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Ist die Bekanntgabe des nächstjährigen Austragungsortes wirklich das Spannendste an der SRV-GV? Wir meinen: Nein. Bild: JCR

Kommentar Es fehlt doch nicht an heissen Themen!

Jean-Claude Raemy

Dauert die SRV-GV zu lang? Muss man dafür immer ins Ausland reisen? Ist alles gut wie es ist? Das ist unsere Meinung zum wichtigen Branchenanlass.

Die diesjährige Generalversammlung des SRV ist bereits wieder Geschichte. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Stimmung und das Programm gut waren. Doch was hat bewegt? Was ist davon geblieben? Wir haben einige der dortigen Diskussionspunkte zusammengetragen.

Dauer der Veranstaltung

Die SRV-GV 2019 war wohl eine der kürzesten in der jüngeren Geschichte. Das liegt natürlich an der Nähe des Austragungsortes Rust und am Fakt, dass das Programm am Tag nach der GV von zahlreichen GV-Teilnehmern gar nicht mehr in Anspruch genommen wurde; viele reisten am Samstagmorgen bereits heim. Das ist nicht grundsätzlich schlecht. Es steht aber in scharfem Kontrast zur Dauer der letztjährigen GV (gemäss Programm fünf Tage) und auch der nächstjährigen GV (vier Tage). Was die Frage aufkommen lässt: Wie lange darf eine GV dauern? Bei der SRV-GV war es immer so, dass die statutarisch festgelegte, obligatorisch durchgeführte GV immer etwas «angereichert» wurde – zumindest dann, wenn sie nicht so wie früher nur im Rahmen des TTW durchgeführt wurde. Das hat natürlich den Vorteil, dass so eine GV eben nicht nur wie bei vielen anderen Vereinen eine «lästige Pflichtübung» ist, sondern ein echter Networking-Event ist und gewissermassen auch eine Weiterbildung (Stichwort Destinationskenntnis) bietet. Die Frage ist lediglich, wie viel notwendig und verträglich ist und ab wann man sich dem Verdacht aussetzt, dass die GV nur Vorwand für ein «Plauschreisli» ist.

Ort der Veranstaltung & Umweltschutz-Debatte

In diesem Jahr waren an der SRV-GV, analog zum öffentlichen Diskurs, Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein grösseres Thema als sonst. Nebst dem Bericht von Roland Schmid (Fachgruppe Umwelt) gab es zum Abschluss der GV noch eine flammende Präsentation von Polarforscher und Buchautor Arved Fuchs. Man mag mit seinen Umweltschutzargumenten einverstanden sein oder nicht – allerdings war es sicherlich unglücklich, dass er der Branche nicht nur einen Spiegel vorhielt, sondern in der Kritik auch gewisse Unternehmen mit Vertretern im Saal als «Umweltsünder» abgestempelt wurden.

Definitiv Gesprächsbedarf herrschte bei einigen Teilnehmenden jedoch vor allem hinsichtlich der Frage, wie es sein könne, wenn man im Rahmen der GV mehrfach mit Umweltschutzthemen berieselt wird, anschliessend dann aber Ras-al-Khaimah als Ausführungsort der nächsten GV bekannt gegeben wird, was wieder eine mittellange Flugreise für die 200 Teilnehmenden bedeuten wird und kaum nachhaltig ist, Kompensation hin oder her.

Dazu mal Folgendes aus unserer Sicht: Wir sind immer noch die Reisebranche und es ist unser Geschäft, Personen zum Reisen zu bewegen und irgendwohin zu befördern. Und es gibt Destinationen, im aktuellen Fall Ras-al-Khaimah, welche ein Interesse daran haben, die Schweizer und im Speziellen eben auch die Schweizer Reisebranche von ihren Vorzügen zu überzeugen, und deshalb auch als Sponsoren/Austragungsorte eines solchen Events in Erscheinung treten. Dass eine GV gewissermassen an eine Studienreise gekoppelt wird, ist nicht verwerflich. Die Branche soll ihre Umweltschutz-Hausaufgaben im Rahmen ihrer Möglichkeiten machen – in sämtlichen Details, von Biofuel über Reduktion von Abfall und über die Verwendung nachhaltiger Produkte bis hin zur Empfehlung möglichst nachhaltiger Reisearten. Aber eine Reisebranche, die nicht selber auch reist, macht keinen Sinn. Und vorläufig reist man eben mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen.

Eine ins Feld geworfene Idee, man könne die GV statt jährlich nur noch zweijährlich oder gar dreijährlich durchführen, wäre rechtlich wohl machbar, hätte aber nebst dem Vorteil tieferer CO2-Ausstösse der GV-Teilnehmenden (wenn überhaupt) den Nachteil, dass dann der Vorstand nicht mehr jedes Jahr Rechenschaft ablegen muss.

Wo sind die Jungen?

Railtour-Chef Werner Schindler sagte kürzlich an einer Bahnveranstaltung, dass sich die etwas verstaubten Bahnanbieter künftig verstärkt auf die Jungen fokussieren sollten, auf deren Bedürfnisse, und diese somit auch verstärkt aktiv in die eigene Zukunfts-Planung mit einbeziehen sollen. Der SRV ist zumindest bemüht: Wie üblich kamen drei «Young Talents» mit, allerdings als wohl einzige Vertreter der Alterskategorie 20-30. Deren vorgestellte Ideen waren gut und fanden Anklang, schienen aber im Anschluss an die GV kein grosses Diskussionsthema zu sein.

