Reiseanbieter

Yvonne Walser Georgy (Inhaberin Reisebüro Tödi und Präsidentin Fair, links) und Mitarbeiterin Rosmarie Künzli-Walser. Bild: Tödi

Einwurf Jetzt muss ein Systemwechsel her!

Yvonne Walser Georgy

Die aktuelle Situation sei nicht tragbar, schreibt Yvonne Walser Georgy, Inhaberin des Reisebüros Tödi. Das sind sind ihre Forderungen.

Der Schweizer Reise-Verband (SRV) sowie der Garantiefonds der Schweizer Reisebranche haben zum Schutz der Reisebüros die Zahlungsläufe der grossen Reiseveranstalter von 14 Tage vor Abreise auf 7 Tage vor Abreise verkürzt oder ganz ausgesetzt. Dies mit der Begründung, die Reisebüros so vor zu hohen Belastungen zu schützen. Dies ist sicher eine gut gemeinte Geste, aber ich frage mich nur, welches Reisebüro hat wohl in der aktuellen Situation noch offene Rechnungen bei einem Veranstalter (TO). Es ist mit grosser Wahrscheinlichkeit umgekehrt. Die TO’s schulden den Reisebüros Geld, und zwar sehr viel Geld.

Es ist höchste Zeit das ganze System zu überdenken und zu ändern.

Veranstalter beliefern Reisebüros ja nur unter der Bedingung, dass diese über eine Mitgliedschaft in einem Garantiefonds (Kundengeldabsicherung) verfügen. Somit minimiert der Veranstalter seine Risiken erheblich. Die Belastungen für Pauschalreisen müssen also künftig somit erst bei Abreise oder gar kurz nach Abreise der Kunden vorgenommen werden, da der TO die entsprechenden Leistungsträger ja auch erst nach Abreise des Kunden bezahlt.

In welcher anderen Branche?

Was die Fluggesellschaften angeht, kann es nicht mehr angehen, dass wir Reisebüros die ganze Arbeit ohne eine Entschädigung verrichten. Als ich vor 42 Jahren in dieser Branche anfing, wurden wir Reisebüros von den Airlines noch mit 11 Prozent für den Ticketverkauf entschädigt. Wenn ein Flugticket wieder einen reellen Preis hat, ist dies auch möglich. Ebenfalls kann es nicht mehr sein, dass wir die Tickets bei Reservation ausstellen und bezahlen müssen und die Fluggesellschaft erbringt die Leistung dann in 330 Tagen. Wir leiten dann nicht nur den Flugpreis an die Airline weiter, nein auch alle Flughafentaxen, welche ja nicht für diese bestimmt sind.

In welcher anderen Branche bezahlt der Kunde mitunter 330 Tage vor Leistungserbringung und kriegt dafür keine Garantien! Ich bitte alle Beteiligten sich folgende betriebswirtschaftliche Überlegung zu machen: Würden Sie für ein neues Notebook die Zahlung 330 Tag vor Auslieferung vornehmen – ohne auch nur eine Form einer valablen Liefer-/bzw. Leistungsgarantie zu erhalten! Wohl nicht umsonst ist das sogenannte Zug-um-Zug-Geschäft in vielen Branchen Usanz. Auch in der Reisebranche muss diese Usanz verbindliche Gültigkeit erlangen.

Ein pures Versprechen – mit einem Ticket von A nach B – fliegen zu können, ist wie wir in diesen Tagen lernen, absolut wertlos. Gutscheine und «Vertrösterlis» lösen zudem das Problem nicht; das Gesetz sieht die Gutscheinlösung nicht vor; Kunden müssen diese Kompensation nicht akzeptieren. Geld gegen Leistung; wenn die Leistung nicht erbracht wird, erfolgt eine Rückerstattung.

Dass die Airlines nicht treuhänderisch mit diesem Geld umgehen können, beweisen diese immer wieder! Nicht abgeflogene Tickets sind eine kurzfristige Verbindlichkeit – aber man bekennt sich in der Airline-Branche einfach nicht zu dieser Verbindlichkeit, ein Vorwurf, den sich die Reisebüros garantiert nicht anhören müssen! Wir stehen zu unseren Verpflichtungen – sind aber nicht gewillt, auf Beträge sprich Rückzahlungen zu verzichten. Noch unverständlicher wird die Sache, wenn über die Bundesgelder an die Swiss nachgedacht wird. Aus unserer Sicht dürfen solche Gelder nur ausbezahlt werden, wenn – neben weiteren griffigen Bedingungen – die Rückzahlungsverpflichtung für nicht erbrachte Leistung mit der Zahlung verknüpft wird.

Drei Forderungen

Hätten wir in unserer Branche die übliche Usanz für Leistung und Zahlung, gäbe es nun weltweit nicht so viele Diskussionen über Gutscheinentschädigung anstelle von Rückerstattung.

Wir fordern die Politik und die Verbände ganz klar auf folgende Forderungen durchzusetzen:

  • Einzug der Pauschalreisen erst bei Abreise oder kurz nach Abreise.
  • Die Wiedereinführung eines Kommissionsmodels beim Flugticketverkauf.
  • Flugtickets werden erst bei Abreise bezahlt – die Reisebüro sind als Inkassostelle prädestiniert; da wir die Verpflichtungen zu treuhänderischer Verwaltung der Kundengelder äusserst ernst nehmen und durch Mitgliedschaft an entsprechende Garantiefonds auch so aufgestellt sind.

So bleiben die Kundengelder im Falle eines Konkurses von Fluggesellschaft – Veranstalters, einer Katastrophe oder einer erneuten Pandemie bis Abreise im Reisebüro und es entsteht viel weniger Ärger und Arbeit für die Reisebranche. Im Reisebüro sind diese auch über eine Kundengeldabsicherung versichert. Leider ist dieser Lockdown für die Reisebranche doch eher heftig und muss nicht noch mit internen Kämpfen angeheizt werden. Es ist jetzt unumgänglich dass wir eine Strukturänderung herbeiführen müssen, dass alle Player wieder einen guten und auch fair entschädigten Job machen können. Die Politik sollte nicht nur die «systemrelevanten» Konzerne im Fokus haben und hoffen, dass die Kleinen mit viel Verzicht schlussendlich diese Krise bezahlen und verkraften.


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