Reiseanbieter

«Ab 2020 bieten wir ab 30‘000 Franken Umsatz neu 2 Prozent Superkommission»
Jean-Claude RaemyHerr Wieser, das Jahr 2019 neigt sich dem Ende zu. War es für Vögele eher ein guter oder ein schlechter Jahrgang?
Pascal Wieser: Das Jahr startete sehr positiv. Dazu gaben wir uns einen neuen optischen Auftritt, welcher sehr gut bei den Kunden ankam. Es gab also allen Grund zu Optimismus. Es kam dann aber etwas anders. Trotz gesundem Wachstum bei den Bestandeskunden blieben wir bei der Neukundenakquisition unter Vorjahr. Nach mehreren Jahren mit gutem Wachstum und der Rückkehr in die Profitabilität haben wir 2019 einen leichten Rückgang hinnehmen müssen. Im Branchenvergleich ist das nicht schlimm, aber wir konnten unsere ambitiösen Ziele nicht erreichen.
Worin sehen Sie die Gründe für diesen Umsatzrückgang?
Da fallen mehrere Gründe ins Gewicht. Die konjunkturelle Abkühlung und die politische Polarisierung sind nie gut für die Reiselust. Dazu gab es aus unserer Sicht schon einen Greta-Effekt, da wir ja ausschliesslich Flugreisen anbieten. Unsere Kundschaft besteht aus sehr reiseaffinen Leuten, und an diversen Kundenveranstaltungen konnte ich vernehmen, dass nun doch mal wieder an nähere Ziele gereist werde, hierbei mit Bus oder Bahn. Auch wenn nur zwei Flugreisen weniger pro hundert Kunden gemacht werden, sind das 2% Rückgang – also spürbar.
Aber ihr Kerngeschäft, die geführten Rundreisen, also im weiteren Sinne die Pauschalreisen, boomen doch wieder...
Das ist schon so. Ich glaube sogar, Vögele Reisen hat beigetragen, den Boden dafür vorzubereiten – vor einigen Jahren dümpelte das Geschäft mit geführten Rundreisen vor sich hin, wir haben mitgeholfen, es in der Schweiz wieder attraktiv und populär zu machen. Der einst totgesagte Pauschalreisemarkt bietet eine gewisse Wertschöpfung. Das hat neue Konkurrenz aus dem Inland und auch aus dem Ausland, diese mit jetzt verstärktem Engagement in der Schweiz, auf den Plan gerufen. Oder anders formuliert: Es wird auf Veranstalterseite wieder mehr in die Rundreise investiert. Dadurch hat sich auch die Konkurrenzsituation – im preisaggressiven wie im Qualitätssegment – klar akzentuiert.
«Nach mehreren Jahren mit gutem Wachstum und der Rückkehr in die Profitabilität haben wir 2019 einen leichten Rückgang hinnehmen müssen.»
Vögele war doch einst einer der preisaggressivsten Anbieter.
Heute sind wir nicht immer der billigste Anbieter, sondern wir bieten die beste Preis/Leistung. Wir beackern natürlich auch preissensitive Kunden, aber immer mit viel Qualität, wie z.B. kleine Gruppen, top Reiseleitung, Direktflüge und zentral gelegene Hotels. Dies widerspiegelt unser neuer, deutlich aufgewerteter Katalog. Er ist jetzt schöner, «luftiger», es muss nicht mehr jedes hinterletzte Detail einer Rundreise aufgelistet sein. Wir wollen ja «mehr bieten als versprechen».
Welches waren, auf Destinationen bezogen, die Tops und die Flops im ablaufenden Jahr?
Sehr erfreulich hat sich die Nachfrage für Costa Rica, Südafrika, Japan, Vietnam und sogar Kuba entwickelt, also hauptsächlich auf Langstrecken. Auf Kurzstrecken liefen Madeira, Andalusien und Süditalien gut. Eher enttäuschend, aus bekannten Gründen, waren Sri Lanka oder auch der Iran. Dazu gibt es Ziele, die mal laufen, dann wieder nicht, etwa Rajasthan oder Madagaskar. Das ist normal. Die Schwankungen im Mittelmeerraum, wie sie die Badeferienanbieter erleben, sind für uns eher irrelevant.
Wie sieht überhaupt ihre Kundschaft aus?
Es sind hauptsächlich offene, neugierige Menschen in der Altersgruppe zwischen 50-70 Jahre. Viele frühere Kunden sind inzwischen zu uns zurückgekommen. Geschätzt wird eben die Qualität der Reisen, die überschaubare Grösse der Gruppen, die kompetenten Reiseleiter und der gute Service und vielleicht auch, dass man quasi «unter seinesgleichen» ist.
