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Freut sich auf das Jubiläumsjahr und seine Nachfolgerin: Serge Brunner, Geschäftsleiter der Baumeler Reisen AG. Bild: TN

«Seit 60 Jahren ist Innovation in der DNA von Baumeler»

Gregor Waser

Serge Brunner, Geschäftsleiter von Baumeler Reisen, äussert sich im Interview zur Entwicklung von Wander- und Veloreisen, zum 60-Jahre-Jubiläum und zu seiner Nachfolgerin.

Herr Brunner, Baumeler Reisen wird in diesem Jahr 60 Jahre alt. In welcher Form feiern Sie das runde Jubiläum?

Serge Brunner: Der Hauptevent erfolgt am 5. April. Wir werden rund 400 Kunden in die Nähe des Hallwylersees einladen. Hier werden wir kleine Wanderungen und Velotouren sowie Workshops zu Fotografie, Schreiben und Malen mit den Gästen durchführen, total 20 Reiseleiter sind mit dabei – aus leichten bis längeren Touren können die Gäste auswählen. Im Anschluss feiern wir mit einem Apéro auf dem Schloss Heidegg. Weiter planen wir in jedem Monat das Jubiläum weiter zu zelebrieren, etwa mit Sonderreisen. Eine Veloreise führt in die Massa Vecchia. Baumeler arbeitet seit vielen Jahren mit Ernst Hutmacher zusammen, der eine Mountainbike-Station betreibt und wo auch Nino Schurter trainiert. Weiter haben wir eine Jubiläums-Wanderreise auf Mallorca geplant.

Wie hat sich die Firma in den 60 Jahren entwickelt?

Seit 60 Jahren ist Innovation in der DNA von baumeler. Ich denke, in den Anfängen war die Überraschung gross, wie gut Wanderreisen in den 60er-Jahren angezogen haben. Einige wenige Reisen wurden aufgelegt, etwa Cinque Terre, und man wurde bald mal vom Erfolg überrannt. Das Geschäft wuchs in den ersten zehn Jahren sehr stark. Schweizerinnen und Schweizer schätzten diese Nische überaus. In den 80er-Jahren starteten wir mit Veloreisen. Später sind wir als erste ins Flyer-Geschäft eingestiegen, obwohl viele sagten, dies sei nur eine Modeerscheinung. Seit 2019 sind wir das erste klimaneutrale Reiseunternehmen der Schweiz.

Über wieviele Flyer verfügt Baumeler?

Derzeit sind es 35 eigene Flyer, zudem mieten wir während der Saison oft zusätzliche ein. Heute haben wir wohl mehr Leute auf Elektro- als auf normalen Velos. Gerade bei den Gruppenreisen erweisen sich die Flyer als ideal, um die Leistungsniveaus anzugleichen.

Nehmen einige Gäste ihr eigenes Velo mit?

Nein, weil wir mit dem Begleitbus aus der Schweiz fahren und die Velos werden separat transportiert. Wenn die Leute ihre eigenen Velos mitnähmen, hätten wir zollrechtliche Probleme und einen Papierkrieg. So können die Leute vor Ort am Zielgebiet das perfekt gewartete Bike entgegennehmen.

«2019 war bei den Wander-Gruppenreisen ein durchzogenes Jahr»

Wie gut war Baumeler im vergangenen Jahr unterwegs? Welche Ziele und Sparten liefen gut?

2019 war bei den Wander-Gruppenreisen ein durchzogenes Jahr. Die Ferndestination liefen gut, die näheren Europaziele weniger – von einem Greta-Effekt können wir also nicht sprechen. Auch bei den Veloreisen hatten wir einen langsamen Saisonstart, konnten im zweiten Halbjahr aber aufholen und schlossen auf Vorjahresniveau ab. Bei den einzelnen Zielen zeigt sich kein einheitliches Bild, die einen Ziele waren im Frühling gut nachgefragt, andere im Herbst. Hier war kein klarer Trend erkennbar.

Wir erklären sie sich die verhaltene Nachfrage bei den Wander-Gruppenreisen?

Was wir in den letzten Jahren verstärkt feststellen: unsere Gäste möchten immer häufiger individuell reisen. Entsprechend haben wir unsere neuen Flex-Produkte eingeführt, die die Vorteile einer Gruppenreise mit jener einer individuellen Reise kombinieren. Die Vorausbuchungen für 2020 stimmen uns positiv, dass wir dank der erweiterten Produktelinie auf einem guten Weg sind. Mitte Januar hatten wir in den letzten zehn Jahren noch nie einen solch guten Buchungsstand wie jetzt. Wir hoffen der Trend hält an. Allgemein hört man ja, dass 2019 verhalten war und nun aktuell viele Veranstalter und Reisebüros im Plus sind. Insofern ist es für uns offen, ob wir mit unseren Produkten den Nagel auf den Kopf getroffen haben oder bloss mit der Welle mitschwimmen.

