Reiseanbieter

Frostige Zeiten bei TUI: Den Coronavirus-bedingten beschleunigten Konzernanpassungen fallen unter anderem 8000 Arbeitsplätze zum Opfer. Bild: Marian Kroell

«Wir werden die Umwandlung unseres Konzerns in ein digitales Plattformgeschäft beschleunigen»

TUI hat die Resultate für das erste Geschäfts-Halbjahr präsentiert - und dabei auch skizziert, wie die künftige TUI aussehen wird: Schlanker und digitaler. Das geht auch auf Kosten von 8000 Vollzeit-Arbeitsstellen weltweit.

Die TUI Group hat heute morgen ihr Resultat für das erste Halbjahr 2019/2020 vorgestellt. Von Oktober bis Februar lag man demnach auf Kurs, bevor die Coronavirus-Krise für «die grösste Krise, mit welcher TUI jemals konfrontiert wurde» sorgte, wie das Unternehmen mitteilt. So resultierte unter dem Strich ein Rückgang des bereinigten EBIT um 512 Millionen Euro auf total 813 Millionen Euro; die Prognose für das Gesamtgeschäftsjahr 2020 wurde zurückgezogen. Nebst dem erstmaligen kompletten Shutdown des Reiseprogramms (aktuell bis 14. Juni) trugen auch Kosten für Ersatzleasing im Zusammenhang mit dem Flugverbot für die Boeing 737MAX zum verschlechterten Ergebnis bei.

Interessant ist aber vor allem, welche Massnahmen TUI ergriffen hat, um Herr der Lage zu werden. Zum einen erhielt TUI bekanntlich einen Staatskredit in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Während der Laufzeit des Kredits wird auf eine Dividenden-Auszahlung verzichtet. Weiter wurden sämtliche Ausgaben überprüft und wenn möglich reduziert; dies betrifft die Bereiche Sachinvestitionen, Marketing, Mieten und Leasing. Auch die Personalkosten wurden ab April gesenkt, um satte 50 Prozent, mittels Kurzarbeit, unbezahltem Urlaub, Gehaltskürzungen oder anderen Massnahmen. Aktuell befinden sich 90 Prozent der TUI-Angestellten in Kurzarbeit.

Das reicht jedoch noch nicht. Flugkapazitäten, Hotelkontingente und andere Dienstleistungen werden im Voraus kontraktiert, weshalb rund 63 Prozent der monatlichen Liquiditätsabflüsse als fix anzusehen sind, und Beträge von 700 Millionen bis 1,4 Milliarden Euro ausmachen. Dank den Kosteneinsparungsmassnahmen geht TUI «für den Rest des Jahres» von monatlichen Liquiditätsabflüssen in Höhe von noch 250-350 Millionen Euro aus, wie aus der Konzernmitteilung hervorgeht.

Bei den Buchungen und Vorausbuchungen liegt man aktuell klar unter dem Vorjahreswert: Zu diesem Zeitpunkt war im Vorjahr das Programm zu 59 Prozent ausgebucht, aktuell sind es nur 35 Prozent. Das spiegelt die seit März erfolgten Stornierungen wieder. Zugleich sind die durchschnittlichen Verkaufspreise um 11 Prozent gestiegen. In Sachen Rückerstattungsmechanismen weist TUI darauf hin, dass in den meisten Kernmärkten auf Gutscheinregelungen oder staatlich unterstützte Fondslösungen gesetzt wird; Kunden, die von kurzfristigen Absagen betroffen sind, wollen laut TUI eher Cash, während Kunden mit späteren Abreiseterminen sich für Gutscheine bzw. Umbuchungen entscheiden. In jedem Fall erwartet TUI wegen den Rückvergütungen nochmals monatliche Mittelabflüsse «im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbereich».

Die Coronavirus-Krise beschleunigt diverse Massnahmen

Für das zweite Halbjahr 2020 spricht TUI vor allem davon, dass das eigene Geschäft «robust» sei und dass viel Aktivität auf der Website davon zeuge, dass sich die rund 21 Millionen Kunden weltweit immer noch stark fürs Reisen interessieren. Zudem geht TUI davon aus, dass das eigene vertikal integrierte Geschäftsmodell einen «abgestimmten Neustart über alle Elemente der touristischen Wertschöpfungskette» erlaube. Das Vertrauen in die Marke TUI sei intakt und nun ist man in Kontakt mit den Regierungen diverser Mittelmeerländer hinsichtlich dem Wiederanlaufen des Tourismus. TUI sei bereit für eine «verantwortungsbewusste Wiederaufnahme des Reiseangebots».

Trotzdem bereitet man sich in Hannover auf eine stark veränderte Reisewelt vor. Die bereits zuvor formulierte Strategie wird infolge der Coronavirus-Krise nun beschleunigt. Will heissen: «Wir überprüfen unsere Aktivitäten, jede Geschäftseinheit und jede Konzerngesellschaft weltweit, um Synergien zu identifizieren und um schlanker, schneller und effizienter zu werden. [...] Um die Kosten in den Griff zu bekommen, werden wir Synergien in Bereichen wie dem Hoteleinkauf nutzen und weitere Potenziale unserer globalen IT-Strukturen ausschöpfen. Unsere so genannten Overhead-Kosten wollen wir über den gesamten Konzern dauerhaft um rund 30% reduzieren. Dies wird Auswirkungen auf rund 8000 Vollzeitstellen weltweit haben, die wir nicht besetzen oder abbauen werden.» Welche Länder davon wie betroffen sein werden, wird natürlich noch nicht präzisiert.

Weiter heisst es: «Wir werden weniger kapitalintensiv agieren und unsere Asset-Right-Strategie in unserem Hotel- und Kreuzfahrtgeschäft fortsetzen. Wir werden unsere Fluggesellschaften und unser Orderbuch auf eine für uns optimale Grösse dimensionieren und umstrukturieren. Wir prüfen nicht-profitable Aktivitäten, um sie gegebenenfalls zu veräussern. Wir werden die Digitalisierung vorantreiben und die Umwandlung unserer Konzerns in ein digitales Plattformgeschäft beschleunigen. Wir werden die reinen Unterkunfts- und Nur-Flug-Produkte ausbauen und unsere Möglichkeiten der dynamischen Paketierung erweitern. Die geplante Transformation unserer digitalen Plattform im Segment Zielgebietserlebnisse werden wir priorisieren.»

(JCR)