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Die Kataloge sind ein wichtiges Arbeitstool, aber auch Grund für Kontroversen: Wie viele verschiedene sind überhaupt nötig, wie viele wollen Reisebüros bei sich horten, wer trägt welche Kosten? Bild: GWA

Wie viele Reisekataloge braucht es eigentlich noch?

Jean-Claude Raemy

Seit Jahren beschweren sich Reisebüros darüber, zu viele Kataloge lagern zu müssen, während Reiseveranstalter unter hohen Versandkosten leiden. Wie funktioniert das Katalogwesen überhaupt, wo liegen die Probleme? Und braucht es den Katalog überhaupt noch? Wir haben Stimmen eingeholt.

Jahrelang war der Reisekatalog das klassische Abverkaufs- und Marketingtool der Reisebranche. Er scheint es auch immer noch zu sein, denn in diesen Tagen schwirren wieder Tausende Kataloge in die Reisebüros. So viele, dass sich manche Reisebüros auch beschweren - nicht alle haben genügend Lagerplatz, manche wollen am liebsten weniger oder gar keine Kataloge. Doch wer entscheidet eigentlich von Jahr zu Jahr über die Katalogmengen? Und gibt es heute mehr oder weniger Katalogauslieferungen als früher?

Daniel Montani, stv. Geschäftsführer der Markus Flühmann AG, welche den Katalogversand für die meisten Schweizer Grossveranstalter übernimmt, holt aus: «Die Reiseveranstalter gehen unterschiedlich vor. Einige orientieren die Menge der versandten Kataloge rein anhand einer Umsatzliste ihrer Vertriebsstellen. Die meisten allerdings berechnen die Katalogmenge im Verhältnis zum Vorjahresverbrauch.» Wichtig ist es hierbei, zwischen Initialversand und Gesamtkatalogmenge zu unterscheiden. Zum Zeitpunkt der Erscheinung der Kataloge kommt es zum Initialversand, also der erstmaligen Auslieferung einer grossen Katalogmenge. Diese erreicht üblicherweise 40-60 Prozent der Gesamtverbrauchsmenge aus dem Vorjahr. Beispiel: Hat ein Reisebüro 3000 Kataloge im Initialversand erhalten und 2000 nachbestellt, ergibt dies eine effektive Menge von 5000, von denen 50 Prozent also 2500 sind, womit der nächste Initialversand 2500 Kataloge umfasst - also höher als im Vorjahr ist. Wer nichts nachbestellt hat, erhält weniger im Initialversand.

«Der Reiseveranstalter bestimmt, wer wie viel bekommt, und nicht etwa wir», hält Montani fest - und deutet gleichzeitig auf eine Reibungszone zwischen TO und Reisebüro: «Die Stückkosten für den Initialversand liegen natürlich deutlich tiefer als bei den Nachbestellungen.» Will heissen: Im Prinzip ist es für den TO interessanter, einen hohen Initialversand und danach möglichst wenige Nachbestellungen zu haben. Manche Reisebüros möchten aber eben kein Lager bereitstellen, sondern am liebsten bedarfsgetrieben immer wieder kleine Mengen an Katalogen bestellen. «Wer eine Minimallieferung oder gar keinen Initialversand will, muss dies aber mit dem TO ausmachen und nicht bei uns anrufen», so Montani. Wie viele Kataloge einfach nur weggeschmissen werden, weiss niemand. Das sei aber aus Sicht des Reisebüros auch keine Lösung, weil man ja dann trotzdem wieder viele Kataloge erhält, wegen dem scheinbaren Verbrauch.

Und wie sieht es mit den Gesamtmengen aus? «Die Tonnage beim Initialversand ist innerhalb der letzten Jahre massiv zurückgegangen, von rund 500 Tonnen auf noch 130 Tonnen in diesem Jahr», berichtet Montani. Inzwischen werden die Initialversände gar nicht mehr mit einem eigenen Spediteur gemacht, sondern normal verschickt, teils sogar per «Cross-Stocking», also mit Katalogen von unterschiedlichen Veranstaltern im selben Päckli. Was sind die Gründe für den Rückgang? Natürlich hat es einerseits mit dem Rückgang der Anzahl Reisebüros sowie eines Grosskunden (Kuoni) zu tun, doch sieht Montani einen Grund auch in einer restriktiveren Belieferungspolitik der TOs.

