Reiseanbieter

Sieht seine Firma durch den Stillstand der Fernreisen bedroht: Simon Schnellmann, Gründer und Geschäftsführer der Travel Worldwide AG. Bild: TN

Selbst für das erfolgreichste Reisebüro wird es langsam eng

Gregor Waser

Fernreise-Spezialist Travel Worldwide war bis vor wenigen Monaten noch auf einem Höhenflug und als Firma kerngesund. Die Coronakrise und der Stillstand auf den Fernstrecken könnte den 27 Mitarbeitenden im Zürcher Oberdorf nun aber den Job kosten. Firmenchef Simon Schnellmann hofft auf einen rettenden Strohhalm.

Kein anderes Reisebüro in der Schweiz hat in den letzten Jahren so konsequent auf den Ropo-Effekt gesetzt (research online, purchase offline). Das geht so: Travel Worldwide bewirbt die Fernreiseangebote online in der Google-Suche und holt so die Kunden ab, die Beratung und Buchung erfolgt dann traditionell. Wer auf Google «Thailand Ferien» eingibt, stösst auf travelasia.ch. Bei der Suche «Seychellen Reisen» taucht travelseychelles.ch weit oben auf – zwei der total 23 Domains von Travel Worldwide im Web.

Dazu hat Firmengründer Simon Schnellmann seit 2008 über 30 der besten Reiseprofis an Bord geholt – dank guten Löhnen und Arbeitsbedingungen. Während die Mehrheit der Schweizer Reiseveranstalter und Reisebüros das Internet wegen Giganten wie Booking.com oder Expedia lange verteufelte und nur widerwillig im Netz aktiv wurde, hat Travel Worldwide von Anfang die Bedeutung des Webs erkannt und das Internet als Chance verstanden. Nach vier Jahren des Aufbaus, weiteren vier Jahren bis zum Breakeven, hat der Spezialist für hochstehende Fernreisen (Durchschnittsumsatz pro Dossier: 11'000 Franken) in den letzten drei Jahren deutliche Gewinne gemacht – wenn auch wegen neuer Investitionen kaum Reserven gebildet. Travelnews berichtete vor einem Jahr über die Paradiesvögel im Höhenflug, in einer Zeit, als eines der grossen Reiseunternehmen auf der Matte stand, um ein Übernahmeangebot vorzulegen. Schnellmann winkte ab – er wolle nicht von Neuem anfangen.

Doch dies droht ihm jetzt. Die Corona-Krise hat bei Travel Worldwide voll durchgeschlagen. Sah es im April noch danach aus, dass im Herbst oder spätestens im Winter Fernreisen wieder möglich sind, zeigt sich nun: bis zu den nächsten Ferien in Australien, Thailand, Brasilien oder den USA dürfte es noch länger dauern. Die so wichtigen Abflüge im Winter 2020/2021 sind äusserst fraglich.

«Das Verrückte ist, wir sind eine kerngesunde Firma.»

4 der 31 Mitarbeiter wurden im Sommer entlassen, die restlichen 27 sind in Kurzarbeit. Mietkosten in der Höhe von 20'000 Franken laufen weiter, eine Mietreduktion für die vier Stockwerke wurde abgelehnt. Buchungen kommen derzeit keine rein, null, nichts, nada. «Bis Frühling 2021 haben wir noch Schnauf», sagt Simon Schnellmann.

Die Zeit drängt. Aus Bundesbern ist keine Finanzhilfe à fonds perdu zu erwarten, vor allem nicht in absehbarer Zeit. Der Hilfskredit ist zwar verfügbar, aber für eine Überbrückung der nächsten 12 oder 18 Monate auch nicht tauglich, sagt Schnellmann. Marketingchef Tobias Schneider gesellt sich dazu: «Das Verrückte ist, wir sind eine kerngesunde Firma und würden in einem Jahr, wenn die Normalität zurückkommt, auf Knopfdruck wieder die gleiche Performance bieten können.»

Eine Geschäftsaufgabe und ein möglicher späterer Wiederaufbau stellen für Schnellmann und Schneider auch keine Option dar. «Wir hätten nach einer Aufgabe ja keine Mittel mehr für einen Wiederaufbau, das könnten wir uns gar nicht leisten. Und step by step Spezialisten an Bord zu holen, erst für Asien, dann für Ozeanien, Südamerika, wie Simon das in den Anfangsjahren gemacht hat, würde wieder Jahre dauern», sagt Schneider.

«Überbrückungshilfe kostet langfristig weniger.»

Einen rettenden Strohhalm ortet Schnellmann jetzt noch bei der Stadt und dem Kanton Zürich. «Wir haben den Kontakt gesucht, um unsere Situation darzulegen – warten aber noch auf eine Antwort». Was die Travel Worldwide AG benötigen würde: eine vorübergehende Möglichkeit, die 27 Mitarbeitenden der Arbeitslosenkasse RAV zu übergeben – zu 80 Prozent, während die Mitarbeitenden zu 20 Prozent noch ein Bein in der Firma hätten – und dass die Mietkosten während einiger Monate übernommen würden. «Wir hoffen, dass die Institutionen erkennen, dass eine Überbrückungshilfe langfristig weniger kosten würde, als eine pleite gegangene Firma und 27 gute Steuerzahler weniger.»

«Eigentlich müssten wir jetzt einen totalen Shutdown machen können. Doch dies würde heissen, alle Leute zu entlassen. Das können wir uns gar nicht leisten, in den drei Monaten Kündigungszeit fallen die Lohnkosten zu 100 Prozent an. Das sind mehr Lohnkosten, als wenn die Leute sechs Monate in Kurzarbeit stehen», erklärt Schnellmann die verzwickte Situation. Zwar lägen für 4,5 Millionen Franken Buchungen in den Büchern von Kunden, die ihre Reise verschoben haben – doch bis Mitte 2021 wird kaum einer dieser Kunden abfliegen und so dem Reisebüro Cash zufliessen lassen. Wenn Hilfe ausbleibt, droht der Travel Worldwide AG schon bald das Aus. 27 Top-Touristiker könnten bald auf der Strasse stehen – ohne Option, gleich wieder einen Job zu finden. Die Schweizer Reisebranche erlebt gerade ihre dunkelsten Stunden.