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Das Trainingslager im Süden Europas während der Winterpause hat für viele Fussballclubs einen festen Platz im Kalender. Doch aktuell herrscht noch grosse Unsicherheit bei der Planung. Bild: Planet Sport

Millionenbusiness Fussball-Trainingslager in der Warteschlaufe

Gregor Waser

Einer der lukrativsten Geschäftsbereiche der Reisebranche ist durch den aktuellen Reisekollaps stark bedroht. Hoffnung haben die fünf befragten Sportreise-Spezialisten dennoch. Der Schlüssel zum Erfolg bei den Fussball-Trainingslagern könnte die von einem Spezialisten eingeführte Rücktrittsgarantie sein.

Die Ukraine ist ein schwieriges Pflaster für die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Nach dem Horror-Penaltyschiessen an der WM 2006 gegen die Ukraine in Köln ging auch das gestrige Nations-League-Auftaktspiel im leeren Stadion von Lwiw in die Hose. Zwar zeigte die Nati einige eindrückliche Pressing-Ansätze in der ersten Halbzeit, doch die Rückreise im direkten Swiss-Charterflug aus der Bubble von Lwiw nach Zürich erfolgt heute ohne Punkte.

Die Nati-Rückkehr nach zehnmonatiger Pause aufs Spielfeld nimmt Travelnews zum Anlass, sich in der Sportreisen-Szene bei den Organisatoren der Fussball-Trainingslager und Sporttrips umzuhören. Schliesslich bewegen die Schweizer Spezialisten mindestens 500 Teams im Frühjahr – einer der Spezialisten beziffert die Zahl als deutlich höher –, meist in den Süden Europas. Ob Clubs aus der Super, Challenge oder Promotion League oder aus tieferen Liegen und dem Juniorenbereich, der einwöchige Aufenthalt in Andalusien, Malta, Zypern oder der Südtürkei nimmt in Normalzeiten einen festen Platz ein im Kalender der Clubs – und spült der Reisebranche einen zweistelligen Millionenbeitrag in die Kasse. Ein Dossier mit der Buchung von 15 Spielern und 5 Betreuern zu je 1000 Franken macht 20'000 Franken Umsatz, mal 500 ergibt 10 Millionen Franken – mit komfortabler Marge.

«Mehr Spielraum dank Rücktrittsgarantie.»

TRAVELclub, der auch die gestrige Nati-Reise per Direktcharter sowie den Trip für Journalisten und die weitere Entourage mit der LOT von Zürich via Warschau nach Lwiw organisiert hat, räumt ein: «Die Situation ist schwierig». Antonio Gambardella, Managing Director TRAVELclub, sagt weiter: «Es ist ein grosses Fragezeichen, ob die Clubs in den nächsten Wochen buchen. Offerten haben wir zwar viele erstellt, doch noch sind viele zurückhaltend.» Auf die möglichen Destinationen angesprochen, die im Januar bis März 2021 für die Fussballclubs in Frage kommen, sagt Gambardella: «Spanien und Malta sind ein Thema, dann aber auch nähere Ziele wie Italien. Da ist die Anreise einfacher zu organisieren und es ist weniger schlimm, wenn die Eigenanreise wieder abgesagt werden muss.» Weiter hofft er auf Portugal, dort sei es bisher mehrheitlich ruhig gewesen, was Infektionszahlen betreffe. Auch Trainingslager-Optionen in der Schweiz hat der TRAVELclub derzeit verstärkt im Angebot. Doch Antonio Gambardella relativiert: «Einerseits sind Camps in der Schweiz preislich nicht unbedingt attraktiver als solche in Italien und dürften zudem ziemlich gefragt und überfüllt sein, etwa im Tessin.»

Jetzt reagiert der TRAVELclub aber mit einem cleveren Marketinginstrument: einem Corona-Schutz. Dazu schreibt der Spezialist: «Wenn Sie Ihre Reise nicht antreten können, weil in Ihrer Ziel-Destination ein Einreiseverbot für Reisende aus der Schweiz besteht, können Sie Ihre Reise bei TRAVELclub kostenlos annullieren. Wenn Sie Ihre Reise nicht antreten wollen, weil Ihre Ziel-Destination auf der Quarantäne-Liste des BAG (Bundesamt für Gesundheit) ist, können Sie Ihre Reise bei TRAVELclub kostenlos annullieren. Wenn der Sportanlass coronabedingt nicht stattfindet oder keine Zuschauer zugelassen sind, können Sie Ihre Reise bei TRAVELclub kostenlos annullieren.»

