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Olivier Eck am Hotelplan-Hauptsitz: «Gerade in Krisenzeiten erkundigen sich die Leute wieder vermehrt bei den Profis.» Bild: JCR

«Eine Reduktion der Filialen ist kein Thema»

Jean-Claude Raemy

Olivier Eck ist seit einem Jahr Leiter Vertrieb bei Hotelplan Suisse. Was der Elsässer zum Hotelplan-Vertrieb im Allgemeinen und zur aktuell besonderen Situation zu sagen hat, steht in unserem grossen Interview.

Herr Eck, erzählen Sie uns zuerst mal etwas über sich.

Olivier Eck: Wieso über mich? Ich bin nicht die wichtigste Person im Hotelplan-Vertrieb, sondern unsere 460 Reisebüro-Mitarbeitenden, welche aktuell und auch sonst jederzeit alles für Ihre Kunden tun. Echte Profis!

OK, anders gefragt: Erzählen Sie uns etwas über Ihren Werdegang.

Ich arbeite seit 20 Jahren für die Hotelplan Gruppe. Zuerst war ich sieben Jahre bei Hotelplan France, als erstes in Paris, wo auch der Hauptsitz von Interhome France war, und danach in Mulhouse. Dann folgte der Wechsel nach Zürich. Ich arbeitete ein Jahr bei Travelhouse – als Hotelplan Travelhouse bzw. damals noch die RBM-Gruppe akquirierte. Danach folgte ein Jahr bei Hotelplan Management. Dort habe ich Daniel Bühlmann kennengelernt, unser heutiger COO, der mir ein Angebot für den Posten als Leiter Rechnungswesen gemacht hat, den ich dann acht Jahre innehatte. Seit April 2019 bin ich als Nachfolger von Daniel Reinhart nun für den Vertrieb verantwortlich.

Lustiges Detail: Als ich bei Hotelplan France tätig war, war mein Chef Kurt Wiprächtiger, der damalige Leiter Retail, danach war Daniel Reinhart kurz mein Chef. So gesehen war der Kontakt zum Vertrieb schon früh da.

Ein ewiger Hotelplänler also. Was machten Sie davor?

Ich bin erst 51… Aber OK, davor war ich bereits im Bereich Finanzen aktiv, allerdings im Recycling-Bereich. Das ist weniger sexy aber hat gute Renditen (lacht).

Sie sind selber Elsässer und wohnen noch im Elsass. Ist dieser Pendlerstatus potenziell ein Problem?

Für mich ist das grundsätzlich kein Problem. Ich habe eine 17-jährige Tochter und will nicht einfach nach Zürich ziehen. Wenn Sie meinen, dass es nun wegen des Coronavirus und allfälligen Grenzschliessungen zum Problem werden könnte: Das werden wir sehen. Normalerweise sind Pendler ausgenommen. Ich bin auf jeden Fall vorbereitet.

Sie sind wie eingangs gesagt oberster Chef von 460 Filialmitarbeitenden. Wie sieht es mit Direct Reports aus?

Ich habe fünf Direct Reports. Das sind die Regionalleiter, also Beatrice Saudan (Ostschweiz), Nadine Mathis (Zürich/Tessin), Gabriel Poffet (Bern, Basel, Mittelland) und Roger Imhof (Romandie) sowie Louis Müller im Sales Support.

Was ist für Sie wichtig bei den Mitarbeitenden?

Ich will vorausschicken, dass ich in der Schweiz mit Mitarbeitenden bislang fast ausschliesslich positive Erfahrungen gemacht habe. Die Mitarbeitenden sind in der Regel professionell, engagiert und angenehm. Das sind auch die Erwartungen, die ich an sie habe.

«Bewahren Sie die Ruhe, unterstützen Sie die Kunden so gut es geht, und informieren Sie proaktiv.»

Aktuell ist der Vertrieb wegen dem ganzen Coronavirus-Debakel einem riesigen Druck ausgesetzt. Was empfehlen Sie den Filialmitarbeitenden in der aktuellen Situation?

Bewahren Sie die Ruhe, unterstützen Sie die Kunden so gut es geht, und informieren Sie proaktiv. Umbuchungen von Pauschalreisen erfolgen kostenlos, bei Einzelleistungen verhält es sich natürlich anders. Wir versuchen möglichst viel für den Kunden herauszuholen. Ich bin der Meinung, dass wir grundsätzlich sehr kulant sind.

Kann man schon abschätzen, wie das Coronavirus die Bücher belasten wird?

