«Die Unsicherheit durch die vorherrschenden Restriktionen lässt die Kunden noch zögern»

Mike Papritz

Der Basler Spezialist Glur Reisen, welcher zur Knecht Reisen AG gehört, hat einen Winterkatalog mit Bestseller-Produkten publiziert. «Trotz geringerem Umfang gegenüber dem Vorjahr decken wir dabei all unsere klassischen Winterdestinationen und -aktivitäten und einige Winterreisen mit Hurtigruten, an der norwegischen Küste und in der Antarktis, ab», erklärt Geschäftsführer Mike Papritz, «zusätzlich stellen wir im Katalog einige unserer begleiteten Gruppenreisen für das kommende Jahr vor.» In den vergangenen Jahren hat sich das Wintergeschäft bei Glur stetig gesteigert und zu einem wichtigen Standbein entwickelt.

Aktuell ist es aber ein kaum nennenswerter Anteil am Tagesgeschäft; die Buchungs- und Offerteneingänge sind laut Papritz verhalten und die Mitarbeitenden momentan mehrheitlich damit beschäftigt, Umbuchungen für das nächste Jahr vornehmen. Glur erhalte jede Woche einige Winter-Anfragen, wovon bisher aber nur ein Bruchteil in Buchungen resultieren. «Die Unsicherheit durch die vorherrschenden Restriktionen lässt die Kunden noch zögern», sagt Papritz, «sollten in absehbarer Zukunft Lösungen betreffend der Einreisebestimmungen gefunden werden, die eine langfristige Planung ermöglichen, so bin ich überzeugt, dass die Kunden auch wieder buchen werden.»

Worauf fusst er diese Annahme? Auf der relativen Sicherheit der Ziele. Skandinavien und Finnland gehören in der Corona-Krise zu den sichersten Destinationen. Norwegen und Finnland sind die Länder mit den europaweit strengsten Restriktionen, was zwar die Nachfrage aktuell dämpft, aber wodurch eine tiefe Ansteckungs- und Todesrate erzielt werden konnte. Island wiederum bietet durch COVID-19 Tests bei Einreise Sicherheit. Die Kunden sind sich laut Papritz bewusst, dass dank geografischen Gegebenheiten und der geringen Bevölkerungsdichte die nordischen Destinationen besten Voraussetzungen für «Social Distancing» gewährleisten, «einzig der schwedische Weg wirft ab und an Fragen auf - aus diesem Grund haben wir unsere Angebote nach Schwedisch-Lappland im Winter bewusst gekürzt.»

Eigentlich wäre alles bereit für gutes Wintergeschäft. Das Flugangebot stimmt, laut Papritz bieten sowohl SAS als auch Finnair, die beiden wichtigsten Airlines für diesen Markt, bis auf wenige Ausnahmen einen identischen Flugplan wie im Vorjahr und liegen auch preislich auf ähnlichem Niveau. Was es brauche, seien Lockerungen: «Die Tourismusverbände und -regionen der nordischen Länder sind in der Regel sehr speditiv, wenn es um Problemlösungen geht», so Papritz, «so finden bereits jetzt Verhandlungen statt, bei denen ebendiese an die jeweiligen Regierungen herangetreten sind, um langfristige und planbare Lösungen zu finden, um das existenzielle Wintergeschäft zu sichern. Mit Preisnachlässen ist aber nicht zu rechnen, da viele der Anbieter die Verluste des vergangenen Halbjahres kompensieren müssen. Die Leistungsträger versuchen jedoch durch eine erhöhte Flexibilität bezüglich Umbuchung oder Annullation einen Anreiz zu schaffen. Wir stehen mit unseren Partnern vor Ort in engem Kontakt, um gemeinsam rasch Buchungen zu generieren.»