Ein cooler Move, doch der dürfte im Annullationsfall ins Geld gehen. Antonio Gambardella sagt dazu: «Rund 80 Prozent unserer Partner vor Ort konnten wir ins Boot holen, dass im Annullationsfall für uns keine Kosten anfallen. Bei den Airlines, wie Sie wissen, ist die Situation ein bisschen schwieriger.» Doch er hoffe, den Clubs mit der Rückgabe-Garantie mehr Spielfraum zu bieten – und mehr Vorfreude auf das nächste Trainingslager.

«Wir haben unsere Angebote in der Nähe erweitert.»

Marco Bolli, Chef «Sport» und Senior Product Manager bei Knecht Sportreisen, sagt zur aktuellen Nachfrage nach Trainingslagern: «Ganz klar, aufgrund der aktuellen Unsicherheiten rund um Covid-19 und dem Reisen ins Ausland sind auch unsere Trainingslager-Anfragen weniger als im Vorjahr. Trotzdem bleiben wir positiv und haben bereits über 30 Teams fix im Kasten und für nächstes Jahr eingebucht, darunter sind mehrheitlich Stammkunden.»

Das Trainingslager-Angebot habe Knecht Sportreisen so angepasst, dass die Planungssicherheit gewährleistet sei und die Teams keine Ängste bezüglich einem Rücktritt der Reise haben müssten. «Zusätzlich haben wir unsere Angebote in der Nähe erweitert und bieten nun noch mehr Auswahl an diversen Orten in der Schweiz und in Deutschland an. Der Geschäftsgang 2021 wird auch bei den Trainingslagern unter dem Einfluss von Corona sehr unbefriedigend ausfallen. Aber wir glauben fest an die Zukunft des Bereichs Trainingslager für unser Unternehmen.» Es werde eine Marktbereinigung stattfinden, welche Knecht Sportreisen neue Chancen und Opportunitäten bieten werde.

Die Travelnews-Umfrage käme noch ein wenig zu früh, sagt Oliver Köpfer, Geschäftsführer von Planet Sport, auch in anderen Jahren seien viele Buchungen erst im Oktober eingetroffen. Gleichwohl macht er eine Zurückhaltung in diesem Jahr aus: «Viele Clubs haben derzeit noch andere Sorgen. Grümpelturniere sind ausgefallen, die Finanzen sind so nicht mehr im Lot. Viele müssen sich erst wieder sortieren.» Die meisten Clubs hätten zwar ihr Interesse signalisiert, warten indes noch ab. Eine grössere Zurückhaltung ortet Köpfer noch bei den Frauen-Teams.

Gemäss eingetroffenen Anfragen registriert er zudem einen gewissen Trend bei City-Zielen wie Barcelona oder auch Malta. Bei Andalusien und der Südtürkei stellt er noch wenig Interesse fest. Für Planet Sport hat auch das Tessin mittlerweile eine grosse Bedeutung eingenommen. Neu sind gegen 20 Plätze im Angebot.

Auch Trend Sport Travel bietet den Teams die Möglichkeit, kostenlos vom gebuchten Trainingislager zurückzutreten, wenn die ausgewählte Destination mit einem Einreiseverbot oder mit einer Quarantänepflicht nach Rückkehr versehen wird. «Alle Entwicklungen, die dazu führen, dass ein Trainingslager nicht mehr sorgenfrei durchgeführt werden kann, erlauben eine kostenfreie Annullation oder Umbuchung an ein anderes Zielgebiet», sagt Michael Grütter, Geschäftsleiter von Trend Sport Travel.

Natürlich herrsche bei den Teams Zurückhaltung was die Planung für den Winter betrifft. «Professionelle Clubs stehen vor der Frage, bereiten wir uns auf Kunstrasen, harten Böden und minus Temperaturen in der Schweiz auf die Rückrunde vor oder fliegen wir an uns bekannte Destinationen, um von optimalen Bedingungen zu profitieren. Hier sind wir mit verschiedenen Clubs in der Abklärungsphase. Durch die Buchungs- und Reiseflexibilität geht grundsätzlich kein Club ein Risiko bei der Trainingslagerplanung mit Trend Sport Travel ein.»

«Im Breitensport überlegen sich die Teams genau, ob sie nächsten Winter «raus» wollen. Einerseits wird das Budget jedes einzelnen aufgrund der Krise knapper und andererseits haben auch die Clubs nicht immer die nötigen Mittel, das Camp mitzufinanzieren. Wir stellen uns auf jeden Fall darauf ein, dass es im nächsten Winter (Jan-April) etwas ruhiger zu und her geht und kurzfristige Angebote stärker verlangt werden.»

