Reiseanbieter

Dieter Zümpel, CEO DER Touristik Suisse: «Unsere Mitarbeitenden leisten wie jene der ganzen Reisebranche Aussergewöhnliches, um diese Mammut-Aufgabe zu bewältigen.» Bild: TN

«Die aktuelle Krise wird Auswirkungen auf die Zukunft unseres Geschäftsmodelles haben»

Jean-Claude Raemy

Dieter Zümpel, CEO von DER Touristik Suisse, äussert sich zur aktuellen Lage des Reisegeschäfts und zu den nachhaltigen Auswirkungen der Coronavirus-Krise.

Herr Zümpel, eine Situation wie die jetzige hat es wohl noch nie gegeben. Was ist Ihre Kernmessage an die Trade-Partner und Endkunden hinsichtlich der wirtschaftlichen Stabilität des Unternehmens DER Touristik Suisse?

Dieter Zümpel: Dass diese Stabilität im hohen Masse gegeben ist. Wir haben das grosse Glück, zur DER Touristik Gruppe und somit zur REWE Gruppe zu gehören. Teil eines so grossen, diversifiziert aufgestellten und gerade in Krisenzeiten solidarischen Konzerns zu sein, bedeutet für uns als Unternehmen, für unsere Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeitenden Sicherheit. Dennoch ist klar, dass bei der Bewältigung dieser noch nie dagewesenen Herausforderungen die gesamte Branche die Unterstützung der öffentlichen Hand benötigen wird.

Welche Massnahmen wurden bereits umgesetzt, was ist noch in petto hinsichtlich der Abfederung des Umsatzrückgangs?

Neben der Kurzarbeit ergibt sich weiteres Sparpotenzial aus der Minimierung unserer derzeitigen Marketingaktivitäten und einem Einstellungsstopp. Und natürlich wollen wir unsere Kunden überzeugen, dass sie die gebuchte Reise verschieben statt absagen. Wenn dann auch die berechtigten Forderungen des SRV fruchten werden, dass Unterstützung für die Branche mit Kurzarbeit alleine nicht genügt, bin ich zuversichtlich, dass wir die Krise mit den bestehenden Teams erfolgreich meistern werden.

Kurzarbeit ist eine recht flexible Lösung – manche Abteilungen haben derzeit wohl nichts mehr zu tun, während andere noch viel Arbeit leisten müssen. Wie wird dies gehandhabt? Werden allenfalls auch ganze Abteilungen geschlossen?

Grundsätzlich starten wir am Montag unternehmensweit mit dem Thema Kurzarbeit. Bei einigen Abteilungen wird es tatsächlich etwas später sein, damit wir alle noch offenen Dossiers ordentlich abarbeiten können. Die Betriebsbereitschaft und Erreichbarkeit auf allen Kanälen haben unsere Marken stets aufrechterhalten und werden dies auch weiterhin tun. Das möchte ich unseren Kunden und Geschäftspartnern ausdrücklich versichern, verbunden mit der Bitte um Verständnis, dass der eine oder andere Prozess in dieser aussergewöhnlichen Situation etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die komplette vorübergehende Schliessung von Abteilungen ist nicht auszuschliessen, aber grundsätzlich werden auch unsere Supportfunktionen ein Grundangebot zur Unterstützung unserer Marken weiterführen.

Der Bundesrat hat angeraten, dass alle Schweizer «nach Hause kommen». Was hat DER Touristik diesbezüglich gemacht?

Unsere Mitarbeitenden leisten wie jene der ganzen Reisebranche Aussergewöhnliches, um diese Mammut-Aufgabe so erfolgreich wie möglich unter sich laufend ändernden Bedingungen zu bewältigen. Ich hoffe, dass dies einerseits durch die Regierung anerkannt wird, andererseits aber auch von unseren Kunden. Wir informieren das EDA laufend.

Wie viele Kunden sind aktuell noch im Ausland und wie viele wären es im April?

Ein Gesamtüberblick nimmt aufgrund vieler Mikrotouroperating-Buchungen etwas mehr Zeit in Anspruch, dürfte aber am Wochenende möglich sein.

«Die Verunsicherung der Kunden war seit Anfang Februar so gross, dass Buchungen ohne die Sicherheit einer Kompensationsmöglichkeit fast nicht mehr möglich waren.»

