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Nathalie Dové wurde im November 2019 in den Vorstand des Schweizer Reise-Verband gewählt und betreibt ihr eigenes Reisebüro Nussbaumer Reisen. Bild: zVg

«Wir brauchen unbedingt ein zusätzliches Hilfspaket für die Reisebranche»

Nina Wild

Seit November 2019 ist Nathalie Dové Mitglied im Vorstand des Schweizer Reise-Verbands und sie selbst führt die Unternehmen Nussbaumer Reisen, Magical Tours und Dovespace.ch. Im Travelnews-Interview spricht sie über ihr Mandat beim SRV, wie sie Reisebüros in der aktuellen Krise unterstützt – und sie wagt eine Zukunftsprognose.

Frau Dové, im November 2019 sind Sie in den Vorstand des Schweizer Reise-Verband gewählt worden, wie lautet Ihre erste Bilanz zu den vergangenen Monaten?

Nathalie Dové: Ich wurde sehr gut aufgenommen, die gemeinsamen und kontroversen Diskussionen per Telefonkonferenz zu den einzelnen Themen sind sehr spannend.

Ihr Versprechen bei Ihrem Start lautete, dass Sie «die Stimme für die kleinen Reisebüros» sind. Durch das Coronavirus befinden sich diese zurzeit in ihrer grössten Krise in den letzten zwanzig Jahren. Wie bringen Sie sich dazu im Vorstand des Schweizer Reise-Verband ein?

Ich bin in engem Kontakt mit Walter Kunz und leite alle Anliegen, Ängste aber auch Forderungen der Retailer weiter. Ich führe zurzeit sehr viele persönliche Gespräche mit meinen Reisebürokollegen und weiss natürlich aus eigener Erfahrung, was unsere grössten Sorgen und Probleme derzeit sind. Leider sind wir vom SRV beim Bund mit unseren Forderungen bis jetzt nicht gehört worden. Durch diverse Interviews hoffe ich, dass wir mit den Medien nun vermehrt auf unsere Branche aufmerksam machen können.

Mit welchen Anliegen kommen die Reisebüros zu Ihnen?

Die ausbleibenden Geldrückerstattungen, vor allem von den Airlines, insbesondere unseres Homecarriers Swiss/Edelweiss, ist ein sehr grosses Problem. Viele Kunden können die angebotenen Umbuchungskonditionen nicht wahrnehmen, was ich absolut verstehe. Wir warten zum Teil sehr lange, auch bei Veranstaltern oder anderen Buchungskanälen, auf Kundengelder. Da wir Reisebüros hauptsächlich klassische Vermittler sind, können wir nicht einfach bereits bezahlte Leistungen aus eigener Kasse zurückbezahlen. Wir sind darauf angewiesen die Gelder möglichst rasch wieder zu erhalten. Wir können mit unseren Margen nicht Bank spielen! Die Medien, wie auch einige Versicherungen, informieren mit sehr vielen falschen, widersprüchlichen Aussagen und Informationen betreffend Haftungs- und Versicherungsdeckung unterschiedlicher Reisen. Ein Nur-Flug wird als Pauschalreise ausgelegt, wir Reisebüros als Veranstalter, obwohl wir hauptsächlich Vermittler sind und den AGB’s der Leistungsträger unterliegen. Das Thema Kurzarbeit, wie man den Bundeskredit zurückbezahlen soll, wie auch die Zukunftsaussichten sind allgegenwärtig. Unsere Branche ist am schwersten von dieser Krise betroffen, findet aber im Bundesrat wie auch in der Politik zur Zeit viel zu wenig Beachtung oder Unterstützung, obwohl wir mit Auslandreisen Milliarden generieren wie die Incomingbranche und über 8000 Beschäftigte zählen. Wir brauchen unbedingt ein zusätzliches Hilfspaket für die Reisebranche, insbesondere für die vielen KMU’s. Wir werden in diesem Jahr kaum Umsatz generieren können.