Was sagen die TOs?

Eigentlich sind für Reiseveranstalter also eine «vernünftige» Katalogproduktionsmenge und eine saubere Verteilungssteuerung wichtig. Dafür gab es laut Montani früher teils echte Profis, inzwischen aber oftmals nicht mehr klare Zuständigkeiten - obwohl hier grosse Einsparungen möglich wären.

Diese erklären, sehr genau vorzugehen. «Vor jeder Drucklegung werden Lager-Restbestände, Anzahl Bestellungen der letzten Auflage, Nachfragetrends, bevorstehende Marketingaktivitäten und einige weitere Faktoren geprüft, um die Auflagen in einem ökonomisch und auch ökologisch möglichst sinnvollen Rahmen zu halten», sagt etwa Christoph Huckele (Knecht Reisen). Auch bei Hotelplan Suisse gehe es darum, die Entsorgungsrate möglichst gering zu halten: «Die gewünschte Anzahl unserer verschiedenen Kataloge können unsere eigenen Filialen aber auch die unabhängigen Reisebüros punktuell anpassen», hält Sprecherin Bianca Gähweiler fest.

Aber wo gibt es denn überhaupt Sparpotenzial? Bei der Anzahl, bei den Umfängen? Markus Flick (Sprecher DER Touristik Suisse) erklärt: «Selbstverständlich sind wir bemüht, möglichst optimal die Nachfrage zu bedienen ohne überschüssige Exemplare zu drucken – der Umweltgedanke ist ein wesentlicher Faktor bei der Planung. So beziehen wir Erfahrungswerte aus den Katalogproduktionen früherer Ausgaben bei der Planung mit ein, bilden lediglich einen Teil unseres Angebotes in Katalogen ab, verzichten insbesondere im Badeferiengeschäft weitgehend auf umfangreiche Preistabellen, und bieten bei Kuoni neu mehrere Kataloge mit längeren Laufzeiten an. Gerade im Badeferienbereich geht der Trend zu schlankeren Katalogen, und Kuoni/Helvetic Tours gehen mit diesem Trend mit – mehr Inspiration und Fakten lösen längere Fliesstexte ab.» Auch bei TUI Suisse ist diesbezüglich bereits aktiv geworden und hat den Papierverbrauch bei der Katalogproduktion in diesem Jahr um 15 Prozent reduziert, also rund drei Tonnen Papier weniger verbraucht. «Die gesamte Katalogproduktion wird bei TUI kontrovers diskutiert, aktuell gibt es sicherlich noch Einsparungspotential bei den Preislisten oder dem Umfang der Kataloge», ergänzt TUI-Sprecherin Bianca Schmidt. Huckele sieht darüber hinaus noch Kosteneinsparungspotenzial bei der Druckkostenreduktion - bei Knecht läuft gerade eine Ausschreibung bei Druckereien - oder dem gemeinsamen Versand neuer Broschüren.

Hinsichtlich der Gesamtmenge an Katalogen konstatiert Montani, dass diese nur wenig tiefer sei als noch vor zehn Jahren, weil es inzwischen in der Breite mehr Kataloge gebe. Dies bestätigt etwa Huckele für Knecht Reisen: «Der Trend zeigt deutlich in Richtung ‹mehr Kataloge in tieferen Auflagen statt auflagenstarke, dicke Hauptbroschüren›. Damit folgen wir auch Kundenbedürfnissen zum Beispiel auf Messen, die statt dicken Schunken lieber tief gehende, destinationsspezifische Pogramme bevorzugen.»  Markus Flick (DER Touristik Suisse) sagt seinerseits: «Die Anzahl der Kuoni-Kataloge - 11, nur reguläre Kataloge, ohne Cruises - ist im Vergleich zu 2009, als es 12 waren, ähnlich, lediglich der Städtereisen-Angebot ist entfallen.» Eine Auflagenzahl der Kataloge will er nicht nennen, sagt jedoch: «Eine effizientere Planung hat zu einem kleinen Rückgang geführt.» Und bei Hotelplan Suisse? «Im aktuellen Geschäftsjahr bieten wir mit Hotelplan, Travelhouse und Tourisme Pour Tous insgesamt 49 Kataloge an», so Bianca Gähweiler, «vor zehn Jahren waren wir noch mit 60 Katalogen am Markt vertreten.» Hier ist also doch eine klare Reduktion in der Breite eingetreten.

