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Die bange Frage: Wird das Coronavirus auch die Reisetätigkeit in der Nähe beeinträchtigen? Bild: AdobeStock

Kommentar Betrifft die Coronavirus-Krise bald auch das Mittelmeer-Geschäft?

Jean-Claude Raemy

Die Reisebranche sollte sich für den Worst Case wappnen. Für Reisebüros könnte die Coronavirus-Krise aber auch eine Chance beinhalten.

Am Anfang war die Coronavirus-Krise quasi ein innerchinesisches Problem. Dummerweise blieb das Virus aber nicht innerhalb der Grenzen der Provinz Hebei, sondern breitete sich in China rasant aus - und inzwischen auch international. Die nackten Zahlen mögen noch nicht viel aussagen - am heutigen 25. Februar hat man inzwischen über 80'000 erwiesene Ansteckungsfälle und 2700 Todesfälle. Und obwohl Asien schon zuvor generell betroffen war, hat seit diesem Wochenende die ganze Coronavirus-Krise in der Schweiz eine neue Dimension erhalten, weil es nun Ansteckungs- und Todesfälle in Norditalien, direkt vor unserer Haustür also, gibt.

Es tut nichts zur Sache, damit zu argumentieren, dass das Coronavirus nur «eine stärkere Grippe» sei. Oder dass bislang fast ausschliesslich ältere Menschen oder solche mit Immunschwächen deswegen umkamen. Die Angst der Konsumenten ist real. Hört man sich etwas um, wird rasch klar, dass die Nachfrage für China «tot» und für Asien «gering» sei, wobei natürlich nicht alle ihre Reisen absagen. Das hat auch Versicherungshintergründe, schliesslich rät das EDA bislang nur von Reisen in die chinesische Provinz Hebei ab, und die ERV hat kulanterweise Reisen nach ganz China versichert. Aber wer die Thailand-Reise absagen will, muss bezahlen. Es gibt aber natürlich nicht nur die finanzielle Abschreckung: Manche Reisende nehmen die ganze Sache schlicht nicht so ernst, «Reisen birgt ja sowieso Gefahren», und bleiben entspannt.

Bleibt auch die Reisebranche entspannt? Wohl eher nicht. Man hört aus unterschiedlichsten Quellen, dass Szenarien hinsichtlich einer Coronavirus-Krise im wichtigen Mittelmeer-Geschäft durchgeackert werden. Italien spürt wenige Tage nach Bekanntwerden erster Fälle bereits Auswirkungen: Abgesagte Events, Abriegelung von Orten, und gewiss auch Nachfragerückgänge. Was, wenn es in Spanien, Griechenland, der Türkei zu Fällen kommt? Davon muss aktuell ausgegangen werden, und das hat nichts mit Panikmache zu tun.

Derweil tauchen überall die Börsenkurse von Airlines und börsenkotierten Reiseunternehmen. Im Nahen Osten (Iran) und Südkorea sind inzwischen grössere Herde zu verzeichnen, und bereits wurden die Flüge aus unterschiedlichsten Ländern dorthin gekappt. Oder anders ausgedrückt: Wo das Coronavirus ist, wird tendenziell nicht mehr oder weniger oft hingeflogen. Klar, dass da die touristische Nachfrage unweigerlich mitleidet. Und weil das globale Reisewesen so stark ineinander verzahnt ist, leiden viele Unternehmen mit.

Das Problem aus Sicht der reisenden Endkunden lässt sich so ausdrücken: Solange es ein China- oder Asien-Problem war, konnte man ja anderswohin reisen. Dem Vernehmen nach sind die Zahlen für Nordamerika, Südamerika, Afrika und soweit auch Europa aktuell noch «normal», also auf Vorjahresniveau oder darüber. Aber wohin reisen denn die Leute, wenn es auch dort bzw. in der Nähe Coronavirus-Fälle gibt? Das Problem ist ja noch nicht einmal der geografische Krisenherd, sondern die Reise an sich: Man kann theoretisch nach Italien, ohne in der Lombardei zu sein, genauso wie man China ausserhalb der Provinz Hebei bereisen kann. Allerdings wurden die Viren vielfach auf dem Flugweg weitergereicht, so ist das nun mal in einer globalisierten, eng vernetzten Welt. Und deshalb herrscht plötzlich ein gewisses Misstrauen vor Flugreisen und Menschenansammlungen. Und das ist natürlich Gift für die Reisebranche.

Guter Rat ist wichtig

Sind die Ängste berechtigt? Ja, sind sie. Man sollte die Angst seiner Kunden ohnehin ernst nehmen, ob berechtigt oder nicht. Sterben wir jetzt alle? Nein, natürlich nicht. Das Bundesamt für Gesundheit gibt auf seiner Website täglich aktualisiert sehr gute Informationen ab. Es gibt Möglichkeiten, sich vor Infektionen zu schützen, mit Hilfsmitteln und mit Vorsichtsmassnahmen. Und natürlich gibt es noch viele Orte, wo man selbst problemlos hinreisen kann.

Wie immer bei grösseren Krisen ist Information das A und O. Nüchterne Information, die Tatsachen nicht verheimlicht und nicht aufbauscht. Der Informationsbedarf ist aktuell enorm, wir sehen das bei uns schon allein an den Clickzahlen für unsere Artikel mit Coronavirus-Themen. Das bietet dem Reisebüro auch eine Chance: Kunden werden kommen und fragen, was man kann und soll. Im Gespräch kann man die Situation relativieren, Tipps geben - aber bloss nicht sich über die Ängste und Sorgen der Kunden lustig machen! Der Arzt macht sich auch nicht über ihre Gesundheitssorgen lustig, sondern hilft ihnen, das Problem zu verstehen und Lösungen zu finden. Insofern kann das Reisebüro auch dafür sorgen, dass eben das Reisegeschäft nicht zusammenklappt und dass weiterhin, aber eben «gewusst wie», gereist wird. Es ist möglicherweise wie bei den CO2-Emissionen, welche im Direktverkauf nicht ankommen, im stationären Vertrieb hingegen schon: Eine gute persönliche Beratung kann bestimmte Verhalten auslösen oder auch verhindern.

Insofern wären die Veranstalter gut beraten, die Reisebüros intensiv mit spezifisch für Reiseanliegen aufbereiteten Informationen zu versorgen, damit diese den unweigerlich aufkommenden Fragen bestmöglich begegnen können. Der direkte Kundenkontakt ist das beste Schutzmittel, das die Reisebranche hat. Denn das Coronavirus ist nun mal da, wenn nicht im Land oder gar im Blut so zumindest schon in den Köpfen. Und es wird nicht einfach so in den kommenden Tagen verschwinden.

Seien Sie bereit. Auch die offizielle Schweiz wappnet sich.