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Man sollte im Dickicht der Probleme und Anliegen nicht vergessen, auch mal das Positive zu sehen. Bild: Katy Austin

Kommentar Die Reisebranche sollte sich nicht überschätzen

Jean-Claude Raemy

Der SRV hat vieles erreicht. Das ist nicht so selbstverständlich, wie manche meinen.

Der SRV halbiert die Mitgliederbeiträge im kommenden Jahr, ohne die Ausbildung zu beschneiden. Das ist eine gute Geste, die den gebeutelten Mitgliedern wohl nicht gerade zum Überleben gereicht, aber ein wichtiges Signal setzt.

Noch wichtiger: Man konnte in Bern an einer Runde dabei sein, in welcher deutlich gewichtigere Verbände wie Economiesuisse oder der Arbeitgeberverband zugegen waren. Das ist alles andere als selbstverständlich - so wenig wie das Erreichen einer Ausnahmeregelung für die Reisebranche mit der Verlängerung des Rechtsstillstands. Wer erwartet hatte, dass SRV-Präsident Max E. Katz in so eine Runde einfach reinlaufen kann und mit einem Cheque in der Hand wieder rausläuft, liegt falsch. Die politische Arbeit in Bern ist langatmig, braucht Netzwerk und Geduld - und gerade Letzteres fehlt momentan an allen Ecken.

Es ist aber nun mal nicht so, dass sich eine vergleichsweise kleine Branche, wir sprechen hier von der Outgoing-Reisebranche, so plötzlich Gehör in Bern verschaffen kann. Und Gehör verschafft man sich primär mal, indem man relevant ist. Die Incoming-Reisebranche bietet in der Schweiz ungefähr 230'000 Arbeitsplätze, die Outgoing-Reisebranche weniger als 10'000. Die Wertschöpfung der Outgoing-Reisebranche liegt hauptsächlich im Ausland. Das muss man sich einfach vor Augen führen. Und damit wird nicht abgestritten, dass die Outgoing-Reisebranche etwa gerade bei der Repatriierung von gestrandeten Schweizern eine wichtige Rolle spielte. Sie ist eine wichtige, gute, tolle Branche. Aber in der harten politischen und wirtschaftlichen Realität sind wir den Kleinen zuzurechnen. Deshalb darf man die Erwartungen an den SRV - welcher nun mal als Sprachrohr des Outgoing in Bern fungiert - auch nicht überhöhen. Der SRV wurde nicht von der Branche «beauftragt», sondern das hat sich so ergeben. Und dabei wurden andere Verbände wie STAR und TPA mit einbezogen, um möglichst das Optimum für die ganze Branche zu erreichen. Und für das bisher Erreichte gebührt Anerkennung, auch wenn es noch viel zu tun gibt.

Der SRV wird nun weiterhin Forderungen in Bern einbringen. Es gibt wie gesagt viel zu tun. Etwa hinsichtlich Kurzarbeitsentschädigung für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung, welche die Reisebranche besonders trifft, weil rund 88 Prozent der Reisebranchen-KMU inhabergeführt sind und bei fast einem Drittel davon auch Partner mit einbezogen sind (welche ebenfalls keinen KAE-Anspruch haben). Die Reisebranche ist da nicht allein - gemeinsam mit anderen Wirtschafts- und Tourismus-Verbänden kann vielleicht etwas erreicht werden. Ebenso, wie man gemeinsam mit anderen Outgoing-Reisebranchen-Verbänden auch nach innen etwas erreicht.

Eine im Raum stehende Forderung nach einem «Dachverband» fürs Outgoing sollte zurzeit jedenfalls keine Priorität haben. Zumal es im Prinzip mit dem Schweizer Tourismus-Verband (STV) schon so einen Dachverband gibt - der SRV ist dort auch Mitglied; doch ist der STV klar Incoming-orientiert. Was wir sagen wollen: Zunächst mal sollte man sich zusammenraufen und an den Lösungen arbeiten, die nun den wirtschaftlichen Bestand sichern. Und diese Lösungen ergeben sich primär auf dem politischen Parkett in Bern. Dabei darf man sich nicht überschätzen, muss aber klar und möglichst effizient für seine Anliegen kämpfen. Wichtige Ziele wie die Überarbeitung des PRG sind längst deponiert; auch die Motion Markwalder müsste längst Gesetz sein, aber die Mühlen in Bern mahlen eben langsam, wie Christa Markwalder selber sagte. Das sind die wichtigsten Baustellen, welche die Outgoing-Reisebranche der Zukunft definieren werden.

Anschliessend kann man dann über Dachverbände und Vorstandszusammensetzungen debattieren.