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Reisebüros machen eine schwere Zeit durch - aus welcher sie hoffentlich gestärkt hervorgehen werden. Bild: Hello I'm Nik

«Die Outgoing-Reisebranche ist wieder auf Feld 1»

Jean-Claude Raemy

Die gestrigen Bundesrats-Entscheide haben für Konsternation gesorgt. Wofür kann die Branche jetzt noch kämpfen?

Die gestrige Bundesrats-Medienkonferenz hatte durchaus erfreuliche Komponenten: Eine Lockerung des Lockdowns etwa, welche die Wiedereröffnung von Reisebüros in greifbare Nähe rückt. Nur war nicht gleich klar, wann dies denn nun erlaubt sein würde. Werden die Reisebüros als Ladengeschäfte betrachtet, müsste es der 11. Mai sein, werden sie aber als Dienstleister betrachtet, könnte man bereits am 27. April wieder eröffnen. Was nun?

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat darüber zu entscheiden. Eine Travelnews-Anfrage beim BAG blieb, nicht ganz überraschenderweise, vorläufig unbeantwortet, mit Verweis auf die momentan hohe Anzahl ähnlicher Anfragen. All zu viele Gedanken muss man sich hierzu aber wohl auch nicht machen: Die Reisebüros haben auch mit geschlossenen Ladenlokalen in den letzten Wochen «funktioniert» und werden in den kommenden Wochen nicht gleich überrannt werden, wenn sie wieder offiziell eröffnen dürfen. Insofern ist es also wohl in den wenigsten Fällen wirklich entscheidend, ob man nun schon am 27. April oder erst zwei Wochen später wieder eröffnen darf, zumal man telefonisch oder per Mail ja immer erreichbar war.

Entscheidender waren ganz andere Fragen hinsichtlich einer Sonderregelung für die Reisebranche. Und das war die durchaus unerfreuliche Komponente der gestrigen bundesrätlichen Ankündigungen: Es gibt keine solche Sonderregelung. Der Schweizer Reise-Verband (SRV) hat seinen Mitgliedern in einem Rundschreiben von der enormen Frustration über diese Absage geschrieben und eine bereits präparierte Erfolgsmeldung, die letztlich eine Misserfolgs-Meldung war, vorgelegt. Aus dem Schreiben des SRV geht hervor, dass einerseits die «Gutschein-Lösung» vom Tisch ist, weil sie aufgrund der unabdingbaren Staatsgarantie nicht akzeptiert wurde. Ebenso wurde die Verlängerung des Rechtsstillstands abgeschmettert, welche den Reisebüros Luft bis Ende September gegeben hätte, da man bis zu diesem Zeitpunkt im Zusammenhang mit Rückerstattungsforderungen diese nicht betreiben oder vors Gericht zerren könnte. So bleiben die Reisebüros in der schwierigen Lage, dass ihnen Leistungsträger die Rückerstattungen vorenthalten, sie aber gegenüber dem Endkunden in der Rückerstattungspflicht sind - was «Konkurspotenzial» bietet.

Wiedererwägung oder neuer Fokus?

SRV-Geschäftsführer Walter Kunz erklärt im Telefongespräch mit Travelnews, dass man sich mit dem Bundesamt für Justiz, dem SECO und dem Konsumentenschutz bereits einig war, und mutmasst, dass der negative bundesrätliche Bescheid auf einer Angst vor einem Präzedenzfall fusst: «Wenn der Reisebranche nun eine Sonderbehandlung eingeräumt wird, würden sich wohl zahlreiche weitere Branchen mit ähnlichen Anliegen melden. Der Bundesrat hat wohl deshalb von einer Sonderlösung abgesehen, nicht aus inhaltlichen Gründen.»

Wie dem auch sei: Die Outgoing-Reisebranche und deren wichtigster Verband befinden sich damit wieder «auf Feld 1», wie Kunz sagt. Wie weiter? Im Raum steht einerseits ein Wiedererwägungsantrag beim Bund - mit der leisen Hoffnung, dass dieser mit etwas mehr Zeit vielleicht doch noch einlenkt. Doch die Zeit ist knapp, ökonomisch betrachtet, derweil politische Prozesse selbst in solchen Ausnahmezeiten relativ viel Zeit beanspruchen. «Wir besprechen uns heute noch SRV-intern über das weitere Vorgehen und werden nächste Woche nochmals mit dem SECO zusammensitzen», gibt Kunz zu Protokoll.

Im Prinzip sind die Probleme der Outgoing-Reisebranche inzwischen in Bern deponiert und bekannt und das SECO habe sich laut Kunz sehr stark für deren Anliegen eingesetzt. Insofern muss man vielleicht nicht von «Feld 1» sprechen, oder dies lediglich im Zusammenhang mit dem kurzfristig Erreichten. Doch es sieht nicht so aus, als ob demnächst mehr erreicht werden kann als das, was der Bundesrat allgemeingültig kommuniziert hat, also hinsichtlich Notkrediten, Gebührenerlassen etc. - eben kein Sonderzug für die Reisebranche.

Die Arbeit des SRV wird sich somit wohl eher wieder auf langfristige Anliegen konzentrieren müssen. Die Insolvenzgarantie der Airlines ist so ein Thema, welches möglicherweise nicht sofort umgesetzt werden kann, aber durch die Krise neuen Fokus erhalten hat und in den Bereich des Möglichen rückt. Derweil werden Reisebüros sich genau überlegen müssen, wie sie ihr Geschäft betreiben. Das Modell Mikro-TO/Dynamic Packaging, mit welchem Reisebüros in die Veranstalterhaftung gehen und für Rückvergütungen geradestehen müssen, zeigt in der aktuellen Situation ihr Risikopotenzial. Sie entspricht aber auch einem Marktbedürfnis und zwingt auch die Reiseveranstalter, ihre oftmals schwerfälligen internen Prozeduren zu überdenken. Die Airlines derweil müssen sich genau überlegen, welche Vertriebskanäle wichtig sind und wie man den stationären Vertrieb, sollte er denn wirklich so wichtig sein wie üblicherweise verlautbart, künftig behandelt wird.

Kurz: Aus dieser Krise werden sowohl das Konsum- wie auch das Verkaufsverhalten verändert hervorgehen. Dafür gilt es sich jetzt fit zu machen. Immerhin ist nach den gestrigen Ankündigungen langsam ein Ende des Tunnels auszumachen.