Sie wollen doch aber sicher auch die nächste Generation bedienen?
Sicher! Ich habe soeben im Rahmen eines Executive MBA «Digitale Transformation» eine Master-Arbeit geschrieben zum Thema «Digitalisierung im Reisemarkt» - natürlich mit Sicht auf die weitere Entwicklung von Vögele Reisen. Dies nicht aus Karriere-Überlegungen, sondern wirklich um fit zu bleiben mit aktuellen Themen und Herausforderungen. Und natürlich kann ich einiges daraus nun auch für die Führung von Vögele verwenden.
In der Tendenz ist bei der Generation im mittleren Alter, zwischen 45-60 Jahren, der Verkauf von Gruppenreisen schwierig. Vermutlich weil diese Generation früher nicht diese unglaublichen Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung von Reisen hatte, und sich diese Freiheiten nun nicht mehr nehmen lässt. Bei jüngeren Konsumenten verorte ich eher wieder ein Bedürfnis nach Sicherheit und auch nach Convenience, im Sinne davon, dass man nicht Stunden mit aufwändiger eigener Reiseplanung verbringen will. Das ist gut für die Reisebürobranche und für die Pauschalreise als Verkaufsprodukt. Oder anders formuliert: Kuratierte Reisen haben Zukunft und sind wieder «in».
Um nun auf Ihre Frage zurückzukommen: Es gibt klare neue Anforderungen an die Kommunikation, an den Auftritt und an das Produkt. Zum einen verstärken und professionalisieren wir klar die Kommunikation über die Online-Kanäle. Zum anderen muss das Produkt Pauschalreise flexibilisiert werden. Das beginnt etwa dabei, dass man den Gästen auf einer Rundreise nicht mehr alles durchtaktet, sondern vermehrt auch Freiräume bietet. Zum anderen werden unsere fixen Programme mit mehr individuellen Möglichkeiten für Vor- oder Nachprogramme ergänzt. Dazu braucht es genauso menschliche Skills wie weitere Systementwicklungen.
«Ich habe soeben eine Masterarbeit zum Thema ‹Digitalisierung im Reisemarkt› geschrieben»
Die Kooperation mit Viamonda zielt in diese Richtung?
Genau. Wir kooperieren seit diesem Sommer mit dem Experten für Online-Planung, welcher wiederum auf Technologie des Schweizer Unternehmens Nezasa setzt. Unser Mutterhaus Twerenbold Reisen hat sich ja mit einer strategischen Beteiligung an Viamonda engagiert. Bei den Produkten, die wir mit Viamonda anbieten – die im Rahmen unserer Webseite als Whitelabel-Reisen angeboten werden – gibt es zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten für 2 bis 12 Personen. Wir bieten damit sowohl «Convenience» als auch «Flexibilität», und das sind beides ganz wichtige Kundenbedürfnisse und damit Parameter der künftigen touristischen Entwicklung. Wir sind allerdings noch nicht da, wo wir sein wollen. Wir lernen nun aktiv, was den Kunden wichtig ist, und entwickeln uns kontinuierlich und gemeinsam weiter bezüglich Produkt, Service und Knowhow.
Gibt es auch Initiativen hinsichtlich einer Erweiterung des Angebotsportfolios?
Wir haben kürzlich wieder eine Broschüre für Mietwagenrundreisen herausgegeben – das gab es lange nicht mehr. Das ist per se nicht revolutionär, aber bedient ein anderes Segment. Direktflüge, vernünftige Mietwagenkategorien und gute Hotels sind inbegriffen. Die Angebote sind durch uns – in Zusammenarbeit mit unseren DMCs – erarbeitet und nicht «ab der Stange». Wir wollen flexible, attraktive Produkte bieten, aber nicht mit den reinen Destinations-Spezialisten konkurrieren. Es geht darum, Einsteigerprodukte zu haben, bei welchem wir neue Kunden an unser Reiseportfolio heranführen und begeistern können. Allerdings ist das Interesse auch bei den bestehenden Kunden erfreulich – ein Gruppenreisegast macht ja meistens auch noch andere Ferien.
Familienferien sind kein Thema?
Wir haben vereinzelt auch Familien als Kunden, das ist aber eher die Ausnahme. Die Zielgruppe sind eher Personen, deren Kinder bereits erwachsen sind oder die kinderlos sind bzw. keine Kinder planen. Allerdings sind die vorhin erwähnten Whitelabel-Produkte auch privat verfügbar und insofern auch für Familien durchaus attraktiv. Familien sind nicht unsere Kernzielgruppe.
Kommen wir zum Thema Vertrieb: Wie viel wird über Reisebüros vertrieben?
