Reiseanbieter

Zwar ist in der Schweiz schon lange von mobilem Reiseverkauf die Rede, wirklich breit durchgesetzt hat sich das Modell bisher aber nicht. Bild: Fotolia

Mobiler Reiseverkauf: In der Schweiz noch eine Nische

Nur rund 100 bis 150 Reiseprofis versuchen sich in der Schweiz als Freelancer. Ein Überblick zu den einzelnen Modellen.

Das Modell, auf eigene Rechnung Reisen zu verkaufen, fristet in der Schweiz ein Nischendasein. Nachdem wir darüber berichtet haben, dass es in den Niederlanden bereits mehr mobile Reiseverkäufer als stationäre Reisebüros gibt und dass sich auch in Deutschland – wie im Fall von Solamento – viele Freelancer versuchen, zeichnet sich in der Schweiz ein anderes Bild ab.

Die drei führenden Reiseunternehmen Hotelplan Suisse, DER Touristik Suisse und TUI Suisse haben allesamt Freelancer in ihren Reihen, die insbesondere Eigenprodukte absetzen. Bei Hotelplan Suisse sind es nur eine «Handvoll». Ihnen wird eine IT-Infrastruktur zur Verfügung gestellt und die administrativen Aufgaben abgenommen, «damit sie sich voll und ganz auf die Beratung und den Verkauf unserer Produkte fokussieren können», wie Sprecherin Bianca Gähweiler erklärt.

Mehr sind es bei DER Touristik Suisse. «Wir arbeiten mit einem guten Dutzend mobiler Reiseverkäuferinnen und Reiseverkäufer zusammen – und sind überzeugt, dass beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren», sagt Markus Flick, Mediensprecher bei DER Touristik Suisse. Bei den «Mobile Travel Consultants» von Kuoni handelt es sich in vielen Fällen um ehemalige Mitarbeiterinnen, die nach der Familiengründung ihren Kundenstamm ohne festes Pensum und mit höchstmöglicher Flexibilität weiterhin betreuen möchten. «Ähnlich verhält es sich mit Kolleginnen und Kollegen, die das Pensionsalter zwar erreicht haben, aber mit mindestens einem Fuss mit ihrem Beruf, ihren Kunden und Kuoni verbunden bleiben möchten.»

Bei TUI Suisse ist das Modell stärker verankert. «Es sind 32 Freelancer», sagt Sprecherin Bianca Schmidt, «sie werden anteilsmässig nach dem Umsatz kommissioniert und haben Zugriff auf alle TUI Systeme von ihrem eigenen Laptop aus.»

Ein auf Freelancer spezialisiertes Geschäftsmodell hat Patrick Schweighauser mit Reiselounge in Münsingen BE aufgebaut. «Wir beschäftigten zur Zeit über 70 Freelance-Reiseexpertinnen, ausschliesslich erfahrene Expertinnen», sagt Schweighauser. «Die Infrastruktur stellen wir zur Verfügung, insbesondere das für Reiselounge entwickelte mobile BackOffice.» 2019 sei das bisher beste Reisejahr gewesen. Individuelle Beratung zu flexiblen Zeiten von Reiseexpertinnen, die ihr Gebiet sehr gut kennen: so nennt er die Erfolgsformel. «Reiselounge verfügt über gute Konditionen bei allen namhaften Reiseveranstaltern und die Reiseexpertinnen können sehr unabhänig und selbsttändig arbeiten.» Für Branchenleute betreibt er zudem die Info-Seite travelxperts.net.

Ein weiteres Modell bietet das Reisebüro Reiselounge in Zürich an, das fünf Freelancer unter Vertrag hat. Die beiden Reiselounges haben nichts miteinander zu tun, stehen aber auch nicht im rechtlichen Streit wegen allfälligen Namensrechten, die bei der Zürcher Reiselounge liegen. Die mobilen Reiseverkäufer, die an die Reiselounge Zürich angebunden sind, warten mit der kompletten Angebotspalette auf. Wie Reiselounge-Chef Christian Hug unterstreicht, seien die Freelancer dabei völlig frei, auf welche Veranstalter sie setzen, man gebe ihnen hierzu keine Vorgaben. «Wir haben zwei Modelle: es gibt einen Freelancer, der als selbständige Firma alle Sozialleistungen selber abrechnet, bei den anderen übernehmen wir das, insofern sind diese bei uns angestellt, verdienen dann aber einfach je nach Umsatz».

Holland-Schweiz-Vergleich

Total dürfte sich die Anzahl Freelancer in der Schweiz auf rund 150 belaufen, auch Knecht Reisen soll ein Freelancer-Modell haben, hier liegen uns aber noch keine Infos vor. Im Vergleich zu den Niederlanden, einem Land das im Reiseverkauf der Schweiz einige Jahre voraus ist (betrachtet man etwa die Online-Affinität), liegt die Schweiz beim mobilen Reiseverkauf weit zurück. In den Niederlanden kommen auf 800 stationäre Reisebüros über 1000 Freelancer. In der Schweiz, je nach Zählweise sind es 1200 bis 1500 Reisebüros, machen die Freelancer also nur einen Bruchteil davon.

Was wohl die Gründe für diesen frappanten Unterschied zwischen dem 17-Millionen-Einwohner Land Holland und der 8,5-Millionen-Schweiz sind? Möglich, dass in den Niederlanden der Unternehmergeist und die Risikobereitschaft generell grösser sind, selbstständig zu arbeiten und Reisen zu verkaufen. Und auch beim Kunden selber dürfte das Modell bekannter und etablierter sein, sowie die Bereitschaft den mobilen Reiseverkäufer zu sich nach Hause an den Stubentisch zu bitten – schliesslich verzichten die Holländer gerne ja auch auf Vorhänge... Zudem sorgt in den Niederlanden mit Travel Counsellors eine langjährige, professionelle Organisation für den Rückhalt und die vollumfängliche Unterstützung der Freelancer.

In der Schweiz sind die Freelancer-Modelle eher aus der Gelegenheit heraus entstanden. Bei den grossen drei TOs sind es vielfach ehemalige Mitarbeiter, die sich etwa in die Mutterschaft verabschieden, die dann nebenbei noch die eine oder andere Buchung tätigen. Zudem tickt die Schweiz wohl einiges traditioneller. Die Bereitschaft, bei einem Freelance-Reiseprofi zu buchen, wird wohl noch von einiger Skepsis geschmälert.

Doch künftig könnte sich das Modell durchaus noch stärker durchsetzen. Einerseits sprechen die technologischen Möglichkeiten dafür. Ein Freelancer hat von überall her Zugriff auf die Reservationssysteme, rund um die Uhr. Die Wünsche in Sachen Arbeitsmodelle ändern sich, Flexibilität wird auch für Reiseprofis immer reizvoller, statt sich von 9 bis 17.30 Uhr hinter den fixen Desk zu setzen. Auch aus Kundensicht bietet der mobile Reiseverkauf eine grosse Flexibiltät. Statt sich während den Arbeitszeiten in ein Reisebüro zu bemühen – und dort noch eventuelle warten zu müssen –, lässt sich der Beratungstermin mit einem mobilen Profi auf eine gewünschte Randzeit legen.

(GWA)