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Im Reisezentrum von Knecht Reisen in Windisch geht's derzeit drunter und drüber. Bild: PrimCom

Kommentar Nun weht ein anderer Wind bei Knecht

Jean-Claude Raemy

Die neue Führungsstruktur der Knecht Reisen AG gibt zu reden. Unsere Analyse.

Gestern (2. September) kam sie, die lange erwartete Ankündigung dazu, wer neuer CEO bei der Knecht Reisen AG wird und wie die nähere Zukunft des langjährigen CEO Roger Geissberger aussieht, welcher seit dem Ausscheiden von Marcel Bürgin im April 2020 interimistisch nebst dem Amt des CEO der Knecht Reisegruppe auch wieder jenes des CEO der Knecht Reisen AG bekleidete. Geissberger hatte seit längerem angekündigt, kürzertreten zu wollen.

Die nun präsentierte Lösung der neuen Führungsstruktur ist jedoch, gelinde gesagt, überraschend. Bis Ende Jahr bleibt Geissberger im Amt und wird danach als «Chairman» im 40%-Pensum noch Projekte betreuen und als Verwaltungsratsmitglied in vier Firmen des Unternehmens (Knecht Reisen, Baumeler, RHZ und European Walking Tours) verbleiben. So weit, so gut, das war offenbar von langer Hand vorbereitet. Überraschend ist jedoch, dass per 2021 das CEO-Amt vom Mehrheitsaktionär und bisherigen VRP der Knecht Reisen AG, Thomas Knecht, übernommen wird. Eine solche Konstellation ist aussergewöhnlich. Gab es keine anderen Kandidaten? Travelnews durfte lediglich auf schriftlichem Weg Fragen stellen und erhielt auf die Frage, weshalb Knecht das Ruder selber in die Hand nimmt, folgende Antwort: «Covid-19 ist ein Jahrhundertereignis, das für die Reisebranche zu einer grossen Krise führt. In dieser Situation engagiert sich der Hauptaktionär persönlich, um das Unternehmen durch diesen Sturm in ruhigere Gewässer zu führen.» Das beantwortet nicht, wieso dieser Weg gewählt wurde, klingt aber doch irgendwie wie «der oberste Boss muss es jetzt richten».

Thomas Knecht zur Seite steht dafür, als «Head of Touroperating», der relativ unbekannte Markus Maushart. Dieser ist seit März 2019 bei der Gebr. Knecht AG tätig, also der Holding, in welcher die Konzernbereiche Reisen, Personenverkehr, Güterverkehr und Healthcare gruppiert sind und die sich mehrheitlich in Besitz von Thomas Knecht befindet. Davor war Maushart COO bei der BBC AG in Villmergen sowie Management Consultant bei diversen Firmen. Er hat das Reisegeschäft bislang, wie es in der Knecht-Pressemitteilung heisst, «von Projekten her» kennengelernt. Auf die Frage, ob man hier eher auf Consulting-Power als auf Touristik-erfahrenes Management gesetzt habe, erhalten wir als Antwort: «Das oberste Kader der Knecht Reisen AG umfasst fast alles gestandene Touristiker. Herr Maushart hat bereits in früheren Führungspositionen umfassende Führungsaufgaben erfolgreich wahrgenommen.» Letzteres stimmt gewiss. Aber Touristik ist in hohem Masse auch «People's Business», in welchem Netzwerke wichtig sind. Dass da ein Defizit wettgemacht werden muss, ist nicht von der Hand zu weisen.