«Unsere Branche wird als letzte wieder aufatmen können»

Was raten Sie den Reisebüros in dieser Krise?

Die Fixkosten im Griff und möglichst tief zu halten. Um eine Mietzinsreduktion für die ertragslosen Monate beim Vermieter anzufragen. Kurzarbeit anmelden. Kundengelder umgehend, sobald diese eingegangen sind, zurückzubezahlen. In persönlichen Gesprächen den eigenen Kunden unsere Situation offen darlegen. Die meisten haben danach Verständnis und man findet auch in dieser Zeit individuelle Lösungen, welche für alle Beteiligten annehmbar sind

Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrem eigenen Reisebüro «Nussbaumer Reisen» in der Krise gesammelt?

Die ersten Wochen waren sehr chaotisch. Es war extrem schwierig unsere circa 100 Kunden im Ausland heimzuholen, da am nächsten Morgen der Alternativflug oft auch wieder annulliert war. Gleichzeitig riefen sehr viele verunsicherte Kunden an, wir mussten circa 200 Buchungen im April stornieren oder bestenfalls umbuchen. Die Veranstalter wie auch die Fluggesellschaftern handeln alle unterschiedlich. Wir mussten eine Flut von täglichen Informationen, welche sich andauernd wieder änderten, durchlesen und einordnen. Gewisse Partner meldeten sich überhaupt nicht… Ohne mein langjähriges Team und ihren ausserordentlichen Einsatz im März wäre dies nie zu bewältigen gewesen.

Was für konkrete Wünsche haben Sie an den Staat in dieser schwierigen Zeit?

Ich wünsche mir, dass unsere kostenlosen Dienstleistungen wie zum Beispiel die vielen CH-Bürgern mit Umbuchungen ihrer Rückflüge, Stornierungen ihrer Ferienreisen eine Wertschätzung findet und entschädigt wird. Wir können nicht einfach unsere Kunden im Stich lassen und für unsere Mitarbeiter 100 Prozent Kurzarbeit anmelden, dennoch verdienen wir keinen Franken weil wir dies als Service an unsere Kunden erachten. Zudem verlieren wir mit den Annullationen unseren Verdienst der vergangenen Monate.

Unsere Branche wird als letzte wieder aufatmen können, und der Staat muss uns für all diesen Aufwand mit zusätzlicher Unterstützung unter die Arme greifen. Wir machen ja auch viel dafür und lassen im Gegenzug niemanden im Stich, wir sind für unsere Kunden da.

«Wir wollen auch in Zeiten des Social Distancing umso mehr persönliche Telefongespräche führen»

Wie schätzen Sie die Zukunft für die gesamte Outgoing-Branche ein?

Erst wenn die Leute sich wieder sicher fühlen und Normalität zurückkehrt, wird wieder gereist. Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Denn der Mensch ist von Grund aus ein Abenteurer und möchte fremde Länder entdecken, unterschiedliche Sprachen hören, lokale Spezialitäten probieren und neue Landschaften kennenlernen. Und das ist unsere allergrösste Sorge im Moment, diese Ungewissheit.

Welche Massnahmen ergreifen Sie, um Ihre eigenen Unternehmen - Nussbaumer Reisen, Magical Tours und Dovespace.ch – erfolgreich durch die Krise zu manövrieren?

Was ich den Reisebüros rate, das machen wir natürlich auch.

Ansonsten setzen wir immer noch auf die persönliche Beratung, auch in dieser Zeit. Wir zeigen unseren Kunden ihre Möglichkeiten auf und bleiben für unsere Kunden erreichbar. Wir wollen auch in Zeiten des Social Distancing umso mehr persönliche Telefongespräche führen anstatt nur zu mailen. Wir wollen unsere Kunden «spüren» und gemeinsame Lösungen finden, denn die nächsten Auslandferien kommen bestimmt!