Wie sieht denn eine Flex-Reise aus?

Flex-Reisen sind ideal für alle, die nicht sicher sind, ob eine Gruppenreise das Richtige für sie ist. An mehreren Tagen wird Baumeler-Luft geschnuppert, zusätzlich bleibt viel Freizeit. Die Durchführung ist ab zwei Teilnehmern garantiert. Bei der Algarve-Reise etwa sind der sechste und siebte Tag frei. Typischerweise sind bei acht Tagen zwei zur freien Verfügung.

«Wir tun viel, um den Stammkunden-Anteil hoch zu halten»

Könnte die Zurückhaltung bei Gruppenreisen auch darauf beruhen, dass man sich fürchtet, die Ferien mit Leuten verbringen zu müssen, die man nicht mag?

Klar dürften dies einige denken und eine solche Konstellation kann es innerhalb einer Gruppe ab und zu geben, dass man sich über Mitreisende aufregt. Aber dies ist absolut die Ausnahme. Wir haben auch genügend grosse Gruppen, typischerweise 14, 15 Leute, da kann man sich auch mal an einen anderen Tisch setzen. Schliesslich sprechen wir ja auch von Reisen mit Gleichgesinnten – das Gegenteil davon, dass sich Freundschaften schliessen, ist jedenfalls ungleich häufiger.

Wie gross ist der Stammkunden-Anteil bei Ihnen?

Der ist gross, deutlich über die Hälfte unserer Gäste sind bereits zuvor mit uns gereist. Generell registriert die Reisebranche wohl eine sinkende Loyalität. Wir tun aber viel daran, dass diese bei uns hoch bleibt, sei es mit direkten Infos, Veranstaltungen, Travel-Club-Events, einem Kundenmagazin und generell einer hohen Kundenzufriedenheit während den Reisen – dies dank unseren Reiseleitern, die einen top Job machen.

Wie bedeutend ist der Reisebüro-Vertrieb bei Baumeler?

Der ist leider eher gering. Wir würden uns einen höheren Anteil wünschen. Und ich meine, wir bieten eine breite Produktepalette an, mit der ein Reiseprofi auch bei individuellen Kundenwünschen punkten kann. Vielleicht sind wir noch zu wenig modular für Reisebüros, diesen Aspekt verfolgen wir.

Vermehrt agieren deutsche Gruppenreise-Spezialisten in der Schweiz. Wie verfolgen Sie diese Mitbewerber?

Wir nehmen diese Anbieter wahr. Mir fallen zwei Sachen dabei auf: Wenn man die Preise leistungsbereinigt vergleicht, ist die Differenz zwischen deutschen Anbietern und uns erstaunlich klein, obwohl wir andere Personalkosten haben. Was eher auffällt, ist, dass deutsche Anbieter deutlich weniger Leistungen inkludieren und so viel günstiger sind. Anscheinend gibt es einen Markt hierzu in der Schweiz. Da geht es um tiefere Hotelkategorien, weniger Essen oder in Island – obwohl dies illegal ist – setzen einige auf deutsche statt isländische Guides. Was uns freut, rund 5 Prozent unserer Gäste sind aus Deutschland, die unsere Leistungspalette überaus schätzen.

Sie haben mit Sandra Räber eine neue Chefin zu Baumeler Reisen geholt. Was war der Beweggrund dazu?

Das Ziel war, dass ich eine Nachfolge finde, die mich bei Baumeler entlastet. Momentan bin ich zu 40 Prozent bei Baumeler. Das ist viel zu wenig, um den operativen Betrieb zu managen. Entsprechend haben wir eine Nachfolgelösung gesucht und mit Sandra Räber eine Spitzentouristikerin gefunden mit Touroperator- und Marketing-Know-how sowie Führungserfahrung. Ich bin überzeugt, dass Sandra Räber uns weiterbringen wird.

Und wie stellt sich künftig Ihre Rolle dar?

Selber betreue ich innerhalb der Knecht Holding baumeler, Arcatour, kollerbike, Via Verde Reisen, Rivage Flussreisen, Car Rouge und Eurobus.