Reiseanbieter

«Die Airlines haben in den letzten Jahren viel Not und Elend bei Reisebüros und Kunden verursacht», beklagt sich Hotelplan-Chef Thomas Stirnimann. Bild: HP

«Wir schiessen der Swiss Millionen vor»

Thomas Stirnimann, CEO der Hotelplan Group, wirft der Swiss vor, die Reisebranche in den Abgrund zu drängen. Er rechnet mit Reisebüro-Schliessungen.

Hotelplan-Chef Thomas Stirnimann kritisiert die Swiss scharf in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung». Es sei unglaublich, was sich die Swiss derzeit erlaube: «Wir und zahlreiche andere Reisebüros schiessen der Swiss und somit der Lufthansa Millionen von Kundengeldern vor, indem wir unseren Kunden ihr Geld zurückbezahlen, obwohl dieses von der Swiss blockiert wird. Die Kundengelder hat sie abkassiert und dann in ihren Systemen die Rückerstattung einseitig blockiert. Die Reisebüros sind aufgrund des Pauschalreise-Gesetzes indes verpflichtet, den Kunden das Geld bei Annullationen zurückzubezahlen. Aber von der Swiss kommt praktisch nichts. Bis jetzt war es nur ein Bruchteil.»

Mit ihrem egoistischen Vorgehen dränge die Swiss die gesamte Reisebranche an den Abgrund und sorgt bei Tausenden von Kunden für grosse Verärgerung. «Ich erwarte erste Rückzahlungen sobald die erste Tranche der Bankkredite fliesst, nicht erst im September», sagt Stirnimann.

Weiter fordert er eine gesetzliche Änderung: «Das Pauschalreisegesetz muss dringend überarbeitet werden. Und im Zuge dessen müssen die Airlines endlich dazu verpflichtet werden, die Kundengelder abzusichern. Sie haben in den letzten Jahren zu viel Not und Elend bei Reisebüros und Kunden verursacht. Sie behalten Gelder, die den Kunden gehören. Aber irgendwie haben sie es immer geschafft, sich dieser Verpflichtung der Kundengeldabsicherung zu entziehen.

Annullationen für 700 Millionen Franken

In den letzten acht Wochen verzeichnete Hotelplan Annullationen in der Höhe von 700 Millionen Franken. «Die Kosten für Marketing, Kataloge, Filialangestellte sind geblieben, die Einnahmen aber weg», beschreibt Stirnimann die missliche Lage. Die meisten Kunden wollten ihr Geld zurück statt einer Umbuchung. Hotelplan habe das Privileg, auf den Cash-Pool der Migros zurückzugreifen und somit Kunden schadlos halten zu können.

Nach einer Verlustprognose gefragt, sagt Stirnimann, es sei klar, die Zahlen würden dunkelrot ausfallen. Nun schliesst der Hotelplan-Chef auch Entlassungen nicht aus. Auch bei den 100 Fililalen gelte es wahrscheinlich Massnahmen zu treffen.

Aktuell sei die Anzahl Kunden, die in ein Reisebüro kommen, an einer Hand abzuzählen. Die sich fast täglich ändernden Regeln – muss ich mit Fiebermessen und Quarantäne rechnen? Wann gehen welche Grenzen auf? – seien Gift für das Geschäft.

«Aber ich bleibe Optimist», sagt Stirnimann zum Schluss. Das Bedürfnis, aus den eigenen Vier Wänden auszubrechen, sei nach wie vor da. «Die Lust am Reisen und Entdecken steckt in uns allen tief drin. Und es sieht ja jetzt insgesamt schon wesentlich besser aus als noch vor drei Wochen.»

(GWA)