Reiseanbieter

Wie kommt man als Reisebüro aus der aktuellen Problemsituation heraus? Die Meinungen dazu gehen auseinander. Bild: AdobeStock

«Wir konzentrieren uns vorläufig auf die Gutschein-Regelung»

Jean-Claude Raemy

SRV-Geschäftsführer Walter Kunz hat klare Prioritäten bei der aktuellen Krisenbewältigung. Die teils pauschalen Appelle an Staatsunterstützung sieht er kritisch.

Die Lage für die Reisebüros, in der Schweiz und anderswo, ist ernst. Die Swiss bzw. die Lufthansa Group sowie auch weitere Airlines wie Air France-KLM sperren bis auf weiteres die Rückerstattungen. Die Kunden verlangen derweil ihr Geld immer deutlicher zurück. Das ist Hammer 1, ein «Cash Drain».

Hammer 2 ist die Aussicht auf mehrere Monate mit möglicherweise sehr wenig Ertrag. Wenn sich die aktuelle Situation mit den panikartigen Umbuchungen, Annullierungen und Rückholaktionen mal legt, wird es erst einmal sehr ruhig werden. Und selbst wenn sich die Lage bessert, wird die Nachfrage vermutlich nicht von einem Tag auf den anderen wieder voll hochgefahren sein (was auch schwierig zu bewältigen wäre), sondern wird erst graduell wieder ansteigen.

Es ist klar: Manche Reisebüros werden die kommenden Monate nicht überleben.

Deutschland und Österreich rufen nach staatlichen Garantien

In Deutschland wird angesichts der zu erwartenden Pleitewelle nun der Ruf nach dem Staat in vielfacher Weise lauter. Der Verbraucherzentralen-Bundesverband (VZBV) fordert etwa vom deutschen Staat die Gründung eines Kundengelder-Absicherungsfonds. Der Fonds solle Ansprüche der Kunden mit Bundesmitteln auszahlen, ohne dass die Kasse der Unternehmen geleert würde. So könnten Zahlungen erstattet werden, ohne die Reisebranche in die Insolvenz getrieben wird, argumentiert der VZBV. Dieser hätte zwar nichts dagegen, wenn den Kunden Gutscheine für spätere Reisen angeboten werden, doch es dürfe keinen Zwang geben, diese anzunehmen.

In Österreich fordert der ÖVT (Österreichischer Verein für Touristik) einen staatlichen Schutzschirm für die österreichische Reisewirtschaft und deren Kunden. Konkret bittet dieser den Staat um Entschädigung der bereits erbrachten Arbeit und Leistung für Reisen, die auf Grund der Coronavirus-Krise und der damit verbundenen Reisewarnungen/Einreisebeschränkungen nun nicht stattfinden dürfen. Damit sollen die Betriebe und die damit verbundenen Arbeitsplätze gerettet werden und eine Möglichkeit geschaffen werden, den Kunden die Gelder zurück zu bezahlen.

SRV konzentriert sich auf Gutschein-Regelung

Travelnews hat bei SRV-Geschäftsführer Walter Kunz nachgefragt, ob es von Verbandsseite auch solche (weitere) Forderungen an den Staat geben werde. Kunz verneint: «Wir konzentrieren uns aktuell auf die noch offene Forderung, eine Gutschein-Regelung offiziell einzuführen, also die Aufhebung der Verpflichtung zur Rückzahlung von Kundengeldern. Ansonsten sind wir der Meinung, dass der Staat die nötigen Tools zur Verfügung gestellt hat, etwa mit der Auflockerung der Kurzarbeits-Regelungen oder der Möglichkeit von kurzfristigen Krediten im Rahmen von bis zu 10 Prozent des Umsatzes. Ebenso wurde ja für Unternehmer eine Kurzarbeits-Entschädigung gesprochen. Diese mag bescheiden sein, wir sehen jedoch keine Veranlassung, hier als Verband auf eine Nachbesserung zu pochen.»

Die Erfolgschancen dürften nicht schlecht sein, in diversen europäischen Ländern – neuerdings auch in Frankreich – ist diese Gutscheinpraxis bereits zulässig.

Im Raum sei noch ein Vorgehen gegen Airlines, wegen der einseitigen Aufhebung der «Automated Refunds», jedoch habe dies zurzeit nicht Priorität. Kunz hofft, dass das aktuelle Verhalten der Airlines nach Ende der Krise Konsequenzen haben wird, indem beispielsweise die Einseitigkeit der IATA-Regulierungen aufgehoben werden kann.

Kunz rechnet auch damit, dass gewisse Reisebüros nun nicht überleben werden. «Ich möchte an dieser Stelle aber daran erinnern, dass das von Reisebüros eingenommene Geld nicht dazu da ist, um laufende Kosten zu decken, sondern treuhänderisch verwaltet werden muss», sagt der SRV-Geschäftsführer. Natürlich sei es angesichts der tiefen Nettorendite schwierig, grosse Rückstellungen zu machen; wer jedoch vorausschauend betriebswirtschaftlich denkt, müsste nun eine gewisse Karenzzeit überleben können. Kunz attestiert den Reisebüros derweil, in der aktuellen Situation einen «Wahnsinns-Job» zu machen und hofft, dass deren grosser Nutzen nun auch wieder einer breiteren Öffentlichkeit bewusst wird.

STAR stellt Forderungen

Der andere Verband, die Swiss Travel Association of Retailers (STAR), argumentiert anders. STAR-Präsident Luc Vuilleumier hat einige Forderungen zuhanden von Staat und IATA formuliert, die wie folgt lauten:

  • Geld für Kurzarbeit jetzt! Schön und gut, dass die Bedingungen für Selbständigerwerbende verbessert wurden. Nur leider nützt das gar nichts, wenn das Amt für Wirtschaft die Flut von Voranmeldungen nicht bewältigen kann. Wir brauchen das Geld aber jetzt!
  • Keine Gutscheine an die Retailer, Guthaben sofort in cash rückerstatten! In kürzester Zeit ist eine Parallelwährung entstanden: Die Gutscheine. Das kann eine Lösung gegenüber dem Endkonsumenten sein (aber nur, wenn dieser sich damit einverstanden erklärt), im Zwischenhandel geht es aber gar nicht. Schliesslich kann kein Reisebüro die Löhne und Miete mit Gutscheinen bezahlen.
  • IATA muss Guthaben auszahlen! Von IATA hört man gar nichts, ausser dass die LSV-Belastungen, welche nun natürlich negativ sind, nicht zurückbezahlt werden. Gleichzeitig droht die IATA den Agenten mit dem Entzug der Lizenz, wenn diese den LSV sistieren. Die Guthaben der IATA-Agenten müssen umgehend ausbezahlt werden, ein Vortrag auf den nächsten LSV ist nicht akzeptierbar.

Ob diese Forderungen realistisch sind und mit welchen Mitteln diese eingefordert werden können, muss sich noch weisen.