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Wohin führt der Weg der (Schweizer) Reisebranche? Zunächst einmal wird der Bundesrats-Entscheid vom Mittwoch wegweisend für die Existenz oder Nicht-Existenz vieler Reiseunternehmens sein. Bild: Vadim Sadovski

«Wir müssen wohl bis zur Parlaments-Session im September nochmals Druck machen»

Jean-Claude Raemy

Morgen wird sich der Bundesrat voraussichtlich zu Hilfeleistungen für Härtefall-Branchen äussern. Die Outgoing-Reisebranche hofft, dass ihr dabei von Bern unter die Arme gegriffen wird. Von der «Taskforce Reisebranche» wurde das Feld bestmöglich vorbereitet, und mit externer Hilfe will man für jedes Szenario gewappnet sein. Eine direkte Finanzhilfe dürfte morgen kaum zu erwarten sein, da Geldspritzen vom Parlament bewilligt sein müssen. Travelnews hat sich mit SRV-Geschäftsführer Walter Kunz und mit SRV-Ressortleiter Politik André Lüthi unterhalten.

Die Reisebranche fiebert abermals dem Mittwoch entgegen. Ein Entscheid hinsichtlich vor allem zwei zentralen und für viele Reiseunternehmen lebenswichtigen Angelegenheiten - einem allfälligen Hilfspaket für die Reisebranche sowie einer rückwirkend wirksamen Kurzarbeitsentschädigung für Angestellte in arbeitgeberähnlicher Position sowie deren Partner - war eigentlich schon am Mittwoch letzter Woche erwartet worden, wurde jedoch auf diese Woche vertagt.

In der Zwischenzeit machte die «Taskforce Reisebranche», bestehend aus den Verbänden SRV, STAR und TPA, nochmals Druck. So ist einem jeweils separaten Communiqué dieser Verbände zu entnehmen, dass André Lüthi (Fachleiter Politik beim SRV) am Montag (24. August) mit Bundesrätin und Justizdepartements-Vorsteherin Karin Keller-Suter zusammensitzen konnte, um die Anliegen der Reisebranche vor der entscheidenden Bundesratssitzung zu diskutieren. Eingefädelt hatte das abends stattfindende Gespräch einmal mehr Nationalrat Andreas Aebi, der beim Gespräch ebenfalls zugegen war.

Zum Gesprächsinhalt erklärt André Lüthi auf Anfrage von Travelnews: «Das Gespräch mit Frau Keller-Suter war sehr angenehm und sie ist sich der Lage der Branche sehr bewusst. Es wurden diverse Ansätze diskutiert.» So zum Beispiel die wichtige Frage der Härtefälle. In der Quintessenz kam heraus, dass sich hinsichtlich der Frage um die Verlängerung des Erwerbsersatzes die Departements in Bern nicht ganz einig sind; überdies könne der Bundesrat inzwischen nicht mehr so einfach Geld sprechen wie auch schon. Der Entscheid über Hilfsleistungen wird über das Parlament laufen. Der Bundesrat hätte aber beispielsweise die Kompetenz, den Rechtsstillstand zu verlängern. Lüthi prognostiziert: «Wir müssen uns wohl darauf vorbereiten, bis zur Parlaments-Session im September nochmals Arbeit zu leisten und Druck zu machen.»

Sofortiger Geldsegen dürfte also nicht zu erwarten sein. Überhaupt gibt es viel Skepsis hinsichtlich einer Finanzhilfe in Form von Geld im Giesskannenprinzip: Das würde quasi als Präzedenzfall viele Begehrlichkeiten auch bei anderen Branchen wecken, darüber hinaus wäre der Verteilschlüssel innerhalb der Branche völlig unklar. Es ist wohl eher zu erwarten, dass der Bundesrat Massnahmen für diverse, eben als «Härtefälle» definierte Branchen (ob dieser die Reisebranche als solche sieht, ist unbekannt) präsentiert.

Es ist immerhin bemerkenswert, dass die Taskforce Reisebranche inzwischen vier Einzelgespräche mit Bundesräten führen konnte - nebst jenem mit Keller-Suter gab es auch Gespräche mit Aussenminister Ignazio Cassis und Wirtschaftsminister Guy Parmelin sowie eines mit Finanzminister Ueli Maurer. Das sind nicht einfach «Photo Opportunities» für die Taskforce, sondern da konnte direkt Einfluss genommen werden, und zwar bei 4 von insgesamt 7 Bundesräten. Solchen direkten Zugang in die oberste Exekutive des Landes erhielten nicht viele Branchen.

Positiver Entscheid ist alles andere als sicher

Das darf man ebenso als positives Zeichen sehen wie der Umstand, dass Wirtschaftsminister Guy Parmelin bei der Generalversammlung des Schweizer Tourismus-Verbands (STV) jüngst explizit in einer Rede darauf hinwies, dass er sich der Probleme der Outgoing-Branche bewusst sei. Trotzdem ist ein positiver Bescheid für die Reisebranche alles andere als in trockenen Tüchern - es ist überdies auch möglich, dass sich der Bundesrat abermals noch nicht definitiv zu beiden eingangs erwähnten Themen äussert, also vielleicht nur zu einem oder zu gar keinem.

