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Martin Fiedler (57) hat nach seinem Abgang bei TUI Suisse neue Kraft getankt und tritt nun mit dem unabhängigen Melser Reisebüro Zentrum Reisen den Weg in die Selbständigkeit an. Bild: JCR

«Ich bin voll motiviert und will nochmals was bewegen»

Jean-Claude Raemy

Martin Fiedler meldet sich zurück: Der langjährige frühere TUI-Manager wird ab 2020 Mitinhaber von Zentrum Reisen in Mels SG. Travelnews hat sich mit ihm über dieses Comeback unterhalten.

Im Juni 2018 liess eine Mitteilung aus dem Hause TUI Suisse aufhorchen: Martin Fiedler, zuletzt Regionalleiter Bern und Wallis, kündigte an, dass er das Unternehmen nach über 26 Jahren auf eigenen Wunsch verlasse. Seitdem ist es um den branchenbekannten Reisebüro-Profi ruhig geworden. Damals kündigte er an, er suche eine neue Herausforderung. Diese hat er gefunden: Ab dem 1. Januar 2020 wird er Mitinhaber von Zentrum Reisen in Mels.

Travelnews hat sich mit ihm über diese neue Herausforderung unterhalten.


Herr Fiedler, Ihr Abgang bei TUI Suisse nach 26 Jahren kam damals überraschend. Was war passiert und was war ihr Plan?

Martin Fiedler: Ich habe TUI sehr viel zu verdanken und eine schöne Zeit dort verbracht. Ich war allerdings ausgelaugt, nicht mehr besonders motiviert und der Entscheid war in mir gereift, nochmals etwas anderes versuchen zu wollen. Deshalb habe ich auf Oktober 2018 hin gekündigt, allerdings noch ohne Plan, wie es weitergehen würde. Zunächst einmal habe ich den Kopf gelüftet, war viel in den Bergen am Wandern und habe nach Optionen Ausschau gehalten. Das war rückblickend und in meinem Alter vielleicht riskant, aber ich glaube, den Mutigen gehört die Welt.

Wie kam es denn zum Deal mit Zentrum Reisen?

Grundsätzlich habe ich nach Jobs im Raum Aarau, meinen damaligen Wohnort, sowie im Raum Sarganserland, dem Wohnort meiner Partnerin Layla, gesucht. Sie arbeitet schon länger bei Zentrum Reisen und daher kannte ich auch ihren Geschäftsführer, den Mitinhaber von Zentrum Reisen, Erich Arnold. Eigentlich hatte ich schon lange den Wunsch nach beruflicher Selbständigkeit in mir getragen, dachte aber bis kurz vor meinem Abgang, dass ich wohl bei TUI pensioniert würde. Jedenfalls ging ich dann mal im Frühjahr 2019 mit der Idee einer Beteiligung auf Erich Arnold zu; dieser überlegte sich meinen Vorschlag, es kam zu einem Treffen mit dem vierköpfigen Verwaltungsrat von Zentrum Reisen, und am Ende des Sommers war der Deal fertig. Dieser wurde übrigens per Handshake besiegelt.

Und wie sieht denn das Besitzverhältnis nun aus? Wer ist Chef?

Primär bin ich Mitinhaber, mit einer Minderheit. Ich erhalte die Aktien von Erich Arnold, welche dieser wiederum von einem austretenden Aktionär erhält. Die Idee ist, dass ich in rund zwei Jahren die Mehrheit übernehme. Zu jenem Zeitpunkt wird Erich Arnold voraussichtlich pensioniert - er wird aber im Team aktiv bleiben, einfach mit weniger Verantwortung. Bis zu diesem Zeitpunkt teilen wir uns die Geschäftsführerschaft. Ich werde ab Januar übrigens auch im Verwaltungsrat von Zentrum Reisen Einsitz nehmen.

Was hat Sie überhaupt gereizt, bei Zentrum Reisen einzusteigen?