Sobald Spanien den Quarantänewahnsinn wieder aufhebe, werde diese Destination weitere Nachfragen nach sich ziehen, ist Grütter überzeugt. «Wir setzen bei unseren Möglichkeiten auf Diversifikation und Breite im gesamten Sortiment. Dazu gehören neben der Südtürkei, Portugal, Ägypten, Spanien, Mallorca, Malta, Italien und Zypern sämtliche Destinationen, die tolle Trainingsmöglichkeiten bieten, sympathische Hotels an guter Lage und preislich nicht zu übertreffen sind.»

«Spieler und Clubs sind wegen einer möglichen Quarantäne sensibilisiert.»

Richard Wey, Managing Director von Destination Sports, nimmt kein Blatt vor den Mund: «Seit dem 15. März läuft praktisch nichts. Unser Umsatz beläuft sich auf rund 10 Prozent des Vorjahres. Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, wir drei Aktionäre erhalten keine Kurzarbeitsentschädigung und haben nun die Zeit für Aufräumarbeiten genutzt. Letzte Woche ging unsere neue Website online, mit ausgebautem Angebot und angereichert mit zahlreichen Videos.»

Erst 15 fixe Trainingslager-Buchungen liegen bei Destination Sports vor, weitere 20 Dossiers seien pendent. Neulich erfolgte die Reiseabwicklung des Färöer-Teams Klaksvis, das im Wankdorf gegen Young Boys Euroapa-League-Qualifikation spielte, bald auch der FC-Basel-Trip ins kroatische Osijek.

Zur Buchungssituation bei den Trainingslagern nennt Wey eine zusätzliche Hürde: «Im Amateurbereich sind die Spieler und Clubs wegen einer möglichen Quarantäne sensibilisiert. Spieler von Clubs wie Köniz, Burgdorf, Cham und Roggwil mussten kürzlich in Quarantäne – was die Arbeitgeber wiederum überhaupt nicht freute. Ich kenne Beispiel von Spielern, die auf Druck des Arbeitgebers nicht mal mehr Trainings besuchen», erzählt Wey. Insofern sei eben auch beim Thema Traingslager derzeit Zurückhaltung auszumachen. Mit kostenfreier Annullation bis 60 Tage vor Abflug hat Destination Travel auch gute Rücktrittskonditionen.

Destinationsmässig rechnet Wey einerseits mit den Hauptzielen Spanien, Portugal, Türkei und Zypern, gleichzeitig geht er auch von einer Verlagerung auf Nahziele und Eigenanreise aus, mit Trainingslagern in Italien, Frankreich oder Deutschland. Zudem fällt wie bei allen Sportreisen-Anbietern ein weiteres Standbein weg, jenes der Fanreisen an Spiele der Bundesliga, Serie A oder Premier League, «tote Hose» sagt Wey hierzu und zum Umstand, dass ausser in der Schweiz noch kaum irgendwo Zuschauer zugelassen sind.

«Fussballclubs sind bei einem Spezialisten gut aufgehoben.»

Die fehlenden Fanreisen schmerzen auch Ivan Meyer von ivanmeyertours in Wangen an der Aare. Er nennt die Fanreisen «unsere cashcow». Doch in diesem Bereich zeichne sich keine Änderung ab. Zwar lasse RB Leipzig wieder Zuschauer zu, doch wer wolle schon dahin, viel wichtiger wäre die Allianz-Arena in München.

Ivan Meyer hat sich auf die Amateurclubs seiner Region konzentriert – dies dank eigenem Fussball-Background und guter Vernetzung. «Die meisten Stammkunden haben sich gemeldet, aber es herrscht noch grosse Vorsicht.» Meyer, der die Angebote von Destination Sports und TRAVELclub vertreibt, begrüsst, dass vermehrt nun Rücktrittsgarantien eingeführt wurden, dies könne ausschlaggebend sein, dass ein Club buche.

Destinationsmässig geht Ivan Meyer davon aus, dass die Nahziele trumpfen werden, etwa Italien. Gerade die Gegend um den Gardasee biete einige Optionen, vor allem auch mit Kunstrasenplätzen, von denen es im Tessin viel weniger gebe. Zudem spiele bei Amateurteams auch der Erlebnisfaktor eine Rolle – lieber Ausland als die Schweiz.

Ein Trumpf hat Meyer dank einer engen Zusammenarbeit in Freiburg im Breisgau. Dort arbeitet seine Agentur mit dem Hotel Landhaus Blum zusammen mit exklusivem Zugang zum lokalen Fussballplatz. «Dank der kurzen Anreise werden wir auch im nächsten Jahr in Freiburg zahlreiche Camps abwickeln können», sagt Meyer.

Und dann sagt er auch noch: «Diese Krise ist für Spezialisten und Reisebüros auch eine Chance. In der aktuellen Zeit scheuen sich Fussballclubs eigene Reisen zusammenzustellen und fühlen sich bei einem Spezialisten gut aufgehoben.»