Ein grösseres Thema war natürlich die Wahl von Natalie Dové in den Vorstand. Dies hatte der Vorstand selber in die Wege geleitet und damit signalisiert, dass man willens ist, hier eine Änderung herbeizuführen. Dové ist «jung» (allerdings mit, sagen wir mal, über 35 Jahren auch nicht mehr der Generation Y oder Z zuzurechnen) und eine Frau und eine Reisebürovertreterin. Eigentlich krass, dass all diese Attribute zuletzt im Vorstand gar nicht mehr zu finden waren. Nun wird sich weisen müssen, ob ihre Wahl nur ein «Feigenblatt» ist oder ob sie tatsächlich etwas bewegen kann. Zwei Herren CEOs sind jedenfalls auch nochmals für drei Jahre im Amt bestätigt. Hey, statutarisch hätte es Platz für noch eine weitere Person im Vorstand – wird nochmals eine Frau und/oder jemand «Jüngeres» beigezogen? Die Frage ist, ob da auch jemand gewillt ist, aktiv beizutragen und sich im Vorstand an den Herren CEOs zu reiben. Es ist gewiss nicht so, dass Letztere grundsätzlich kritisch gegenüber Jungen stehen, in ihren Unternehmen fördern sie diese auch, aber am Diskussionstisch mag allein deren Präsenz natürlich «dominierend» wirken.

Aber natürlich liegt es auch an den Jungen selber, etwas zu tun. Es hat sehr wenige «jüngere Teilnehmer» an der SRV-GV – spricht das für ein allgemeines Nachwuchsproblem der Reisebranche? Für zu wenig Unternehmertum in der Reisebranche? Oder gar für Inhalte der GV, welche Junge zu wenig ansprechen? Es ist wohl eine Mischung aus all dem. Es gilt auch für jüngere Generationen: Nur wer mitredet (bzw. mit abstimmt), kann auch etwas ändern. Und mitreden heisst nicht, sich privat oder online zu beschweren, sondern im Rahmen der GV mal Punkte einzubringen und eben öffentlich zu diskutieren. Warum werden zwei Fachgruppen von pensionierten Branchenvertretern geleitet? Sollten nicht nur aktive Branchenvertreter dabei sein? Nur eben, es fehlt an Frewilligen und somit an Alternativen.

Travelnews hatte im Vorfeld eine mal wieder etwas kontroversere GV erwartet, doch blieb die GV selber komplett «zahm». Nun braucht es nicht auf Teufel komm raus Kontroverse, aber wenn schon die Crème der Reisebranche an einem Ort vereint ist, wäre eine öffentliche Diskussion diverser Problempunkte doch zumindest wünschenswert und angebracht.

In diesem Zusammenhang auch noch ein Gedanke zur vorhin erwähnten Kopplung von GV und Studienreise: Diese an sich gute Kombination wird etwas dadurch verwässert, dass viele Branchenteilnehmer zwar private Begleitpersonen dabei haben, aber eben die Dichte an «Reisebüro-Frontpersonen» doch sehr dünn ist. Müsste ein Chef statt der Partnerin vielleicht mal einen Filialleiter oder sonstige Mitarbeitende mitnehmen? Das würde die Anzahl benötigter Zimmer erhöhen, aber dem Event dafür vielleicht etwas mehr (benötigten) «Branchen-Stallgeruch» verleihen.

Wie weiter?

Die Diskussionen rund um Sinn und Zweck der GV sind eigentlich müssig. Es ist ein aus Verbandssicht «obligatorischer» Event, bei welchem der Verband und die Geschäftsstelle Rechnung ablegen. Viel mehr, als bereits im Geschäftsbericht zu lesen war, kam nicht – doch das ist auch nicht Aufgabe von Vorstand und Geschäftsstelle. Diese vertreten die Interessen der Branche in diversen Meetings und Gremien und nicht primär an der GV; diese wäre eher da, vorhandene Bedürfnisse aufzunehmen. Dies passiert hier aber nicht im Rahmen der GV per se, sondern während des Networkings im Vorfeld/Anschluss der GV. Damit ist auch dieses Ziel erfüllt – und somit wird die SRV-GV sich auch künftig nicht wesentlich ändern, sondern ist in der Austragungsform durchaus gut.

Es wäre einfach wünschenswert, wenn brennenden Themen mehr Platz einberaumt wird und es nicht schon im Vorfeld heisst, dass der nächstjährige Austragungsort das einzig Spannende sei. Daran müssen alle Beteiligten arbeiten. Heisse Themen werden an der GV diskutiert, nur nicht im Plenum. Immerhin bietet die wieder längere GV 2020 diesbezüglich einen Vorteil: Es gibt dann wieder Workshops und Diskussionsrunden, welche 2018 durchaus bereichernd waren. Der Themen-Input dafür startet jetzt. Statt über Form und Länge der GV zu diskutieren, sollten ab jetzt Inhalte für 2020 geliefert oder beantragt werden. Gefragt ist die Branche als Ganzes und nicht allein die SRV-Spitze.