Reiseanbieter

Kurt Oberortner von Legends Travel kann sich immerhin darüber freuen, dass zahlreiche Kunden ihre (Honeymoon-)Ferien verschoben statt annulliert haben. Bild: JCR

«Eine gemeinsame Marketingaktion der Branche wäre schön»

Auf Ferndestinationen spezialisierte Reiseveranstalter haben es momentan schwer. Wir haben bei Kurt Oberortner, dem Inhaber des Zürcher Nischenspezialisten Legends Travel, nachgefragt, wie die aktuelle Lage aussieht.

Im Januar 2019 übernahm Kurt Oberortner von Daniel Stöckli den Zürcher Spezialisten Legends Travel. Dieser ist insbesondere auf Traumziele im Indischen Ozean, im asiatisch-südpazifischen Raum sowie in Afrika spezialisiert und spricht vor allem Honeymooner an, und betreibt dabei auch ein klassisches Retailing. Wegen der Corona-Krise sind Fernziele aktuell kaum bereisbar - wie hält sich das sechsköpfige Team von Legends Travel (wobei da noch die vormaligen Inhaber eingerechnet sind, die nur noch sporadisch helfen) über Wasser? Oberortner gibt Antwort.


Herr Oberortner, welche Mittel hat Legends Travel ergriffen, um den Nachfragerückgang zu bewältigen?

Wir haben alle möglichen Mittel eingesetzt, um einigermassen gut aus der Krise zu kommen. Wir haben einen Kredit beantragt und bewilligt bekommen, Kurzarbeit schon frühzeitig angemeldet und auch teilweise die Pensen dort reduziert, wo wir keine Kurzarbeits-Entschädigung bekommen (AHV-Bezüger). Alle haben sich sehr flexibel gezeigt, vor allem auch unser Vermieter, der uns fünf Monate lang 50 Prozent des Mietzinses erlässt. Das ist eine Privatperson, die ihr Einkommen vor allem aus den Mieten bezieht und damit also auf 50 Prozent des eigenen Salärs verzichtet. Ein sehr gutes Beispiel von Solidarität, an welchem sich die grossen Immobiliengesellschaften ein Beispiel nehmen sollten.

Honeymoon-Reisen in der Ferne sind wohl kaum ein Thema, aber geheiratet wird immer noch. Haben Sie Ihr Produkt bzw. Programm angepasst? Was wird nachgefragt?

Wir haben das Glück, dass rund 60 Prozent unserer Hochzeitspaare ihre Flitterwochen verschieben, auch weil sie bis Juni gar nicht mit einem Fest heiraten konnten. Viele haben gleich um ein Jahr Verschoben. Andere mit Abreise jetzt im Sommer verschieben in den Herbst mit der Hoffnung, dass unsere Destinationen im Herbst wieder aufgehen. Wieder andere buchen ihre Flitterwochen um, statt in Mauritius dann eben in Griechenland oder Portugal. Wir hatten auch schon Anfragen für die Schweiz, aber das war die Ausnahme.

Da unsere Reisen langfristig gebucht werden und wir bereits Anfragen für das nächste Jahr bearbeiten, haben wir unser Produkt kurzfristig nicht umgestellt. Wir bearbeiten aber sehr gerne auch Anfragen weltweit oder eben sehr lokal.

Was ist eigentlich mit den Hochzeitsmessen? Werden diese durchgeführt und seid ihr dabei?

Wir haben uns für die Hochzeitsmessen bis Ende Jahr angemeldet und die kleineren mit weniger als 1000 Besucher pro Tag haben bereits signalisiert, dass sie auch stattfinden werden, was uns natürlich sehr freut. Die grösseren Hochzeitsmessen, z.B. in St. Gallen, haben mehr als 1000 Besucher pro Tag und warten wohl noch ab, ob sich die erlaubte Zahl noch erhöhen wird und die Messe damit durchgeführt werden kann.

«Die Neubuchungen lassen sich an einer Hand abzählen.»

Wie läuft es im Bereich Retailing?

Wohl gleich wie überall im Moment. Wir sind so flexibel wie möglich und verhandeln Preise, wenn die Kunden in eine teurere Saison umbuchen wollen, auch schon mal neu. Es gibt einige telefonische Anfragen dazu, wo es im Moment möglich sei, eine schöne Hochzeitsreise durchzuführen. Da landen wir halt wie erwähnt bei den Destinationen Portugal und Griechenland, die wir vermitteln. Allerdings lassen sich die Neubuchungen an einer Hand abzählen.

Was sind aus Ihrer Sicht die dringlichsten Probleme, welche die (Schweizer) Reisebranche bewältigen muss, um aus der Krise zu finden?

Das, was mich mit Abstand am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass der Bundesrat Ende Mai die Entschädigung für Selbständige nach nur zwei Monaten wieder abgeschafft hat. Ich habe, wie vieler meiner Branchenkollegen auch, jahrzehntelang in eine Arbeitslosen-Versicherung einbezahlt und wenn man sie mal braucht, wird ein Passus gefunden, um nichts bezahlen zu müssen. Das erinnert mich leider sehr stark an die Reiseversicherungen...

Um wieder aus der Krise zu finden, brauchen wir wieder eine bessere Zusammenarbeit mit den Airlines und generell mit den Leistungsträgern. Wir müssen uns alle sehr flexibel verhaltet und wieder vermehrt kommunizieren. Anstatt dass jeder Veranstalter wieder viel Geld in die Werbung steckt, wäre es schön, eine gemeinsame Marketingaktion zu starten mit allen Vorteilen, die der Kunde hat, wenn er in Zukunft im Reisebüro bucht. Beispielsweise, dass dieser nicht stundenlang am Telefon mit den Airlines warten muss.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Legends Travel gut herauskommt, und weshalb?

Für uns wird es entscheidend sein, wann unsere Kerndestinationen wie die Seychellen, Mauritius, Malediven etc. wieder richtig aufgehen. Sollte dies im Herbst der Fall sein, sind wir zuversichtlich, aus der Krise einigermassen heil rauszukommen. Unsere Kunden haben uns ihr Vertrauen ausgesprochen und umgebucht. Auch bei Annullationen haben Stammkunden ihr Geld für die nächste Reise stehen lassen. Wir zählen also auf treue Stammkunden, die wieder reisen wollen, sowie den Fakt «Geheiratet wird immer». Trotz Corona und C02-Diskussion wollen viele Paare auch nächstes Jahr in die Flitterwochen.

Ihr bewegt Euch in einer Nische – «Grosse» suchen bekanntlich noch Nischenspezialisten. Ist allenfalls ein Verkauf ein Thema?

Da ich Legends Travel erst Anfang 2019 übernommen habe, ist ein Verkauf im Moment kein Thema.

(JCR)