Und wer sind die verbliebenen gestandenen Touristiker? Rolf Gerber, Christoph Huckele und Marcel Ruoss bringen alle zweifelsohne eine grosse Erfahrung mit - und Geissberger verbleibt ja auch noch als Chairman beratend zur Seite. Ein Name fehlt in der Liste aber: Serge Brunner. Dieser war 2014 als Leiter Strategie und Geschäftsentwicklung bei der Knecht Holding eingestiegen, von einer Consultingfirma kommend, und war dann 2016 zum Geschäftsführer von Baumeler Reisen ernannt worden. Er galt intern als Kronprinz für den vakanten Job des CEO, doch daraus ist zunächst mal nichts geworden. Es sieht eher so aus, als ob Maushart nun die Pole für den CEO-Sitz innehat, der irgendwann mal wieder zur Verfügung stehen wird - es sollte ja davon auszugehen sein, dass Thomas Knecht nicht auf ewig in Personalunion die Holding und die Reisesparte leitet. Undenkbar wäre dies allerdings auch nicht für einen Topmanager und Hauptaktionär, der auch schon an Product-Management-Sitzungen teilgenommen hat.

Kommt es zum «Brain Drain» beim mittleren Kader?

Was ist mit den anderen Kaderleuten? Man hört, dass einige auf dem Absprung seien, bis in Kaderstufen hinauf. Natürlich nichts, was irgendwie offiziell in der Presse erscheinen soll/darf. Aber das Malaise ist spürbar.

Auf unsere Frage hin, ob es bereits ein Organigramm für die neue Führungsstruktur gebe, oder ob es allenfalls bis zur Erstellung des Organigramms noch zu einer Bereinigung komme, heisst es lakonisch: «Der Führungswechsel findet am 1.1.2021 statt. Die Firmen RHZ Reisen AG, Baumeler Reisen AG und European Walking Tours GmbH bleiben bestehen.» Das sind jene, nebst der Knecht Reisen AG, in welchen Geissberger laut ursprünglicher Nachricht als VR verbleiben wird. Was heisst das für andere Unternehmen der Gruppe? Zur Knecht Reisen AG gehören aktuell noch 17 Marken; einige davon (Glur, Kira, Latino) wurden bereits in die Firma fusioniert, sind also lediglich noch Marken, aber keine eigenständigen Einheiten mehr. Vielleicht existieren Szenarien, wie man das unübersichtliche Firmenkonstrukt mit den vielen Marken und Firmen weiter glätten kann. Dazu äussert man sich aber offenbar noch nicht konkreter als wie oben beschrieben. Eine Frage, ob es das «Steering Board» (worin Leiter einzelner Unternehmen/Marken einsassen) noch geben wird, bleibt unbeantwortet.

Klar ist, dass nun ein Management nach Consultant-Art Einzug hält. Thomas Knecht's Vergangenheit beim Beratungsunternehmen McKinsey ist bekannt, dazu ist auch der im März 2020 eingesetzte neue Eurobus-Chef Philipp Vassalli früherer McKinsey-Mann, und wie erwähnt kommt auch Maushart aus der Consulting-Welt. Da wird nicht lange gefackelt, wenn die Zahlen schlecht sind. Und das sind sie aktuell, nicht aus eigenem Verschulden, aber trotzdem - die Aussichten sind für eine Firma, deren Strategie und Positionierung «Fernreise-Spezialist» lautet, bis auf weiteres eher schlecht. Bei Knecht ist man aber überzeugt, bereits 2022 wieder in der Gewinnzone sein zu können. Dem Traditionsunternehmen wäre es zu wünschen. Aber 2021 wird sicher nochmals hart.

Gespart wird aktuell mal damit, dass Spitzenfunktionen in Personalunion ausgeführt werden; Zweifel an der Liquidität der Holding gibt es auch nicht, d.h. Knecht Reisen hat «Schnauf», um die Dürreperiode zu durchleben. Die Schwierigkeit wird vor allem sein, einen allzu grossen «Brain Drain» zu verhindern, damit man bei wieder steigender Nachfrage dem eigenen Anspruch als «echter Spezialist» mit hochwertiger Produkt- und Beratungsleistung weiterhin gerecht wird. Ob Thomas Knecht, branchen-unüblich mit allen per Sie und als eher «eisern» geltend, bei Mitarbeitenden und Kadern auf breiter Basis das «Rally round the flag» hinkriegt, wird sich zeigen. Man darf jedenfalls auf die Entwicklung in den kommenden Monaten gespannt sein.