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Reisebeschränkungen, keine Kurzarbeitsentschädigung für Reisebüro-Inhaber und verzögerte Rückzahlungen von Airlines treiben die Schweizer Reisebürolandschaft in den Abgrund. Bild: Brett Zeck

«Was wir brauchen ist finanzielle Hilfe»

Nina Wild

Der Bundesrat hat an der Pressekonferenz vom Mittwoch verkündet, dass der Rechtsstillstand für die Reisebüros bis Ende Dezember 2020 verlängert wird. Travelnews hat sich bei Reisebüros umgehört, wie sie zu diesem Entscheid stehen.

Mit grosser Spannung wurde am Mittwoch die Bundesrats-Pressekonferenz von der Reisebranche erwartet. Endlich sollte entschieden werden, ob und inwiefern die Outgoing-Reisebranche auf weitere Unterstützungsleistung durch den Staat zählen kann. Nun ist klar, dass der für die Reisebürobranche geltende Rechtsstillstand bis zum 31. Dezember 2020 verlängert wird. Es laufen derzeit weitere Diskussionen, wie die Branche stabilisiert werden kann. Darüber wird jedoch erst in der Herbst-Session vom 7. bis 25. September 2020 im Parlament abgestimmt.

Wie kommt dieser Entscheid in der Branche an? Travelnews hat sich bei verschiedenen Reisebüros umgehört. «Natürlich sind wir nicht zufrieden. Rechtstillstand ist schön und gut. Jedoch bringt er wenig, die meisten von uns haben ein gutes Verhältnis zu den Kunden und wenige haben rechtliche Schritte angedroht, sondern haben viel Verständnis», sagt etwa Nathalie Sassine, CEO und Business Developer bei Travelboo sowie Mitglied der «Aktion Mayday». Martin Reber, Geschäftsführer und Verwaltungsrat der Schär-Reisen Bern AG, begrüsst den Entscheid immerhin teilweise: «Rechtsstillstand zu verlängern war natürlich gut und richtig!» Er wirft dem Bundesrat aber gleichzeitig vor, dass er sich damit «elegant aus der Affäre gezogen» habe.

Die Verlängerung des Rechtsstillstand ist für Alex Bähler, Managing Director von Media Reisen «auf jeden Fall schon mal begrüssenswert», wie er verrät, «weil es aufzeigt, dass der Bundesrat sich bewusst ist beziehungsweise wird, dass wir als Branche überproportional leiden in diesen Tagen, Wochen und Monaten.» Mario Würsch, Inhaber von Bucher Travel in Luzern, zeigt sich erfreut: «Ja, das ist ein wichtiger und positiver Entscheid für die Branche. Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere Kunden Verständnis für die Situation aufbringen.» Er appelliert aber gleichzeitig an die Airlines, den «von ihnen verschuldeten Missstand baldmöglichst in Ordnung zu bringen.»

Branche fordert finanzielle Hilfe

Die Mehrheit der vier von uns befragten Reisebüros freut sich also einerseits, dass der Rechtsstillstand verlängert worden ist, doch andererseits sei dies dennoch zu wenig, um die Existenz der angeschlagenen Betriebe zu sichern.

«Was wir brauchen ist finanzielle Hilfe, etwa dass die Kurzarbeitsentschädigung für Inhaber rückwirkend wieder aufgenommen wird oder dass Kredite nur teilweise zurückbezahlt werden müssen», führt Sassine aus. Sie begründet die Forderungen damit, dass die Reisebranche ein Härtefall sei und dringend so behandelt werden müsse. Grundsätzlich unterstütze sie alle Forderungen, welche im «Bericht zum Handlungsbedarf für eine Sonderlösung in der Reisebürobranche» von Hanser Consulting verlangt werde. «Solidarisch und auch persönlich bin ich mir da ziemlich einig mit den Wünschen der Aktion Mayday», sagt Bähler. Er wisse, dass dies kein Wunschkonzert sei und dass momentan vieles wieder im Parlament und nicht im Bundesrat zu entscheiden ist. Reber stellt seinerseits drei konkrete Forderungen: Eine Einnahmens-Ausfall-Entschädigung für Reisebüros, Kurzarbeitsentschädigung für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung und dass der Bundesrat anerkenne, dass sich die Branche in einer besonderen Situation befinde.

Der Umstand, dass nun das Parlament für weitere Unterstützungsleistungen zuständig ist, löst bei Bähler Befürchtungen aus, weil dadurch «anstelle von Lösungen für echte, dringende Probleme eher wieder ein parteipolitisches Tauziehen entsteht. Mit gewohntem, verzögerndem Element und entsprechend parteipolitischem Konsens. Angesichts der extremen Krise mit dieser Dringlichkeit für unsere Branche ein Unding», findet er. Auch Sassine zeigt sich skeptisch: «Das Problem ist, dass unsere Forderungen auf das Parlament geschoben werden, und Entscheidungen dauern dort erfahrungsgemäss ewig.» Beide wünschen sich vom Staat schnellere Entscheidungen und Hilfestellungen. Denn diese sind heute dringlicher denn je.

Aktion Mayday ist enttäuscht

Die «Aktion Mayday», welche sich für die Reisebüros stark macht, hat sich nach dem gestrigen Entscheid mit einem Statement an die Schweizer Reisebranche gerichtet: «Die Aktion Mayday hat die gestrigen Ergebnisse aus Bundesbern zur Kenntnis genommen und ist enttäuscht, dass ausser dem verlängerten Rechtsstillstand keine weiteren staatlichen Unterstützungen gesprochen wurden. Der Rechtsstillstand macht wirtschaftlich Sinn, hilft aber den kleinen Reisebüros in der jetzigen Situation nur bedingt weiter. Unverständlich, dass unsere Branche nicht zumindest als Härtefall deklariert und weder eine Erweiterung der Kurzarbeit noch Unterstützung für Inhaber gesprochen wurde.»

Weiter verweist die Interessensgruppe noch einmal auf den veröffentlichten Bericht von Hanser Consulting und die darin enthaltenen Forderungen. «Dies ist die Stossrichtung, welche wir weiterverfolgen müssen um unsere Forderungen in der Politik platzieren zu können», steht darin. Die Aktion Mayday bleibe demnach weiterhin in Kontakt mit der Taskforce der Schweizer Reisebranche und bringe dort die Anliegen der Basis direkt ein.

Auch der Schweizer Reise-Verband (SRV) hat in einem speziellen Communiqué nochmals auf die Erkenntnisse aus dem Bericht von Hanser Consulting hingewiesen.