Der primäre Vertriebskanal sind die Direktkunden. Aber immerhin liegt der Anteil, der über Reisebüros generiert wird, bei rund 15 Prozent. Viele wissen nach wie vor nicht, dass unser Katalog zweimal jährlich in einer neutralen Reisebüro-Version gedruckt wird und beim Mailinghouse verfügbar ist und dass wir 10% Kommission zahlen. Ich wünschte mir, dass wir mit unserem Schweizer Qualitätsprodukt auch bei den Reisebüros vermehrt «top of the mind» werden.
Um diesem Wunsch Taten folgen zu lassen, haben wir nun eine spezielle Regelung getroffen. Ab 2020 gibt es ab 30'000 Franken Umsatz eine Superkommission von 2 Prozent. Mit 12% kommissionieren wir dann mehr als fair, mit einem relativ einfach erreichbaren Ziel. Die Frage ist, ob die Reisebüros das in ihrer Sortimentspolitik berücksichtigen. Wir wollen einfach künftig proaktive Verkäufer belohnen. Aufgrund unserer einfachen Angebotsstruktur braucht es aber weiterhin keine Agentenbetreuung.
Beim hohen Direktkundenanteil scheint aber ihr Sales-Team relativ klein zu sein…
Die Buchungen teilen sich auf in Online-Kundschaft und auf Kundschaft, welche unser Callcenter beansprucht. Das Gros kommt heute online rein. Trotzdem werden wir das Verkaufsteam weiter verstärken und suchen im kommenden Jahr einen zusätzlichen Verkaufsprofi. Wir haben einen klaren Ausbauplan – nicht nur im personellen Bereich, sondern eben auch bei den Systemen. Weil wir auch das klassische Vögele-Produkte flexibler machen werden, sind wir auch mit Tourdata in entsprechenden Entwicklungsprojekten.
Ich darf übrigens hier auch festhalten, dass wir in diesem Jahr erstmals – oder zumindest erstmals seit ich bei Vögele Reisen bin – wieder einen Lernenden haben. Es ist ein Lernender im 3. Lehrjahr, den wir aus einer anderen Branche übernommen haben. Ich bin ein Fan des dualen Bildungssystems und Vögele Reisen will damit signalisieren, dass auch wir einen Beitrag für die Ausbildung in unserer Branche leisten.
«Mitte 2020 müsste die TourCert-Zertifizierung vorliegen»
Was ist denn 2020 Ihre höchste Priorität?
Die Umsetzung unseres Businessplans! Dazu zählen weitere Produktentwicklungen genauso wie Investitionen eben auf Personalseite sowie im Bereich der Systeme.
Erhalten Sie dabei auch Unterstützung vom Mutterkonzern?
Das Wort «Konzern» nutzen wir nicht – unser Verständnis und unsere Haltung ist es, eine prosperierende Gruppe von KMUs zu sein. Grundsätzlich geniessen die einzelnen Marken unter dem Twerenbold-Dach grosse Autonomie, was diese auch stark macht. Und andererseits stärken uns sehr wesentliche Gruppensynergien - etwa in Verwaltung, Marketing und Technologie. Wir können zum Beispiel für die weitere Entwicklung der «Digital Roadmap» auf den gruppeninternen «Digital Officer» zurückgreifen, das war bisher Lars Kläger, bald wird dies Benno Iten sein. In diesem Bereich wurden dank diesem zentralen Know-how schon grosse Fortschritte erzielt.
Wie gross ist eigentlich ihr aktuelles Team?
Es sind 23 Mitarbeitende – nebst vielen Reiseleitern auf Freelance-Basis. Ein tolles Team, auf das ich echt stolz bin, und mit einer guten Stimmung. Uns gefällt es auch unter dem Twerenbold-Familiendach. Der VR-Präsident Karim Twerenbold ist an einer Modernisierung des Business interessiert und unterstützt diese sehr aktiv. Die Voraussetzungen sind also da, um unsere im Businessplan festgehaltenen Ziele realisieren zu können.
2020 sollte also wieder ein guter Jahrgang werden?
Ich will Realist bleiben und keine leere «Zweck-Euphorie» verbreiten. Wir haben zurückhaltend budgetiert, da ich weiss, wie volatil unsere Branche ist. Ich bin durchaus «verhalten optimistisch» in Bezug auf die unmittelbare Geschäftsentwicklung, und dies nicht nur für uns, sondern für die ganze Branche. Die Wachstumsdynamik in unserem Kerngeschäft mit geführten Flugrundreisen bleibt wohl eher bescheiden. Aber wir sind dran, uns zusätzliche Perspektiven zu schaffen, Chancen zu kreieren – es kommt nichts von selber zustande. Und dabei sind wir gut unterwegs.