Zum einen kenne ich das Team bzw. dieses kennt auch mich. Das sind sehr erfahrene Personen, ich habe einen Riesen-Respekt vor deren Know-how und Leistung, und ich weiss schon aus meiner Zeit bei TUI, dass dies ein sehr solides Reisebüro ist, welches nicht wie andere Reisebüros stark von «Ups & Downs» betroffen war. Das Personal ist also das wichtigste Kapital, ich will fast sagen unser Luxus. Daneben ist die Ausgangslage gut: Wir sind das einzige Reisebüro in Mels, im Nachbarort Sargans gibt es noch ein Weiteres. Das Einzugsgebiet ist recht gross, wir haben Kundschaft aus dem ganzen Sarganserland, aber auch aus dem Rheintal, aus dem Fürstentum Liechtenstein und sogar aus Chur. Interessant ist aus Investorensicht zudem, dass Zentrum Reisen Eigentümerin von einigen Immobilien im Kanton Zürich ist.

Ich denke, dieses Reisebüro hat sehr gute Perspektiven und ich bin zuversichtlich, dass sich mein finanzielles Engagement dereinst auch auszahlen wird.

«Das Personal ist das wichtigste Kapital, ich will fast sagen unser Luxus.»

Aber wie gross ist denn das Reisebüro, vom Umsatz her?

Ich will keine konkreten Zahlen nennen, aber wir liegen sicher im oberen Mittelfeld, wenn man den Umsatz-Durchschnitt der Schweizer Reisebüros nimmt. Wir haben eine IATA-Lizenz, wir haben vereinzelt auch treue Geschäftskunden, und wir sind vor allem im Gruppen-Business sehr stark. Zentrum Reisen organisiert bis zu sechs Gruppenreisen für bis zu 40 Personen pro Jahr, und diese sind stets ausgebucht.

Das ist gut. Aber Sie haben sich sicherlich auch überlegt, wie Sie in Zukunft weiter wachsen können...

Natürlich. Zum einen würde ich gerne ein Freelance-Modell einführen - also Mitarbeitende auf Freelance-Basis, die geografisch unabhängig operieren. Ähnliche Modelle gibt es in der Schweiz ja schon andernorts und ich glaube, dass hier noch Potenzial liegt. Man muss eine technische Anbindung, etwa ans Midoffice, sicherstellen und klare Rahmenbedingungen bieten und Ziele einfordern. Ich gehe mal davon aus, dass es für ein Reisebüro bereits ab einem jährlichen Umsatz von 150'000 Franken pro Freelancer rentabel sein würde. Diese Zahl lässt sich gut erreichen.

Ebenfalls angedacht ist eine Art Einkaufs-Pooling mit anderen Reisebüros aus der Region. Ich denke, im Bereich Kooperationen und Steuerung gibt es noch die eine oder andere Möglichkeit.

Wir haben zwar keine Lehrlinge, werden aber sicher auch noch gute Leute nachziehen. Da kommt dann vielleicht auch noch die eine oder andere Idee heraus.

Wo sind Sie überhaupt Mitglied?

Wir sind ganz klassisch, also Mitglied im SRV und die Kundengelder sind beim Garantiefonds abgesichert. Auch in Sachen Buchbarkeit sind wir nun relativ klassisch: Im Oktober 2019 sind wir auf CETS umgestiegen.

Klingt alles gut, aber Sie sind selber zwar junggeblieben, aber doch auch nicht mehr der Jüngste. Wo steht denn das Reisebüro in zehn Jahren?

Zunächst einmal will ich festhalten, dass meine Batterien im Laufe dieses Sabbaticals wieder geladen wurden. Ich bin voll motiviert und will nochmals was bewegen. Allerdings will auch ich nicht ewig arbeiten. Vielleicht steht dereinst ein Verkauf an, die Konsolidierung im Reisebüro-Bereich geht bestimmt weiter und gute Büros wie das unsere werden noch begehrter sein, als sie es schon sind. Auch eine Weitergabe an meine etwas jüngere Partnerin Layla ist denkbar. Wer weiss, was auf uns zukommt? Ich muss mich diesbezüglich auch nicht sofort entscheiden.

Sie sind also voll überzeugt von Ihrem Comeback in der Reisebüro-Branche.

Natürlich. Ich denke, 2019 war für mich ein super Jahr, ich habe mich erholt, die Weichen richtig gestellt, ich starte ein neues Abenteuer. Ich war zur rechten Zeit am richtigen Ort. Ich bin zudem von Aarau nach Malans gezogen, unweit des Büros, auch unweit der Berge. Ich könnte aktuell nicht glücklicher sein und glaube felsenfest an die gute Zukunft unseres Reisebüros.