Reiseanbieter

Es ist zum Haareraufen: Der jüngste Entscheid im Parlament vertagt die Möglichkeit auf Kurzarbeits-Entschädigungen für Personen in arbeitgeberähnlicher Position. Bild: Ahmad Gunnaivi

Kurzarbeits-Nicht-Entschädigung: Die Reisebranchen-KMU toben

Mindestens bis in den Herbst gibt es für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung, also zahlreiche Reisebüro-Inhaber, kein Anrecht mehr auf Kurzarbeits-Entschädigung. Das bringt viele in Rage. Wir haben bei einigen nachgefragt und lancieren hierzu eine Umfrage.

Seit dem 1. Juni können direkt oder indirekt von der Corona-Krise betroffene Selbstständigerwerbende keine Erwerbsausfallentschädigung mehr beziehen. Das stellt sehr viele Reisebüros - klassische inhabergeführte KMUs, wo zusätzlich noch das Problem der trotz Lockerung weiterhin nicht sprunghaft ansteigenden Erträge anfällt - vor erhebliche Probleme.

Zwar erklärte der Bundesrat kürzlich, er werde Härtefälle prüfen. Das führte zunächst zur Hoffnung, dass der Entscheid eventuell zurückgenommen wird oder für die Reisebranche eine Ausnahme gemacht werden kann. Doch mit einem gestrigen Nationalratsentscheid ist die Sache zumindest bis zur nächsten Parlaments-Session im September vom Tisch. Eine Motion aus der «Kommission für soziale Sicherheit» forderte, den Entscheid rückgängig zu machen; sie wurde aber zu spät eingereicht, als dass der Bundesrat diese in der gesetzlichen Frist beantworten könnte. Ein Ordnungsantrag der SP, wonach man diese trotzdem noch dringlich in der Sommersession behandeln solle, wurde zunächst angenommen, dann aber wieder verworfen. Die Mühlen der Politik sind langsam - für viele zu langsam in der aktuellen Notsituation.

Reicht es, wenn im Herbst möglicherweise die Kurzarbeitsentschädigung (KAE) auch für Selbständigerwerbende wieder eingeführt wird? Zudem ist das ja nicht mal sicher, denn das Wirtschaftsdepartement (WBF) erarbeitet derzeit lediglich «weitere Massnahmen für verschiedene Branchen», ohne präziser zu werden. Wir haben von Reisebüro-Inhabern einiges gehört, und auf Social Media weitere empörte Voten gelesen. Anbei zwei Aussagen:

«Ich wünsche mir, dass die Politik über ihren Schatten springt»

Roman Mattle, Geschäftsinhaber Mawi Reisen sagt etwa: «Dieser Entscheid, betrifft ja in erster Linie mich als Inhaber, der obwohl er einen Laden führt, keine Entschädigung für seine Arbeit erhält. Somit habe ich keine Einnahmen und nur Ausgaben im Moment. Aus politischer Sicht ist es natürlich eine relativ einfache Sache, einfach zu sagen, der Entscheid wird in den Herbst verschoben. Aber wir Reisebüros brauchen das Geld jetzt und nicht erst im Oktober oder November, wenn das Geschäft definitiv behandelt wird». Dennoch habe er aufgrund des Entscheides keine speziellen Sparmassnahmen für das Unternehmen getroffen: «Ich erhalte in dieser Zeit nun einfach keinen Lohn. Denn ich kann mir jetzt nicht einfach von der Firma einen Lohn auszahlen lassen und die Finanzen noch mehr belasten, wenn ich dafür vom Staat keine Entschädigung kriege. Sonst muss ich den grossen Corona-Kredit anbrauchen, den ich erhalten habe. Wie ich diesen dann zurückbezahlen soll – mit den Margen die wir in der Reisebranche haben - weiss ich nicht. Es ist nicht so einfach.»