Wir schliessen am 31. Oktober ab. Bis dahin ist noch viel Zeit. Wir haben das Jahr an sich sehr gut begonnen, aber natürlich geht aktuell gar nichts mehr. Man kann nicht viel mehr sagen. Wir können nur hoffen, dass sich die Situation bald beruhigt.

Wie wird überhaupt intern informiert?

Es ist wichtig, eine zentralisierte, kontrollierte Kommunikation zu haben. Wir holen Informationen aus der Produktion ein, also bei Nicole Pfammatter und Tim Bachmann, ergänzen dies mit weiteren behördlichen Informationen und stellen daraus regelmässig Informationen zusammen, welche unsere Filialmitarbeitende direkt über ein internes Laufwerk abrufen können. Unser Sales Support ist natürlich auch eine wichtige Anlaufstelle.

Die Schweiz arbeitet inzwischen praktisch von zuhause aus. Wie sieht das bei Hotelplan Suisse aus?

Home Office ist in den Filialen schwierig… aber wir sind für jede Eventualität vorbereitet. Die Regelung dazu, ob man in einem Reisebüro arbeiten kann im Sinne eines Home Office, ist aktuell von Kanton zu Kanton verschieden. Wir beobachten die Lage. Dasselbe gilt auch für den Hauptsitz in Glattbrugg.

Es kommen viele telefonische oder schriftliche Anfragen, hinsichtlich der Situation vor Ort, Modalitäten von Umbuchung oder Annullation und mehr. Kunden wollen sofort Informationen haben. Dafür müssen wir bereit sein.

Aber nur mit Hilfestellung und Information verdient man kein Geld…

Momentan geht es darum, Sicherheit zu schaffen, Sicherheit zu vermitteln. Dies einerseits hinsichtlich der eigenen Reise bzw. Reiseabsichten, andererseits auch hinsichtlich unserem Unternehmen. Da kann man beruhigt sein: Wir sind eine 100-Prozent-Tochter der Migros und damit finanziell gut abgesichert. Wir haben einen starken Aktionär und selber noch Reserven.

«Die TW AG ist eine Lösung für gute unabhängige Reisebüros, die ein Nachfolgeproblem haben.»

Stichwort Sicherheit: Wird der Verkauf von Versicherungen nun im Reisebüro wieder verstärkt?

Wir verkaufen schon seit Jahren Reiseversicherungsleistungen der Europäischen Reiseversicherung in unseren Filialen. Das ist an sich nichts Neues. Aber ja, die Kunden werden jetzt vielleicht vermehrt den Abschluss einer Reiseversicherung gleich wieder mit einbeziehen. Ideal ist sicher eine Jahresversicherung.

Nochmals zu den internen Massnahmen: Was wird bei Hotelplan Suisse unternommen?

Wir evaluieren derzeit die Einführung von Kurzarbeit. Wir erhalten in vielen Bereichen dieser Krisenbewältigung Unterstützung des Migros-Konzerns.

Wir haben gehört, dass Filialen nun später öffnen…

Aufgrund des vom Bundesrat erklärten Notstands schliessen wir unsere Filialen für unsere Kunden. Unsere Mitarbeitenden dürfen weiterhin in den Filialen arbeiten, sind für unsere Kunden aber nur noch telefonisch oder per E-Mail erreichbar.  

Wie viele Filialen hat Hotelplan Suisse aktuell?

Es sind 98: 82 Hotelplan- und 10 Travelhouse-Filialen sowie 6 Globus Reisen Lounges.

Zählen Sie die TW AG nicht dazu?

Es handelt sich hierbei um eine separate AG, die nicht mir unterstellt ist. Darin sind aktuell 7 Reisebüros gebündelt: Rotstab Reisen in Liestal, Metro Reisen in Luzern, Reisebüro Eggenberg in Saanen, Jojo Reisen in Richterswil und Beo Reisen in Spiez, dazu zwei Filialen von BTA First Travel, welche einen hohen Anteil an Leisure-Reisen haben. Diese Reisebüros profitieren von einer gewissen zentralen Infrastruktur, die wir ihnen zu Verfügung stellen, operieren aber vollkommen unabhängig. Letzteres betrifft auch den Verkauf, also die Wahl der TO-Partner.

Was ist die Idee hinter der TW AG?

