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Kurt Eberhard: «Auch wenn die Krise in diesem Ausmass einmalig ist, kann man feststellen, dass die Reisebranche nicht so schnell aus der Fassung zu bringen ist.» Bild: zVg

«Die Situation ist unglaublich schwierig»

Jean-Claude Raemy

TTS-Präsident Kurt Eberhard schildert, was die Vereinigung aktuell durchlebt und für ihre Mitglieder unternimmt - und weshalb neue Kooperationsformen nötig sind.

Seit bald sechs Wochen ist Kurt Eberhard neuer Präsident der Reisebüro- und Reiseveranstalter-Vereinigung Travel Trade Service (TTS). Der Gründer von Let's go Tours und frühere Hotelplan-CEO hat sich seitdem stark im öffentlichen Diskurs um die Branche engagiert. Wir haben uns mit ihm über seine Ziele und Erwartungen unterhalten.


Herr Eberhard, Sie sind seit einigen Wochen TTS-Präsident. Was sind Ihre wichtigsten Ziele in dieser Funktion, kurz- und auch langfristig?

Kurzfristig geht es um das Abwenden eines Totalschadens für die TTS als Organisation. Hier gibt es zwei Ansatzpunkte. Erstens, die eigenen Hausaufgaben machen und zweitens, die Aktionäre/Mitglieder wo immer möglich unterstützen, um sie durch die Krise zu begleiten. Die Hausaufgaben haben wir insofern gemacht, in dem wir zügig nach Einsetzen der Krise die Lage analysiert und Massnahmen zur Kostenreduktion eingeleitet haben. Eine der Massnahmen, war die vorzeitige Vertragsauflösung mit dem designierten Geschäftsführer Cornel Küng. Das war ein schwieriger aber leider unumgänglicher Entscheid.

Langfristig müssen wir die TTS auf einen Wachstumspfad zurückbringen. Die Gewinnung von neuen Mitgliedern ist zwar ein Dauerthema, ist aber im Kontext von Corona gerade etwas in den Hintergrund gerückt. Alle haben andere Prioritäten. Allerdings wird sich das wieder ändern.

Wie geht es denn den TTS-Mitgliedern?

Die Situation ist unglaublich schwierig. Alle kämpfen ums nackte Überleben. Es geht den TTS-Mitglieder in dieser Krise nicht besser oder schlechter als dem Rest der Branche. Wir stellen einen guten Querschnitt der Schweizer Reisebüro- und Veranstalterszene dar. Die einen haben etwas mehr Reserven als die anderen. Was mich bei der Branche im Generellen und bei unseren Mitglieder im Speziellen beeindruckt, ist wie man mit relativer Nüchternheit und viel Pragmatismus den Alltag meistert. Auch wenn die Krise in diesem Ausmass einmalig ist, kann man feststellen, dass die Reisebranche nicht so schnell aus der Fassung zu bringen ist. Wir sind uns gewohnt Krisen zu meistern und das kommt uns nun zu gut.

Wie kann denn der TTS als Dachorganisation helfend beitragen?

Die vorgängig erwähnten Kostenreduktionen haben auch direkte Folgen für unsere Aktionäre in Form von tieferen Mitgliederbeiträgen. Andere Organisationen sind uns diesbezüglich bereits gefolgt. Ausserdem bieten wir Hand bei der Umsetzung von betriebsinternen Massnahmen oder indem wir beispielsweise Videokonferenzen zu bestimmten Themen anbieten. Auch das Nachverhandeln von Verträgen ist eine Massnahme.

Sie haben mit der Bellavventura GmbH ein privates Standbein. Beratung ist jetzt mehr denn je nötig für Tourismusunternehmen. Waren Sie damit in letzter Zeit sehr aktiv?

Die Bellavventura GmbH ist ein Vehikel, um Beratungsmandate darüber abzuwickeln. Im Moment besteht viel Beratungsbedarf, aber den meisten fehlt logischerweise das Geld. Bis dato bestand auch keine Absicht, mit der Bellavventura GmbH ein Reisegeschäft oder ähnlich zu betreiben. Das kann sich auch wieder mal ändern aber im Moment bestehen keine konkreten Pläne. Ich kümmere mich aktuell vor allem um die TTS.

«Es besteht Hoffnung, dass wir noch einen guten Herbst erleben.»

Welches sind ihre wichtigsten Anliegen für die Branche im Allgemeinen? Und wie gedenken Sie, diesen Anliegen Gehör/Abhilfe zu verschaffen?

Ich glaube, diese Krise wird unsere Branche nachhaltig verändern. Es wird wohl zu unvermeidlichen Konkursen, Schliessungen, Fusionen etc. kommen. Deshalb müssen wir alle zusammenrücken. Die Verhandlungen mit der Politik, Ämter und Airlines unter Führung des SRV haben gezeigt, dass man durchaus zusammen an einen Tisch sitzen kann, wenn es nötig ist. Diese Dynamik gilt es zu nutzen und über grundsätzliche neue Kooperationen nachzudenken. Dies auf allen Ebenen. Bewegungen wie «Aktion Mayday» oder die Closed-User-Gruppe auf Facebook «Schweizer Reisebranche – Treffpunkt für Insider» zeigen, dass es nicht wenige gibt, die bereit sind, sich für die Branche über Verbandsgrenzen hinaus zu engagieren.

Kommunikation ist zweifellos wichtig, gerade in Krisenzeiten. Wie sieht denn effiziente Kommunikation aus Ihrer Sicht aus?

Kommunikation ist ein Begriff, der sehr unterschiedlich ausgelegt wird. Ich bin kein Spezialist auf diesem Gebiet. Was ich feststelle, ist, dass heute ein viel dynamischeres Informationsbedürfnis und -verhalten herrscht, als noch vor ein paar Jahren. Man kann heute nicht mehr nur über rein klassische Newsletter oder Communiqués kommunizieren. Die vorgängig erwähnten Bewegungen zeigen, wie man es machen kann. Information muss schnell und trotzdem akkurat und verlässlich vom Sender zum Empfänger gelangen.

Was hat der TTS da unternommen?

Die Krise hat uns dazu gezwungen, mehr über Videocalls zu kommunizieren. Ein hervorragendes Medium, um schnell und effizient viele zu erreichen.

Abschliessend: Wie lautet Ihre Prognose für das Restjahr 2020? Glauben Sie, dass sich nun die Lage langsam entspannt, oder bleibt es bis ins nächste Jahr nachfrageseitig noch extrem eng?

Wenn ich sehe, mit welchem Tempo und welcher Euphorie die touristischen Zielgebiete, insbesondere im Mittelmeer, die Grenzen öffnen, stimmt mich das optimistisch. Die Frage, ob auch die Kunden mitmachen, ist noch nicht beantwortet. Mit etwas Glück regnet es ja die nächsten zwei Monate ohne Unterbruch… Ausserdem, es besteht Hoffnung, dass wir noch einen guten Herbst erleben. Im Langstreckengeschäft ist Optimismus noch etwas weniger angebracht. Und selbst wenn die Destinationen wieder aufgehen, muss man ja dann auch noch hinkommen. Das Jahr wird bei allem Optimismus ein Totalabsturz. Nächstes Jahr wird es wieder besser.