Reiseanbieter

Die Reisebranche ist in einer anderen Situation als andere Branchen und benötigt deshalb besondere Massnahmen, argumentiert der SRV. Bild: AdobeStock

SRV verlangt Aufhebung der Verpflichtung zur Rückzahlung von Kundengeldern

Die Forderung ist beim SECO platziert. Mit Spannung erwartet SRV-Geschäftsführer Walter Kunz nun die morgigen Ankündigungen des Bundesrats.

In Italien, Frankreich, den Niederlanden und Belgien ist die Praxis bereits bewilligt: Reisebüros und Veranstalter müssen das Geld für bereits gebuchte und inzwischen stornierte Reisen nicht an Kunden zurückzahlen, sondern erhalten stattdessen einen Gutschein. Dieser entspricht der Höhe des gezahlten Betrags und ist mindestens ein Jahr lang gültig, und deckt auch die Insolvenzversicherung ab. Der Gutschein ist mit einer staatlichen Garantie gesichert.

Auch in Deutschland bemüht man sich um eine solche Lösung, und nun auch in der Schweiz. Der Schweizer Reise-Verband (SRV) hat beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) eine entsprechende Forderung eingereicht. Dieser gibt diese Forderung an die Exekutivstellen weiter.

SRV-Geschäftsführer Walter Kunz hat trotz extrem vollem Terminplan ein paar Minuten für ein Telefonat mit Travelnews gefunden und sagt zum Vorstoss Folgendes: «Es geht darum, die Reisebranche in dieser Coronavirus-bedingten  Extremsituation besser zu schützen. Aktuell ist der Point of Sale verpflichtet, das einbezahlte Geld bei nicht erbrachten Leistungen zurück zu zahlen. Sprich, der Kunde kann auf eine komplette Bar-Rückzahlung seiner im Voraus bezahlten Reiseleistung bestehen. Das schafft grosse Probleme, denn die Reisebranche ist im Gegensatz zu anderen Branchen in einer speziellen Situation: Bei uns kann nicht einfach heruntergefahren werden, es gibt aktuell extrem viel Mehrarbeit, und zu den Kosten der Aufrechterhaltung des Betriebs kommt der Cash-Out hinzu, was schnell zu Liquiditätsengpässen führen kann. Mit einer Regelung mit Gutscheinen, welche Leistungsträger vielerorts bereits ausstellen, könnte Abhilfe geschaffen werden. Es braucht dafür aber eine Bewilligung und idealerweise auch eine staatliche Garantieleistung.»

Die Forderung gesellt sich zu den bereits gestellten Forderungen des SRV hinsichtlich Notkrediten (zinslose Darlehen), Gebührenerlass (z.B. Radio/TV- Gebühren oder Prämien für Kundengeldabsicherungen) sowie sogar von einer Stundung der Sozialabgaben und Steuern. Morgen Freitag wird der Bundesrat über weitere Massnahmen zur Bewältigung der Coronavirus-Krise informieren - unter anderem soll dann klarer werden, wie die bisher gesprochenen 10 Milliarden Franken Überbrückungshilfe eingesetzt werden. Bislang ist nur klar, dass darin auch die Kurzarbeits-Entschädigungen einfliessen - und es gibt bereits Zweifel, ob das überhaupt reicht, weshalb der «Überbrückungstopf» vielleicht schon jetzt vergrössert werden müsste. Kunz selber hat Zweifel, dass dann bereits granular bis zu Massnahmen für die Reisebranche kommuniziert wird, aber es sei eben jetzt wichtig, dass der SRV aktive Lobbyarbeit betreibt und auf die Sonderprobleme der Reisebranche hinweist, damit vom Rettungsschirm auch etwas für die aktuell extrem geforderte Reisebranche etwas abfällt.

Extremsituation für die Reisebüros

Die Reisebüros sind aktuell wahrlich nicht zu beneiden. Sie müssen sich in einer unübersichtlichen Lage um Annullationen und Umbuchungen sowie in vielen Fällen um die Rückführung von im Ausland gestrandeten Kunden kümmern - und obwohl sie in letzterem Fall keine finanzielle Verpflichtung haben, sondern nur eine Hilfeleistungspflicht, wird von vielen Kunden ausdrücklich Kulanz oder gar die Übernahme von Mehrkosten verlangt. Die Situation bei Airlines ist verworren, weil teils die Systeme gar nicht schnell genug aufdatiert werden und somit Flüge teils noch (um-)buchbar sind, welche im nächsten Moment gar nicht mehr durchgeführt werden.

Und dann gibt es noch das Problem, dass viele Veranstalter inzwischen die Möglichkeit zur kostenlosen Reisestornierung bieten, was zwar kundenfreundlich ist, aber wenn keine Stornogebühren anfallen, wird in den meisten Fällen auch keine Kommission fällig. Da fehlt nochmals Geld, nebst den oben genannten Rückzahlungsverpflichtungen. Und die Kunden bestehen aktuell vielerorts auf Letztere, weil sie selber finanziell in der Klemme sind oder in die Klemme kommen und sich möglicherweise nicht mit Gutscheinen abspeisen liessen (das bleibt abzuwarten).

Manche Reisebüros lehnen inzwischen Mehrarbeit für Personen, die sich jetzt in der Notlage an sie wenden, ab - andere machen daraus ein Geschäftsmodell und helfen, natürlich gegen entsprechende Gebühr, aus der Patsche heraus. Wichtig ist, dass die wichtige Arbeit der Reisebüros nun nicht nur honoriert, sondern auch öffentlich anerkannt wird.

Fabienne Erne (Travellife AG, Horn) hat deshalb eine Art «Deklaration der  Reisebüros» bei der geschlossenen Facebook-Gruppe «Schweizer Reisebranche - Treffpunkt für Insider» gepostet und fordert alle Reisebüros auf, ihre Leistungen gegenüber Presse und Kunden in ein richtiges/gutes Licht zu rücken. Wir drucken diese im Wortlaut und mit ausdrücklicher Genehmigung von Frau Erne hiermit ab - in der Hoffnung, dass dies beiträgt, in der Öffentlichkeit und auch bei den Behörden die aktuelle Situation und Problematik der Reisebüros zu verdeutlichen und für Verständnis zu sorgen.

Deklaration der Reisebüros

  • Bei Annullationen können Spesen entstehen. Diese Spesen entstehen durch die verschiedenen Bedingungen, die von den Leistungsträgern nun bestimmt werden – nicht von ihrem Reisebüro
  • Versicherungen handhaben diese Situation sehr unterschiedlich! Bitte informiert euch selbst, ob ihr Spesen und Annullationskosten einreichen könnt und diese bezahlt werden
  • Das Reisebüro kann keine Annullationskosten und keine Mehrkosten übernehmen!
  • Bei Annullationen, die eine volle Rückerstattung garantieren verliert auch das Reisebüro jegliche Verdienste!
  • Anzahlungen müssen nach wie vor getätigten werden, denn auch wir werden von den Leistungsträgern belastet und bezahlen unsere Rechnungen!
  • Eine Prognose für weitere Vorgehen der Veranstalter, Airlines, Leistungsträger und Versicherungen etc. können wir schlicht weg nicht machen

(JCR)