SRV-Geschäftsführer Walter Kunz, selber aktiver Teil der Taskforce, will selber keine Prognose zum Bundesrats-Entscheid wagen. Allerdings sei man für jeden Fall vorbereitet. Es war ja lange die Rede von einem «Plan B»; nun ist auch bekannt, wer diesen primär tragen wird: So hat die Taskforce die renommierte Berner Kommunikations- und Lobbyingfirma FurrerHugi damit beauftragt. Nach einem ersten Treffen lag auch die erste Empfehlung vor: Mit den Aktivitäten warten, bis der Bundesratsentscheid vorliegt. Liegt dieser dann vor, kann man Kommunikations-Aktivitäten zielgerecht angehen.

Kommunikation war ja in den letzten Monaten immer mal wieder als Schwachpunkt vor allem des SRV angeprangert worden. Dieser hat die Kritik aufgenommen und hat, wie in einem weiteren Communiqué bemerkt, «die eigene Arbeit hinterfragt und die Verbandskommunikation extern prüfen und bewerten lassen.» Wie SRV-Geschäftsführer Walter Kunz auf Travelnews-Anfrage erklärt, wurde hierfür die Kommunikationsexpertin und frühere Fernsehmoderatorin Christine Maier beigezogen: «Sie hat unsere Kommunikation eingehend geprüft und schonungslos dokumentiert und uns gezeigt, wo wir uns noch verbessern müssen, etwa im Bereich Social Media. Es gab aber auch viele positive Punkte.» Nun werde man daran arbeiten, die eigene Kommunikation zu verbessern sowie auch, wie früher schon angekündigt, die einzelnen Interessensgruppierungen (allen voran wohl  die «Aktion Mayday») besser einzubinden, um die Krise zu bewältigen.

Die Budgetierung 2021 wird schwierig

Das ist löblich, aber auch kostspielig. Das Engagement von Christine Maier ist abgeschlossen und war rein SRV-getragen; das Engagement von FurrerHugi - welches schon seit Jahren im Raum steht, für welches der SRV bislang aber keinen konkreten «politischen Nutzen» sah - steht noch bevor. Wie teuer dieses ist, will Kunz nicht verraten; er verweist aber darauf, dass das Budget hierfür einerseits gedeckelt sei und die Kosten auch von der Taskforce, also von den drei Verbänden gemeinsam, getragen werden. Ebenso werden aus Sicht des SRV die anfallenden Kosten noch in die Bilanz für das aktuelle Geschäftsjahr 2019/2020 (welches noch bis Ende September läuft) genommen, um nicht das Folgejahr zu belasten.

Denn dieses liegt dem SRV - gleich wie allen Unternehmen der Reisebranche - planerisch schwer auf dem Magen. Die Budgetierung wird alles andere als einfach sein. Zum einen hat der Verband ja für das kommende Geschäftsjahr eine Halbierung der Mitgliederbeiträge in Aussicht gestellt. Dies bei gleichzeitigem Schwund der Mitglieder, welcher aktuell im Umfang nicht wirklich vorhersehbar ist. Hierbei operiert der SRV laut Kunz mit verschiedenen Szenarien, darunter natürlich auch ein Worst-Case-Szenario mit bis zu 30 Prozent weniger Reiseunternehmen als SRV-Mitgliedern. Hinzu kommt, dass es für die vom Bund vorgegebenen Anpassungen der Ausbildung «Kaufleuten 2022» in den nächsten beiden Jahren einen zusätzlichen Finanzbedarf von rund 100’000 Franken gibt. Ebenso sei keine Reduktion auf dem Solidaritätsbeitrag von 400 Franken für die Aus- und Weiterbildung vorgesehen.

Unter dem Strich heisst das also, dass bei deutlich tieferen Einnahmen die Kosten erst mal steigen. Das wird massive Sparmassnahmen zur Folge haben. Wie diese aussehen, muss der SRV in den kommenden Monaten bei der Budgetgestaltung festlegen. Zum einen kann man Verluste sicher bis zu einem gewissen Grad aus dem Vereinsvermögen abfedern, zum anderen wird man nicht um darum herumkommen, harte Entscheidungen zu treffen. An die Einstellung eines an sich benötigten Social-Media-Verantwortlichen dürfte vorerst kaum zu denken sein.

Doch primär mal geht es darum, wie die Branche durch das aktuelle Jahr kommt. Aus Sicht von Kunz geht es darum, jetzt möglich geeint vorzugehen und den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze und Unternehmen zu sichern, natürlich aus eigener Kraft, aber auch mit politischer Hilfe. Das politische Parkett wurde - vielleicht erst spät, aber dafür intensiv - bearbeitet. Die Branche drückt sich selber die Daumen, dass Hilfe kommt, in welcher Form auch immer. Verlängerung Rechtsstillstand, Erwerbsersatz-Zugestehung, à-fonds-perdu-Kredit: Diese Varianten stehen primär im Raum, einzeln oder alle zusammen oder gar keine. Was, wenn keine Hilfe in dieser Form kommt? «Dann würden Arbeitsplätze verloren gehen, was die Politik ja auch Geld kosten würde, in Form von Arbeitslosengeldern und dergleichen», argumentiert Kunz, nicht ohne nochmals anzufügen: «Was auch immer morgen passiert, es wird einen Follow-up von uns allen und mit FurrerHugi geben.» Darüber hinaus kann man lediglich hoffen, dass sich der Markt und die Branche demnächst etwas erholen. Auch dafür braucht es politische Rahmenbedingungen, die den Reisenden wieder Vertrauen geben und den Reiseunternehmen konkrete Planungsmöglichkeiten bieten. Um den berühmten Werbespruch von Esso aus den 80ern zu bemühen: «Es gibt viel zu tun, packen wir's an.»