Es ging darum, eine Lösung für gute unabhängige Reisebüros zu bieten, die ein Nachfolgeproblem hatten. Wir bieten Sicherheit und gewähren Unabhängigkeit, auch die Marke bleibt bestehen, es wird nicht ein «Hotelplan darübergestülpt», dazu gibt es eben etwa beim Backoffice Support. So ist auch Cross-Recruiting möglich, d.h. gute Kräfte aus dem Hotelplan-Netzwerk können eventuell bei Reisebüros der TW AG arbeiten oder sonst wie einsteigen. Wie man weiss, ist es schwierig, an gutes Personal zu kommen und das hilft uns.

«Momentan versuchen wir einfach Sicherheit zu vermitteln.»

Denken Sie, es ist weniger sexy geworden, in der Reisebranche zu arbeiten?

Nein. Die Anforderungen sind hoch, aber wir bieten nach wie vor eine schöne Arbeit. Aber ich verstehe auch, dass es eine gewisse Verunsicherung gibt: In den letzten 15 Jahren ist die Anzahl der Reisebüros in der Schweiz um 50 Prozent zurückgegangen. Und wir sind wohl noch nicht am Ende der Fahnenstange.

Denkt auch Hotelplan Suisse über Reduktionen im Filialnetzwerk nach? Sie unterhalten die grösste Reisevertriebsorganisation der Schweiz.

Nein, im Gegenteil. Unser Filialnetz wächst weiter. Eine Reduktion der Filialen ist kein Thema. Wir suchen allenfalls bessere Standorte für bestehende Filialen, wie zuletzt in Stäfa, modernisieren bestehende Filialen, oder schliessen zusammen und eröffnen kompensierend an einem neuen Ort, wie zuletzt im Tessin. Wir sind immer offen, gute Reisebüros zu übernehmen, in welcher Form auch immer. Gute externe Kräfte haben zudem immer eine Chance, bei uns einzusteigen.

Wie sieht eigentlich aktuell der Vertriebsmix bei Hotelplan Suisse aus?

Der Umsatz wird zu 43 Prozent im Fremdvertrieb hereingeholt, zu 36 Prozent in den eigenen Filialen und der Rest im Direktverkauf, worin das Online-Geschäft eingerechnet ist. Unsere Produkte werden nicht über grosse OTAs vertrieben.

Sprechen wir mal noch über die Zukunft der Reisebüros. Welches sind diesbezüglich Initiativen von Hotelplan Suisse?

Wie bereits erwähnt, modernisieren wir unsere Filialen laufend. Diese sollen zum Beispiel heller und grosszügiger werden. 2020 war geplant, 15 Filialen umzubauen. Diese Pläne sind nun aktuell natürlich etwas aufgeschoben.

Wie sieht es mit technologischer Aufrüstung auf?

Diese gibt es natürlich auch. Wir überlegen uns, IT-Investitionen auf kürzere Dauer abzuschreiben, um schneller modernisieren zu können. Wir überprüfen laufend, was etwas bringen kann – da kann es auch mal Fehlentscheide geben, etwa mit den VR-Brillen, für die es einfach zu wenig Content gab.

«Grundsätzlich geht man ins Reisebüro, weil man diesem vertraut.»

Warum geht heute jemand ins Reisebüro? Doch nicht wegen Gadgets oder tollem Interieur?

Natürlich nicht, Möbel und Technologie sind nur Rahmenbedingungen. Grundsätzlich geht man ins Reisebüro, weil man diesem vertraut. Weil dort Menschen arbeiten, denen man vertraut. Reisebürochefs sind auch Unternehmer, die am besten wissen, wie man – jeweils auf die eigene Kundschaft abgestimmt – dieses Vertrauen schafft.

Ist das das zukunftssichernde Versprechen der Reisebüros?

Ja, gerade in Krisenzeiten erkundigen sich die Leute wieder vermehrt bei den Profis. Sie brauchen Ansprechpersonen. Ich hoffe, dass dieser Effekt auch andauern wird, wenn die Krise überstanden ist.

Wann glauben Sie wird dies soweit sein?

Das kann niemand sagen. Die Herbstferien scheinen aktuell nicht tangiert zu sein und wir versuchen Teile der Sommerferien zu retten. Wir sind eigentlich zuversichtlich, dass es mit den jetzt landesweit ergriffenen Massnahmen schon in einigen Wochen wieder zur Normalität reichen wird, so dass für den Spätsommer noch Buchungen getätigt werden. Aber eben, das kann noch ändern.


(Dieses Interview wurde am Freitag, 13. März 2020 geführt. Der Inhalt musste seitdem stellenweise angepasst werden und entspricht nun der aktuellsten Form der Tatsachen.)