Es bleibt also zu hoffen, dass das Geschäft wieder zu laufen beginnt. Im Moment sei dies aber noch nicht der Fall: «Ein gewisses Interesse ist schon da, aber was zählt sind am Ende die Einnahmen. In den Medien kursieren viele gute Nachrichten darüber, dass man wieder Verreisen kann. Dennoch kommt es zu keinen Buchungsabschlüssen. Klar sind wir überall reduziert mit unserem Personal und dieses arbeitet in Kurzarbeit, aber wir müssen auch etwas verkaufen. Alleine die gute Stimmung in der Öffentlichkeit und die Lust auf Ferien reichen dazu nicht aus. Und genau diese Situation haben wir im Moment in der Reisebranche. Solange das Personal in Kurzarbeit bleiben kann ist es mehr oder weniger okay. Dennoch ist es für mich unverständlich, dass die Leute, die ein Geschäft leiten und versuchen, Wege zu finden, dieses wieder anzukurbeln, gratis arbeiten müssen. Das sehen gewisse Personen im Staat nicht. Zum Beispiel der oberste Chef der ganzen Geschichte, Guy Parmelin. Er sieht nicht, wie es in der Privatwirtschaft läuft. Er ist einfach ein grosser Weinbauer und hat seine Lobby sowie sein Bundeshaus-Gehalt. Die Sorgen und Nöte des einzelnen KMUs sieht er nicht und kann deshalb nicht nachfühlen, wie die Situation für uns ist. Für mich ist das eine politische Tragik.»

Doch wie könnte das Problem gelöst werden? «Ich wünsche mir, dass die Politik über ihren Schatten springt und die Kurzarbeitsentschädigung auch für Inhaber wie bis anhin bezahlt und in einem halben Jahr schaut, wie es weitergeht. Der Schaden kann am Ende grösser sein, wenn die Geschäfte schliessen und Arbeitslosengelder bezogen werden müssen und staatliche Unterstützung benötigt wird oder der Covid-Kredit benutzt wird und dieser nicht mehr zurückbezahlt werden kann. Ich bedauere, dass alle Leute, die mit mir in der Reisebranche arbeiten und andere KMU’s die nichts mehr erhalten aber trotzdem weiter kämpfen, dennoch kein Gehör in der Politik finden.»

«Man sollte uns den Staatskredit schenken»

Marcel Gsell (Sunshine Reisen) spricht in der aktuellen Corona-Krise von «existenziellen Sorgen für viele Reisebüro-Inhaber» und erklärt, dass die Politik natürlich keine Schuld an der Coronakrise treffe, jedoch nicht genügend Mittel zur Abhilfe geschaffen wurden: «Dass keine KAE gezahlt wird, bringt viele Reisebüro-Inhaber, die vielleicht gemeinsam mit der Frau das Büro führen und auch noch Lehrlinge anstellen - allesamt nicht mehr bezugsberechtigt - innerhalb von 1-2 Monaten zur Geschäftsaufgabe.» Es seien einfach keine Existenzgrundlagen mehr da, weil der Lohn nicht mehr ausbezahlt werden kann, da zurzeit einfach nichts hereinkommt. «Ich habe mich auch schon mit minderheitsbeteiligten Geschäftsführern von meinen Filialen ausgetauscht, diese machen sich natürlich auch Sorgen», führt Gsell weiter aus.

Er selber sei gezwungen, auf Altersguthaben zurückzugreifen, aber ewig könne er dies auch nicht tun - käme es zu einer 2. Welle mit Lockdown bzw. neuen Reiseverboten, werde auch seine Einzelfirma «nach 30 erfolgreichen Jahren» schliessen müssen: «Nicht alle haben genügend Reserven oder zusätzliche Einnahmequellen», sagt er mit Verweis auf die mancherorts bestehende Vorstellung, dass KMU-Inhaber viel Geld haben. Er hofft nun, dass sich die Lage soweit erholt, dass das Konkursrisiko nicht mehr besteht und nicht «viele Reisebüro-Inhaber aufgeben müssen oder gar zum Sozialfall werden.»

Eine zusätzliche Lösung sieht er, wenn der Staatskredit für KMU, den viele Reisebüros verlangt und erhalten, teils aber noch nicht verwendet haben, zumal sie diesen zurückzahlen müssen, den Unternehmen geschenkt wird. Eine «à fonds perdu»-Lösung also...

(JCR/NWI)