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Verwirrung um einen in Bern abgelehnten neuen Garantiefonds
Jean-Claude RaemyDie Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats hat sich am vergangenen Freitag ein weiteres Mal mit den Auswirkungen der Coronavirus-Krise in der Reisebranche befasst. Nachdem die Bundesversammlung an der ausserordentlichen Session bereits einer Verlängerung des Rechtsstillstands für Kundenforderungen in der Reisebranche zugestimmt hatte, stellte sich die Kommission der Frage hinsichtlich der Schaffung eines Garantiefonds für solche Kundenforderungen.
Um es vorwegzunehmen: Mit 14 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission es abgelehnt, den Bundesrat mit der Schaffung eines neuen Garantiefonds zu beauftragen. Wer genau die Debatte angestossen hat, ist Kommissionsgeheimnis. Kommissionssekretärin Simone Peter erklärt auf Anfrage von Travelnews, dass über dieses Anliegen aber auch schon während der ausserordentlichen Session vor zwei Wochen diskutiert worden war, es aber erst nachträglich zu einer Abstimmung kam.
Nun muss man aber aufpassen, denn offenbar gibt es zwei unterschiedliche Anliegen. Obwohl nicht gesagt wird, wer die Debatte in der Kommission anregte, ist klar, worüber NICHT debattiert wurde: Nämlich über einen Vorschlag der «Corona-Taskforce der Reisebranche», unter Federführung des Schweizer Reise-Verbands (SRV), gemeinsam mit Vertretern des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) und des Bundesamtes für Justiz ausgearbeitet. Wie SRV-Präsident Max E. Katz gegenüber Travelnews ausführt, war man vom Bescheid der Kommission selber überrascht: «Offenbar wurde von Seiten des Konsumentenschutzes ein Vorstoss hinsichtlich eines Garantiefonds gemacht, welcher aber andere Ziele verfolgte.»
Der Plan von SRV, SECO und BJ sieht vor, einen Fonds einzurichten, welcher Kreditorenrisiken der Reisebüros abdecken würde. Ein Reisebüro ist ja gesetzlich verpflichtet, Kundengelder zurück zu erstatten - doch was, wenn der Leistungsträger, an welchen die Kundengelder bereits überwiesen wurden, in der Zwischenzeit Konkurs geht und die Rückvergütung gar nicht tätigt? Das würde die Reisebüros oder allenfalls auch die Reiseveranstalter in ihrer Existenz bedrohen. Dafür bräuchte es einen Schutzschirm, angedacht in Höhe von rund 500 Millionen Franken und «à fonds perdu», oder allenfalls auch eine Änderung des Pauschalreisegesetzes. «Wir arbeiten noch an unserem Vorschlag und werden diesen via SECO zu gegebener Zeit politisch entsprechend einbringen», erklärt Katz. Gerade heute (19. Mai) habe sich der SRV wieder mit Richard Kämpf (Leiter Tourismuspolitik beim SECO) darüber unterhalten.
Schutzschirm in anderer Ausarbeitung?
Wer wie votierte bzw. debattierte, fällt wie gesagt unter das Kommissionsgeheimnis, ebenso worüber da genau abgestimmt wurde. Kommissionssekretärin Simone Peter lässt aber durchblicken, dass der Antrag zur Schaffung eines solchen Fonds «in der aktuellen Auslegung» abgelehnt wurde. Die Tür für die Schaffung eines Garantiefonds sei keinesfalls zu. Die Kommission habe sich nicht auf die Schnelle festlegen wollen, weil noch zahlreiche Detailfragen abzuklären sind und auch gar nicht klar war, ob der Bundesrat überhaupt noch Zeit gehabt hätte, vor der Sommersession auf diesen Kommissionsantrag zu antworten. Der Faktor Zeit war also wesentlich und die Reisebüros haben mit der Verlängerung des Rechtsstillstands ja etwas «Schnauf» erhalten - wobei Simone Peter klar festhält, dass dieser Aufschub per se keine Probleme löst: «Die Verwaltung ist nun daran, neue Lösungen auszuarbeiten.»
Die Frage bleibt, ob es zu einer Art Garantiefonds kommt, welcher den Konsumenten zugute kommt, oder einem, welcher die Branche schützt. Eigentlich - aber das ist jetzt unsere eigene Spekulation - müsste Bern ein Interesse daran haben, die Schweizer KMUs zu schützen, also einen Garantiefonds oder allenfalls eine Gesetzgebung zu schaffen, welche die Reisebüros und Reiseveranstalter vor unverschuldetem Konkurs (infolge der eben nicht rückvergüteten, gegenüber dem Endkunden aber geschuldeten Buchungsgelder) schützt. Steuergelder hingegen zu nutzen, um Konsumenten direkt zu schützen, welche Gelder für ein «Luxusgut» wie Ferien bezahlt haben, selbige jedoch nun nicht antreten können, ist fragwürdig: Der finanzielle Schaden ist gewiss da und schmerzlich, doch wer sich Ferien leisten kann, nagte wohl noch nicht am Hungertuch. Klar ist, dass die Debatte in Bern weitergehen wird, und dabei die grundlegende Frage sein wird, wer nun Opfer bringen muss.