DER Touristik hat recht schnell Kulanz gezeigt. Kulanz ist allerdings auch kostspielig. Ist es sinnvoll, wenn der Servicegedanke in so einer Extremsituation den reinen finanziellen Erhalt übertrumpft?

Das ist tatsächlich ein schmaler Grat. Die Verunsicherung der Kunden war seit Anfang Februar allerdings so gross, dass Buchungen ohne die Sicherheit einer Kompensationsmöglichkeit fast nicht mehr möglich waren. Darüber hinaus sehen wir uns schon in der Verpflichtung, das Versprechen einer sicheren Veranstalterbuchung auch einzulösen. Aber wie gesagt: Wir müssen auch unsere finanzielle Stabilität ständig im Auge behalten.

Was wurde eigentlich vom Hauptsitz aus den Filialen empfohlen? Und wie wird mit diesen aktuell kommuniziert?

Der Informationsfluss funktioniert im Unternehmen weiterhin gut, aber natürlich ist die Kommunikation ist einer solch dynamischen Lage eine Herausforderung. Wichtig für die Filialen, aber auch für unsere Veranstaltermarken, ist Planungssicherheit für Kunden mit bevorstehenden Abreisen. Diese ermöglich wir so weitgehend wie möglich.

Die Reisebranche leidet ganz besonders. Haben Sie eine Forderung an den Bund für eine Unterstützung? Wie sollte dieses aus Ihrer Sicht idealerweise aussehen?

Wir schliessen uns vollumfänglich den Forderungen des Schweizer Reiseverbandes an. Und wir hoffen dringend darauf, dass der Bundesrat nun endlich zu Entscheidungen kommt, die uns die Bewältigung dieser noch nie gesehenen Krise erleichtert. In anderen Ländern ist dieses ja auch möglich.

Wäre DER Touristik bereit, wie vom SRV verlangt, Gutscheine auszugeben (statt Cash) für stornierte Reisen?

Wir wären nicht nur dazu bereit, sondern halten das für absolut notwendig – wobei diese Gutscheine möglichst mit einer Staatsgarantie versehen sind, um unsere Kunden noch mehr Sicherheit zu verschaffen.

Wie kann jetzt gebucht werden bei Ihnen?

Wir haben uns entschieden, keine Neubuchungen für Abreisen bis vorläufig 19. April mehr entgegen zu nehmen und gebuchte Abreisen in diesem Zeitraum zu stornieren. Das ist für die Planungssicherheit unserer Filialen, Partner und Kunden wichtig gewesen. Buchungen für Reisen zu einem späteren Zeitpunkt halten wir selbstverständlich aufrecht, ebenso sind Neubuchungen ausdrücklich möglich.

«Wir hoffen dringend darauf, dass der Bundesrat nun zu Entscheidungen kommt.»

Jetzt war DER Touristik soeben in die schwarzen Zahlen gekommen – das ist für 2020 wohl illusorisch?

Wir sind als Unternehmen strategisch und operativ weiter auf dem richtigen Weg. Eine wahrscheinlich erhebliche Sonderbelastung des Ergebnisses ist für dieses Jahr aber zu erwarten.

Aus Overtourism wurde innert weniger Wochen «Undertourism». Was werden nach Ihrer Einschätzung die nachhaltigen Veränderungen in der Reisewelt aufgrund dieser Mega-Krise sein? Konsolidierung? Allgemeiner Angebots- und Nachfragerückgang? Erstarken der Reisebüros? Oder kehrt in einigen Monaten alles wieder zum Alten zurück?

Die aktuelle Krise wird Auswirkungen auf die Zukunft unseres Geschäftsmodelles oder auf die Zukunft unserer gesamten Branche haben. Diese sind allerdings aktuell noch nicht konkret abzuschätzen. Es könnte auch zu positiven Effekten kommen, wie zum Beispiel der Verdeutlichung der Sicherheit einer Veranstalterreise und bei der Beratung und Buchung im Reisebüro.

Hat DER Touristik Suisse aus eigener Kraft/Tasche allfällige Rückführungsflüge organisiert?

Wir setzen alle Hebel in Bewegung, Kunden bei der Organisation der Rückflüge zu helfen. Etwaig anfallende Mehrkosten haben die Kunden zu tragen – das hat der Bundesrat auch klar kommuniziert.