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Tourasia-Chef Stephan Roemer plant bereits, nach überstandener Krise den Markt zu beflügeln. Bild: HO

Stephan Roemer: «Schiebt jetzt einfach keine Panik»

Gregor Waser

Der wohl krisenerprobteste Schweizer Tourismusprofi sagt, wie eine solche Krise zu packen ist und dass frühzeitig vom Panik- in den Kreativmodus geschaltet werden sollte.

Tsunami, 9/11, Sars, Schweine-Grippe, Swissair-Grounding, Airport Closure, Fukushima: Tourasia-Gründer Stephan Roemer, auch CEO der Diethelm Travel Group, hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viele Krisen durchlebt und gilt als der krisenerprobteste Touristikmanager hierzulande. Entsprechend gefragt ist derzeit sein Rat. Rund um die Uhr steht Roemer derzeit in Telefon- und Video-Calls mit Partnern und Kunden im Gespräch. Auch für Travelnews fand er Zeit, über die aktuelle Lage zu sprechen.

Herr Roemer, welches sind die Learnings aus früheren Krisen und wie bewältigen Sie die aktuelle Lage?

Stephan Roemer: Wir verfügen über einen Emergency Plan, den können wir aus der Schublade ziehen und runterarbeiten. Alle Dokumente sind parat, wir wissen genau, was wo einzutragen und zu extrahieren ist – in kürzester Zeit. Und dies läuft smooth. Zwei Leute bei uns kümmern sich ausschliesslich um die Notfälle, dies reicht.

Verfügen Sie über viele Kunden, die derzeit in Asien weilen und unmittelbar heimkommen wollen?

Ja, wir wir haben derzeit viele Kunden in Asien, aber zum Glück möchten nur wenige frühzeitig die Heimreise antreten. Wir fördern dies auch nicht. In Asien ist die Situation ruhig. Mit vielen Gästen stehen wir im Kontakt, wir haben unsere 24-Stunden-Concierge-Linie. Unsere Empfehlung ist, die Reise ganz normal zu beenden und mit den vorgesehenen Flügen heimzureisen. Denn eine Umbuchung ist teilweise kostenrelevant und viele Flüge sind auch schon sehr gut gebucht.

«Viele Reisebüros sind vom Problem überrumpelt»

Was sagen Sie Firmen, die noch nicht so krisenerprobt sind?

Ich stehe im Austausch mit zahlreichen Partnern und Kunden. Ein Reisebüro-Agent hat einen anderen Ansatz als ein Touroperator. Bei einigen Reisebüros stelle ich grosse Panik fest. Gerade hatte ich zwei Büros dran, die sich in finanziellen Schwierigkeiten und im Elend sehen. Ich sage dann zunächst, Ruhe bewahren und bitte keine Panik schieben. Es gilt die Situation erstmal zu analysieren und ich frage: was hab ihr bisher gemacht? Und dann merkt man bald: die sind vom Problem überrumpelt und haben noch nicht mal an Kurzarbeit gedacht oder diese eingegeben und auch noch keine weiteren Massnahmen getroffen. Mach langsam, eins ums andere, sage ich dann. Als Geschäftsführer gilt es, sich um das Grundsätzliche zu kümmern und das Day-to-Day-Business den Mitarbeitenden zu überlassen, die das im Griff haben oder den Notfall lernen und handeln können. Wenn die sehen, was der Kunde braucht, reagieren sie auch entsprechend. Und wer bei Touroperators gebucht hat, kriegt vom Touroperator auch die nötige Unterstützung. Doch wir stellen fest, dass es derzeit viele Reisebüros gibt, die panisch reagieren.

Auf was gilt es denn zunächst zu achten für ein Reisebüro?

Viele kommen auf uns zu und verlangen unmittelbar die kostenlose Annullation. Wir sagen dann, zunächst gilt es den Kunden sicherzustellen, Kosten sind sekundär. Reisebüros sollten jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken und meinen, sie müssen Kosten übernehmen. Die meisten Telefonate drehen sich um diesen Punkt.

Wie reagieren Sie jetzt bei Tourasia?

Wir beobachten die Lage und evaluieren, ob wir bis 30. April alle Reisen annullieren sollen. Bis zum 30. April sind wir jedenfalls höchst flexibel, was die Kosten anbelangt. Aber wir haben mit den Airlines einen gewissen Pferdefuss. Viele Buchungen lassen sich nicht kostenlos annullieren. Es kamen ja viele Business-Class-Sonderaktionen auf den Markt, die aber nicht stornierbar sind. Hier sitzt der Kunde bald mal auf 7500 Franken. Ein Reisebüro meldete am Wochenende, dass es von Kundenseite massiv bedroht wurde, das Reisebüros solle ihm sofort das Geld zurückgeben. Ich empfahl nun dem Reisebüro, dem Kunden zu sagen, dieser solle zuwarten, man werde die Angelegenheit in seinem Sinne erledigen, aber er soll bitte nun Ruhe bewahren. Dass die Reisebüros ihre Läden nun schliessen müssen und nur noch telefonisch erreichbar sind, dies hilft nun zumindest in solchen Bedrohungssituationen.

«Versicherungen verkriechen sich ins Igelhaus»

Mit welchen Komplikationen müssen Sie sich weiter beschäftigen?

Der erste Punk sind eben die Airlines, die sind zu wenig kooperativ, wenn es um Annullierungen geht. Zweitens aber die Versicherungen: die verkriechen sich alle ins Igelhaus. Keine gibt ein klares Statement ab. Die sagen nicht, diesen Fall decken wir und diesen nicht. Jetzt wäre es angesagt, hinzustehen. Derzeit sind kaum brauchbare Informationen erhältlich, das ist sehr ärgerlich. «Reichen Sie den Fall mal ein, wir schauen dann...», das ist keine Antwort.

Wie gehen Sie die nächsten Tage an?

Nach vorne schauen, war schon immer unser Erfolgsrezept. Schon 2003, das Jahr der Sars-Pandemie, war schlussendlich für uns kein schlechtes Jahr. Wir waren parat. Kaum verflüchtete sich Sars, sind wir mit Sonderaktionen rausgekommen. Dies hatte den Markt richtig beflügelt. Wir könnten schon morgen mit Sonderaktionen rauskommen. Die aktuell verfügbaren Preise auf eine längere Periode hinaus sind enorm. Ein 5*Plus-Resort mit eigenem Pool, das normalerweise 800 Franken pro Nacht kostet, ist derzeit für 220 Franken verfügbar. Mit solchen Aktionen lässt sich der Markt beflügeln, die Leistungsträger brauchen Kunden und werden preislich verblüffen – bis in den Herbst hinein.

Vom Panik- und den Kreativmodus?

Absolut. Und zwar frühzeitig! Unsere Produktionsabteilung arbeitet heute schon 100 Prozent. Auch wenn wir ab nächster Woche Kurzarbeit bei uns haben, in der Produktion arbeiten alle fünf Kollegen zu 100 Prozent und weitere zwei Personen stossen zum Produktionsteam.