Reiseanbieter

André Lüthi: «Dieser Markt ist bereit, für Beratungsqualität und Betreuung vor, während und nach der Reise einen Mehrpreis zu bezahlen.» Bild: J. Khakshouri/Globetrotter

Einwurf «Weniger Umsatz ist kein Drama»

André Lüthi

André Lüthi, CEO der Globetrotter Group, erklärt in seinem Einwurf, weshalb permanentes Wachstum kein Ziel per se sein sollte, und weshalb Chefs, die als «Excel-Talibans» agieren, das grösste Problem sind.

Was zählt eigentlich im Unternehmertum? Das immer noch von vielen Seiten hochgepriesene, allein selig machende Wachstum – da nur Wachstum mit wirtschaftlichem Erfolg in Verbindung gebracht wird? Es gibt kaum Businesspläne und Strategiepapiere, die kein Wachstum aufzeigen. So hat man es ja gelernt im Studium oder im MBA.

Doch ist Wachstum wirklich die Maxime? Können im Tourismus angesichts der neuen technologischen Buchungsmöglichkeiten und Entwicklungen der klassische Retailer und der traditionelle Touroperator noch wachsen? Ich glaube nicht. Und es ist an der Zeit, dass sich das Management solcher Betriebe langsam damit auseinandersetzt. Was ist zu tun, wenn die Umsätze einmal nicht mehr wachsen? Ist das wirklich ein Drama?

Nein. Weniger Umsatz ist kein Problem, wenn die Verantwortlichen proportional dazu die Kosten und Marge im Griff haben. So haben wir, die Globetrotter Group, im 2019 unter anderem aufgrund von fehlenden Grossprojekten (Olympia, Schiffscharter) weniger Umsatz erzielt, aber einen soliden EBIT erwirtschaftet.

«Es braucht den Mut, sich auf die Kernkompetenzen zu fokussieren.»

Nebst Kosten und Marge muss auch an den Fähigkeiten der Mitarbeitenden und an der Positionierung respektive der Spezialisierung des Betriebes gearbeitet werden. Für was steht das Unternehmen, sein Service, seine Produkte? Es braucht den Mut, sich auf die Kernkompetenzen zu fokussieren – «reduce to the max». Denn es wird immer einen Markt für Retailer und für Touroperator geben. Dieser Markt ist bereit, für Beratungsqualität und Betreuung vor, während und nach der Reise einen Mehrpreis zu bezahlen. Doch es braucht die Extrameile für jeden Kunden.

Die Zukunft wird darin liegen, das zu tun, was die Online-Portale nicht können. Ein Mensch geht auf einen Menschen ein. Statt immer von Mehrwerten zu sprechen in den Chefetagen, braucht es mehr Mensch. Glaubwürdig, authentisch und kompetent. Doch Menschen können ihre Wirkung nur dann voll und ganz ausspielen, wenn sie getragen sind von einer Unternehmenskultur, die mehr ist als ein Leitbildsatz. Das gegenseitige Vertrauen und die Leidenschaft für den Beruf sind die Träger einer intakten Kultur. Daran müssen die Chefetagen künftig arbeiten – statt als Exceltalibans jährlich neues Umsatzwachstum zu fordern. Weniger Umsatz ist kein Drama – Chefs, die nur das Wachstum sehen, schon. Thomas Cook lässt grüssen. Mit etwas mehr Gelassenheit und dem nötigen Fokus auf die Kernkompetenzen können auch Wunder geschehen: Plötzlich steigen die Umsätze, obwohl man keine klaren Wachstumspläne hatte...