Die Gretchenfrage: Braucht es den Katalog überhaupt noch?

Damit sind wir bei der Frage aller Fragen, welche über punktuelle Kosteneinsparungsgedanken hinweg geht: Braucht es den Katalog noch? Montani sagt, dass er bei seinem Amtsantritt bei der Markus Flühmann AG vor 21 Jahren schon solche Fragen erhielt, weil sich damals das Internet richtig auszubreiten begann. Wo steht man heute?

Markus Flick (DER Touristik Suisse) sagt: «Regelmässige Umfragen bestätigen uns, dass gedruckte Kataloge weiterhin einem Bedürfnis unserer Mitarbeitenden mit Beratungsfunktion und unserer Kunden entsprechen. Das digitale Angebot ist zweifellos gross, wird vielfach aber auch als unübersichtlich wahrgenommen. Hier schaffen Kataloge für viele eine wertvolle Abhilfe – sie präsentieren empfohlene, auf sie zugeschnittene Produkte von erfahrenen Reiseveranstaltern. Schliesslich darf auch der Marketingwert von Broschüren im Umlauf, beispielsweise in einem Haushalt, nicht unterschätzt werden.» Ähnlich klingt es bei Christoph Huckele (Knecht Reisen): «Nach wie vor spielen die Kataloge eine wichtige Rolle in den Agenturen. Ein gut gemachter Katalog ist in unseren Augen ein unentbehrliches Verkaufsinstrument am Schalter.» Deshalb versuche Knecht eben auch laufend, dem Trade noch bessere Verkaufs- und Inspirations-Tools in den Katalogen in die Hand zu geben, in Form neuer Angebotslinien. Und auch Hotelplan-Sprecherin Bianca Gähweiler sieht im Katalog nach wie vor ein wichtiges Beratungstool: «So können unsere Kunden zum Beispiel zuhause in den Katalogen nach ihren Ferienwünschen stöbern und dann bereits mit konkreten Ideen in eine unserer Filialen gehen. Klar sind längst nicht all unsere Produkte in den Katalogen ersichtlich. Jedoch kann die Fülle an Produkten, die man im Internet findet, auch überfordern. In unseren Katalogen finden unsere Kunden ein kompaktes Angebot.»

Leicht anders klingt hier TUI-Sprecherin Bianca Schmidt: «In den moderneren TUI-Stores finden die Beratungen oft an den grossen Screens statt, die Wichtigkeit der Kataloge nimmt sicherlich ab. Dennoch ist die Nachfrage in den Büros ungebrochen.»

Fazit

Die Lagerkosten sind bedeutend, für Reisebüros wie für Veranstalter. Reisebüros wollen wohl lieber bedarfsgetrieben bestellen als einen riesigen Initialversand zu erhalten, und bekommen dafür möglicherweise Unterstützung von den Agentenbetreuern, während die letztlich kostentragenden Marketingabteilungen lieber grössere Initialversände machen. Die Menge an Katalogen (in der Anzahl verschiedener Kataloge, nicht bei der totalen Versandzahl) nimmt nur geringfügig ab; teils gibt es nun «für jede Insel einen Katalog», teils werden mehr Produkte und Angebote in die einzelnen Kataloge gepackt. So hat die Gesamtmenge kaum merklich abgenommen und die Katalogproduktion macht weiterhin einen bedeutenden Kostenpunkt bei Reiseveranstaltern aus - welche aber darauf bauen, dass der Katalog immer noch das primäre Tool im Reisebüro ist. Die Lösungen für den optimalen Katalogversand werden meist beim Veranstalter «errechnet». Wären auch kostenpflichtige Katalogbestellungen oder dergleichen denkbar? Möglich ist alles.

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